Rechtsprechung KW 14-2017

1. Erbschaft-/Schenkungsteuer

Besteuerung eines durch Erbanfall erworbenen Pflichtteilsanspruchs - Pflichtteilsanspruch als Geldanspruch - Besteuerung mehrerer Erwerbe in einem Bescheid

Ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört zum Nachlass und unterliegt beim Erben der Besteuerung aufgrund Erbanfalls. Auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben kommt es nicht an.

BFH v. 07.12.2016, II R 21/14

Hinweis:

Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB), durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB) oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. BGB). Nach § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB kann ein Abkömmling des Erblassers, der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind (§ 2303 Abs. 2 S. 1 BGB). Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB).

Im Streitfall war der Kläger Alleinerbe seines im September 2008 verstorbenen Vaters. Dem Vater stand wegen einer Erbausschlagung ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 400.000 € zu, den er aber gegenüber dem Verpflichteten nicht geltend gemacht hatte. Nach dem Tod des Vaters beanspruchte jedoch der Kläger als neuer Anspruchsinhaber den geerbten Pflichtteil (im Januar 2009). Das Finanzamt rechnete den Pflichtteilsanspruch dem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb des Klägers bereits auf den Todeszeitpunkt seines Vaters hinzu. Der Kläger machte hiergegen geltend, dass ein Pflichtteil immer erst mit seiner Geltendmachung der Besteuerung unterliege.

Der BFH hat entschieden, dass der vom Erblasser nicht geltend gemachte Pflichtteilsanspruch zum Nachlass gehört und beim Erben der Besteuerung aufgrund Erbanfalls unterliegt.

Das Vermögen des Erblassers geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf den Erben über. Dazu gehört auch ein dem Erblasser zustehender Pflichtteilsanspruch, weil dieser Anspruch kraft Gesetzes vererblich ist. Für die Besteuerung ist nicht erforderlich, dass der Erbe den geerbten Pflichtteilsanspruch geltend macht. Dabei besteht nicht die Gefahr einer doppelten Besteuerung beim Erben. Der Erbe eines Pflichtteilsanspruchs muss nur beim Anfall der Erbschaft Erbschaftsteuer für den Erwerb des Anspruchs bezahlen. Eine spätere Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch ihn löst keine weitere Erbschaftsteuer aus. Macht der Erbe - anders als im Streitfall - den Anspruch gegenüber dem Verpflichteten (ebenfalls) nicht geltend, bleibt es aber dabei, dass für den Erwerb des Anspruchs dennoch Erbschaftsteuer anfällt.




2. Einkommensteuer

Ermittlung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG - Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben


Abweichend von der bisherigen (durch die Rechtsprechung gebilligten) Verwaltungsauffassung, wonach sich die Höhe der zumutbaren Belastung ausschließlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet, ist die Regelung so zu verstehen, dass nur der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Grenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet wird.

Der Gesamtbetrag der Einkünfte als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Belastung ist nicht um Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung zu kürzen. Insbesondere ist die Anknüpfung der Bemessungsgrundlage an den Gesamtbetrag der Einkünfte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

BFH v. 19.01.2017, VI R 75/14

Der Abzug außergewöhnlicher Belastungen ist nach § 33 Abs. 1 und 3 EStG nur möglich, wenn der Steuerpflichtige mit überdurchschnittlich hohen Aufwendungen belastet ist. Die zumutbare Belastung wird in drei Stufen (Stufe 1 bis 15.340 €, Stufe 2 bis 51.130 €, Stufe 3 über 51.130 €) nach einem bestimmten Prozentsatz des Gesamtbetrags der Einkünfte (abhängig von Familienstand und Kinderzahl) bemessen (1 bis 7 %). Der Prozentsatz beträgt z.B. bei zusammenveranlagten Ehegatten mit einem oder zwei Kindern 2 % (Stufe 1), 3 % (Stufe 2) und 4 % (Stufe 3).

Im Streitfall hatte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung Krankheitskosten in Höhe von 4.148 € als außergewöhnliche Belastungen erklärt. Da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Eheleute über 51.130 € lag, berechnete das FA die zumutbare Belastung unter Anwendung des in der Situation des Klägers höchstmöglichen Prozentsatzes von 4 %. Die Krankheitskosten der Eheleute wirkten sich nach dem Abzug der zumutbaren Belastung nur noch mit 2.069 € steuermindernd aus.

Der BFH hat entschieden, dass die zumutbare Belastung gem. § 33 Abs. 3 EStG stufenweise zu ermitteln ist.

Bei der nun gestuften Ermittlung (im Streitfall 2 % bis 15.340 €, 3 % bis 51.130 € und 4 % erst in Bezug auf den die Grenze von 51.130 € übersteigenden Teil der Einkünfte) erhöhten sich die zu berücksichtigenden Krankheitskosten um 664 €. Maßgebend für die Entscheidung des BFH waren insbesondere der Wortlaut der Vorschrift, der für die Frage der Anwendung eines bestimmten Prozentsatzes gerade nicht auf den „gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte“ abstellt, sowie die Vermeidung von Härten, die bei der Berechnung durch die Finanzverwaltung entstehen konnten, wenn eine vorgesehene Stufe nur geringfügig überschritten wurde.

Der Gesamtbetrag der Einkünfte als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Belastung ist nicht um Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung zu kürzen. Insbesondere ist die Anknüpfung der Bemessungsgrundlage an den Gesamtbetrag der Einkünfte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung, da Steuerpflichtige nun in der Regel früher und in größerem Umfang durch ihnen entstandene außergewöhnliche Belastungen steuerlich entlastet werden. Denn durch die neue Berechnung der zumutbaren Belastung werden hohe Grenzsteuersätze vermieden, die bisher bei geringfügiger Überschreitung der jeweiligen Stufe fällig wurden.

Vermietung eines häuslichen Arbeitszimmers an den Auftraggeber eines Gewerbetreibenden

Einkünfte aus der Vermietung eines häuslichen Arbeitszimmers an den Auftraggeber eines Gewerbetreibenden sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn die Vermietung ohne den Gewerbebetrieb nicht denkbar wäre.

Ein steuerlich berücksichtigungsfähiges Arbeitszimmer unterscheidet sich von einer nicht berücksichtigungsfähigen Arbeitsecke durch eine feste bauliche Abgrenzung gegen die privat genutzten Teile der Wohnung.

BFH v. 13.12.2016, X R 18/12

Hinweis:

Gem. § 21 Abs. 3 EStG gehören u.a. Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zu den gewerblichen Einkünften, soweit sie zu diesen gehören.

Die Klägerin war in einem Klinikum angestellte Sekretärin eines Professors und Chefarztes. Daneben erzielte sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb, indem sie für den Chefarzt die im Rahmen von dessen Nebentätigkeit erstellten Gutachten schrieb, die Abrechnung der Nebentätigkeit wahrnahm und den Zahlungseingang kontrollierte. Diese Arbeiten erledigte sie in dem mit ihrem Ehemann gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus. Das Arbeitszimmer hatte auf drei Seiten Mauern und keine Türen. Die vierte Seite grenzte an den Treppenaufgang und den Flur und bestand aus einer Steinwand und einer Glasverkleidung. Die Funktion der Glasverkleidung beschränkte sich in der Sache ganz nach Art eines Geländers auf einen Schutz gegen Fehltritte zum Treppenaufgang hin und ist mit ihrer Länge mehr dem offenen denn dem geschlossenen Teil der betreffenden Zimmerseite zuzurechnen. Die Klägerin vermietete zusammen mit ihrem Ehemann das Arbeitszimmer zur Ausübung ihrer Tätigkeiten für den Chefarzt für zunächst 100 DM und später für 100 €. In ihren Einkommensteuererklärungen erklärte die Klägerin Verluste aus Vermietung und Verpachtung aus der Überlassung des Arbeitszimmers. Das FA erkannte die Verluste nicht an.

Der BFH hat entschieden, dass die Einkünfte aus der Überlassung des Arbeitszimmers den gewerblichen Einkünften der Klägerin zuzurechnen ist und dass aufgrund der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG keine Berücksichtigung des Verlusts möglich ist.

Die Schreib- und Sachbearbeitertätigkeit der Klägerin ist eine Betätigung gem. § 15 Abs. 2 EStG und führt zu gewerblichen Einkünften. Als untrennbarer Bestandteil der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin ist die Vermietung steuerlich ebenso zu qualifizieren wie diese. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Vermietung von Wohnraum nur gewerblich sein, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, nach denen die Betätigung des Vermieters als Ganzes gesehen das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen, vom Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erhält, hinter der die bloße Nutzung des Mietobjekts als Vermögensanlage zurücktritt.

Die Kosten für das Arbeitszimmer sind nicht abzugsfähig, weil der Raum vom privaten Wohnbereich nicht ausreichend abgetrennt war.

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