Rechtsprechung KW 10-2017

1. Einkommensteuer

Nachträgliche Anschaffungskosten bei Finanzierungsmaßnahmen eines unternehmerisch beteiligten Aktionärs - Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG


Die Gewährung eines krisenbestimmten Darlehens an die AG durch einen Aktionär, der zu diesem Zeitpunkt an der Gesellschaft unternehmerisch beteiligt ist, führt zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung.

BFH  v. 06.12.2016,  IX R 12/15

Hinweis:

Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt.

Auflösungsverlust i. S. d. § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 S. 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen.

Der Kläger war am Grundkapital der S-AG zunächst mit 32 % beteiligt. Der Kläger gewährte der S-AG ein Darlehen i. H. v. 500.000 DM und vereinbarte einen Rangrücktritt. Nach Anteilsveräußerungen und Kapitalerhöhungen verringerte sich die Beteiligung auf 10,41 %. Über das Vermögen der S-AG wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach einer Bestätigung des Insolvenzverwalters stand zum 31.12.2001 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass es für die Aktionäre der S-AG weder eine Ausschüttung noch einen Zwangsvergleich geben wird. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung  begehrte der Kläger einen Auflösungsverlust i. S. d. § 17 EStG. Hierbei berücksichtigte er das ausgefallene Gesellschafterdarlehen mit seinem Nennwert i. H. v. 500.000 DM als nachträgliche Anschaffungskosten. Das FA berücksichtigte den geltend gemachten Verlust nicht.
Der BFH hat entschieden, dass der Darlehensausfall als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu berücksichtigen ist und somit den Verlust i. S. d. § 17 EStG erhöht.

Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 S. 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben; dazu gehören nach § 255 Abs. 1 S. 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind.

Ist der Gesellschafter Aktionär, so sind die Grundsätze des Eigenkapitalrechts auf seine Finanzierungshilfen in der maßgeblichen Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG nur dann sinngemäß anzuwenden, wenn er mehr als 25 % der Aktien der Gesellschaft hält oder - bei geringerer, aber nicht unbeträchtlicher Beteiligung - verbunden mit weiteren Umständen über gesellschaftsrechtlich fundierte Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft als Grundlage für eine (innergesellschaftliche) Finanzierungsverantwortung verfügt, die einer Sperrminorität vergleichbar sind, vgl. § 57 Abs. 1 AktG. Der Kläger war im Zeitpunkt der Darlehensgewährung zu 27 % beteiligt. Da das Darlehen nach der Vereinbarung als Krisendarlehen vorgesehen war, lag somit im Urteilsfall haftendes Kapital vor.

Die Entstehung eines im Jahre 2001 zu berücksichtigenden Auflösungsverlustes setzt voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden. Diese Voraussetzung war im Streitfall erfüllt.

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