Umsatzsteuer

1.1 NWB

Hat die Rechnung als Voraussetzung des Vorsteuerabzugs ausgedient? Auswirkungen der EuGH-Urteile „Senatex“ und „Barlis 06“


Becker, NWB 45/2016, S. 3.374

Anmerkung:

Das Recht auf Vorsteuerabzug setzt gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S.  2 UStG den Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung nach §§ 14, 14a UStG voraus. Fehlen Angaben auf der Rechnung oder sind diese mangelhaft, ist der Abzug gefährdet. Eine Rechnungsberichtigung wird unter Anwendung von § 17 Abs. 1 S.  7 UStG bislang  nur mit Wirkung für die Zukunft anerkannt. Das kann zu Nachzahlungszinsen in Höhe von 6 % p. a. und damit zu einer finalen finanziellen Belastung des Unternehmers führen.

In den beiden EuGH-Urteilen v. 15.09.2016 Rs.  „Senatex“ und „Barlis 06“ ging es um die Frage, zu welchem Zeitpunkt ein Vorsteuerabzug aus einer Rechnungsberichtigung vorgenommen werden kann. Der EuGH hat hierzu entschieden, dass das Recht auf Vorsteuerabzug aufgrund des Neutralitätsgrundsatzes sofort ausübbar sein muss.

In der Rs. Senatex wurde ein VoSt-Abzug verwehrt weil das Abrechnungsdokument nicht die Steuernummer oder USt-IDNr. des leistenden Unternehmers enthielt. Das Finanzamt verwehrte aufgrund des Fehlens einer ordnungsgemäßen Rechnung i.S. § 14 Abs. 4 UStG den VoSt-Abzug. Nach Vorlage der Berichtigungsrechnungen gewährte das FA zwar einen Vorsteuerabzug, allerdings erst zum Zeitpunkt in dem die berichtigte Rechnung vorlag (§ 17 Abs. 1 S. 7 UStG). Der EuGH hat hingegen entschieden, dass ein VoSt-Abzug bereits im Zeitpunkt der Steuerentstehung möglich ist.

In der Rs. Barlis 06 wurde ein VoSt-Abzug verwehrt, weil es an einer ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung fehlte. Daraufhin legte Barlis Annexe mit detaillierter Leistungsbeschreibung vor. Der EuGH hat entschieden, dass auch in diesem Fall ein rückwirkender Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer in Betracht kommt.

Derzeit sind beim EuGH nach Vorlage durch den BFH zwei weitere Verfahren zu Inhalt und Bedeutung der Rechnung unter den Aktenzeichen C-374/16 und C-375/16 anhängig. Der EuGH wird Gelegenheit zur Konkretisierung seiner Grundsätze haben.




Vorsteuerausschluss bei überwiegender Nutzung im Rahmen einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit -EuGH-Urteil vom 15. 9. 2016 - Rs. C-400/15

Pfefferle, Renz, NWB 47/2016, S. 3.527

Anmerkung:

In der Rs. C-400/15, Landkreis Potsdam-Mittelmark, hat der EuGH zur Reichweite des Vorsteuerausschlusses bei hoheitlicher Tätigkeit entschieden. Demnach gilt Art. 1 der Entscheidung 2004/817/EG nicht für den Fall, dass ein Unternehmen Gegenstände oder Dienstleistungen erwirbt, die es zu mehr als 90 % für nicht wirtschaftliche – nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende – Tätigkeit nutzt.

Nach § 15 Abs. 1 S. 2 UStG ist die Zuordnung zum Unternehmensvermögen und damit den Abzug der Vorsteuer aus den AK/HK eines zu weniger als 10% unternehmerisch einheitlich genutzten Gegenstands insgesamt ausgeschlossen.

Im Streitfall erwarb eine Kommune verschiedene Gegenstände, die sie im Wesentlichen hoheitlich verwendete. Im Umfang von 2,65% setzte sie diese jedoch auch unternehmerisch ein. Das Finanzamt ließ den anteiligen Vorsteuerabzug nicht zu. Einspruch und Klage hatte keinen Erfolg. Mit Vorlagebeschluss v. 16.06.2016, IX R 15/13, setzte der BFH das Verfahren aus und legte dem EuGH die Sache zur Entscheidung vor.

Der EuGH hat entschieden, dass der Kommune ein anteiliger Vorsteuerabzug zusteht.

Mit Durchführungsbeschluss v. 10.12.2015 wurde Deutschland erneut ermächtigt, weiterhin § 15 Abs. 1 S. 2 UStG anzuwenden. Dieser Beschluss gilt ab dem 01.01.2016. Die Ermächtigung nennt nunmehr auch explizit Gegenstände und Dienstleistungen, die für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass ab 01.01.2016 nichtwirtschaftliche Tätigkeiten dem Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 S. 2 UStG unterliegen.




Gemischt genutzte Gebäude – Welcher (Vorsteuer-)Schlüssel passt zum neuen Schloss? Hinweise zum BFH-Urteil vom 10. 8. 2016 - XI R 31/09

Hammerl, Fietz, NWB 48/2016, S. 3.598

Anmerkung:

Mit Urteil v. 10.08.2016, XI R 31/09 hat der BFH erneut zur Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden entschieden.

Bei der Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes kann für den Vorsteuerabzug - im Gegensatz zu den Eingangsleistungen für die Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung - nicht darauf abgestellt werden, welche Aufwendungen in bestimmte Teile des Gebäudes eingehen; vielmehr kommt es insoweit auf die prozentualen Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes an.

Bei der Herstellung eines solchen Gebäudes ermöglicht der objektbezogene Flächenschlüssel regelmäßig eine sachgerechte und „präzisere” Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug als der gesamtumsatzbezogene oder der objektbezogene Umsatzschlüssel. Ein objektbezogener Umsatzschlüssel ist nur anzuwenden, wenn erhebliche Ausstattungsunterschiede zwischen den einzelnen Flächen bestehen oder andere Gründe gegen die Anwendung des Flächenschlüssels sprechen. Zur Abgrenzung zwischen objektbezogenem Flächen- und Umsatzschlüssel ist vorrangig auf die Höhe der Baukosten für die einzelnen Gebäudeteile abzustellen. Weichen diese erheblich voneinander ab, ist der objektbezogene Umsatzschlüssel anzuwenden. Ein Gesamtumsatzschlüssel ist hingegen grundsätzlich nur für Verwaltungsgebäude zulässig.

Die Neuregelung der Aufteilungsmethode für den Vorsteuerabzug durch den am 01.01.2004 in Kraft getretenen § 15 Abs. 4 S. 3 UStG kann eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 UStG bewirken. 




1.2 Der Betrieb

Grenzüberschreitende elektronische Dienstleistungen in der USt


Kußmaul, Naumann, DB 44/2016, S. 2.566

Anmerkung:

Definition der elektronischen Dienstleistung

Eine elektronische Dienstleistung umfasst sonstige Leistungen, „die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre“, vgl. Abschn. 3a.12 Abs. 1 S. 1 UStAE.

Grenzüberschreitende Dienstleistungen an Unternehmer

Bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen an Unternehmer findet § 3a Abs. 2 S. 1 UStG Anwendung, wonach die Leistung am Ort des Leistungsempfängers als ausgeführt gilt. Bei grenzüberschreitenden elektronischen Dienstleistungen wird die Steuerbarkeit somit aus dem Ursprungsland in das Bestimmungsland verlagert. Bei Umsätzen innerhalb des Gemeinschaftsgebiets ist das Reverse-Charge-Verfahren zu beachten.

Grenzüberschreitende Dienstleistungen von Unternehmern aus dem Drittland an inländische Nichtunternehmer oder von inländischen Unternehmern an Nichtunternehmer aus dem Drittland

Wird eine elektronische Dienstleistung von einem inländischen Unternehmer an einen Nichtunternehmer aus dem Drittland oder von einem Unternehmer aus dem Drittland an einen inländischen Nichtunternehmer erbracht ist § 3a Abs. 5 UStG zu beachten, so dass das Bestimmungslandprinzip gilt. Damit erfolgt die Besteuerung am Wohnort des Leistungsempfängers.

Zur Vermeidung dieses potenziellen, verfahrenstechnischen Mehraufwands wurde im Gemeinschaftsgebiet der sog. „One-Stop-Shop-Mechanismus“, kurz OSS, geschaffen und für Deutschland in § 18 Abs. 4c, 4d UStG implementiert. Hiernach muss sich der ausländische Unternehmer nur in einem Mitgliedstaat steuerlich registrieren, seine Umsätze angeben sowie seine Steuerschuld berechnen und abführen. Nach den Voraussetzungen des § 18 Abs. 4c UStG darf der leistende Unternehmer bei Inanspruchnahme des OSS-Verfahrens ausschließlich im Drittland ansässig sein und im Gemeinschaftsgebiet lediglich Umsätze nach § 3a Abs. 5 UStG erbringen. Erfüllt der Unternehmer diese Voraussetzungen, darf er wählen, in welchem Mitgliedstaat er sich zum OSS-Verfahren anmeldet; in diesem Staat schuldet der Unternehmer sodann die USt für alle Mitgliedstaaten, muss aber entsprechend des jew. gültigen USt-Satzes die Steuerlast pro Mitgliedstaat selbst berechnen.

Grenzüberschreitende Dienstleistungen in und aus dem Gemeinschaftsgebiet

Leistungsort für elektronische Dienstleistungen eines in der EU ansässigen Unternehmers an einen in der EU ansässigen Nichtunternehmer ist der Ort des Verbrauchs. Nach § 3a Abs. 5 UStG wird hierbei auf den Ort abgestellt, an dem der Leistungsempfänger ansässig ist oder seinen Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da Nichtunternehmer nicht als Steuerschuldner herangezogen werden können, wurde, in Anlehnung an das OSS-Verfahren für Drittlandsunternehmen, das „Mini-One-Stop-Shop“, kurz MOSS, für europäische Unternehmen eingeführt. Für den im Inland ansässigen Unternehmer ist das Verfahren in § 18h UStG geregelt. Wird dem Antrag zur Teilnahme am MOSS-Verfahren stattgegeben, so ist bis zum 20. Tag nach Ablauf jedes Besteuerungszeitraums, dem Kalendervierteljahr, eine USt-Erklärung zu übermitteln; hierin ist, neben der USt-IdNr.,der Gesamtbetrag der Leistungen, die auf die jeweiligen Mitgliedstaaten entfallende Steuer unter Angabe der Steuersätze sowie der errechnete Gesamtbetrag, ohne Rundung, anzugeben und sodann an das BZSt in EUR zu entrichten. Das BZSt leitet die Daten und Zahlungen an die jeweiligen Verbrauchsstaaten weiter.





Neuregelung der Besteuerung der öffentlichen Hand: Optionserklärung juristischer Personen des öffentlichen Rechts

Trotst, Menebröcker, DB 54/2016, S. 2.622

Anmerkung:

Durch Artikel 12 des Steueränderungsgesetzes 2015 (BGBl. I 2015 S. 1834) wurden die Regelungen zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts aufgrund europarechtlicher Vorgaben neu gefasst. Die Änderungen sind am 01.01.2016 in Kraft getreten, allerdings gelten im Kalenderjahr 2016 die bestehenden Regelungen weiter. Danach können die Rechtsänderungen zur Folge haben, dass einige Aktivitäten von Körperschaften des öffentlichen Rechts nun nicht mehr der Umsatzsteuer unterliegen. Andererseits kann die Rechtslage auch dazu führen, dass auf Leistungen, die bislang steuerlich keine Rolle gespielt haben, nun Umsatzsteuer anfällt. Daher kann die Rechtsänderung auch Bedeutung für Körperschaften des öffentlichen Rechts haben, die bislang zu Recht nicht beim Finanzamt gemeldet waren.

Eine bundesgesetzliche Übergangsregelung (§ 27 Abs. 22 UStG) ermöglicht es allen Betroffenen, die bisherige Rechtslage bis Ende 2020 fortzuführen. Dann bleibt für die nächsten vier Jahre alles beim Alten. Dazu muss die betreffende Kommune, Organisation oder Einrichtung bis Ende dieses Jahres bei ihrem Finanzamt eine Optionserklärung (vgl. § 27 Abs. 22 S. 3 UStG) abgeben.

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