Umsatzsteuer

Vorsteuerabzug für privat genutzten Gebäudeteil („Seeling” Altfall)

Wird ein von einer GmbH bebautes Grundstück teilweise dem Geschäftsführer zu Wohnzwecken überlassen, so scheidet ein Vorsteuerabzug für den Wohnteil gemäß
§ 15 Abs. 2 UStG aus, wenn dieser steuerfrei vermietet wurde.

Das Recht zur Nutzung zu Wohnzwecken aufgrund des Arbeitsvertrags des Geschäftsführers kann Teilentgelt für seine Arbeitsleistung darstellen.

BFH  v. 18.02.2016, V R 23/15

Hinweis:

Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

Die Vergütung für eine Nutzungsüberlassung kann in einer Geldzahlung sowie in einer Sach- oder Dienstleistung - tauschähnlicher Umsatz - und damit auch in einer Arbeitsleistung bestehen. Voraussetzung ist, dass zwischen der Leistung (z.B. Nutzungsüberlassung) und der Gegenleistung (z.B. Vergütungsleistung in Form einer Arbeitsleistung) ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang besteht regelmäßig, wenn die unternehmerisch tätige juristische Person mit ihrem Vertretungsorgan einen Mietvertrag geschlossen oder die Nutzungsüberlassung im Rahmen eines Anstellungsvertrags vereinbart hat.

Eine im Anstellungsvertrag vereinbarte Wohnungsüberlassung durch einen Arbeitgeber an seinen Arbeitnehmer wird in der Regel als Gegenleistung für die Arbeitsleistung erbracht und erfolgt damit – ungeachtet der Vereinbarung als unentgeltliche Überlassung – gegen eine Vergütung.

Nachdem im Streitfall eine steuerfreie Vermietung der Klägerin an den Geschäftsführer vorliegt, sind die auf die Herstellung des Gebäudes entfallenden Vorsteuerbeträge nur insoweit abziehbar, soweit sie mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen in Zusammenhang stehen.





Steuerfreie Postuniversaldienstleistungen

Universaldienstleistungen i.S. von § 4 Nr. 11b UStG verlangen eine Post-Zustellung an sechs Arbeitstagen pro Woche.

Stellt ein Unternehmer an fünf Arbeitstagen pro Woche Post zu, erbringt er keine Universaldienstleistungen und hat keinen Anspruch gegen das BZSt auf Erteilung einer für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung erforderlichen Bescheinigung.

BFH v. 02.03.2016, V R 20/15

Hinweis:

Postdienstleistungen sind nur umsatzsteuerfrei, wenn sich der Unternehmer verpflichtet, Postsendungen an allen Werktagen und damit im Regelfall sechsmal wöchentlich zuzustellen, wie der BFH mit Urteil v. 02.03.2016, V R 20/15 entschieden hat.

Die Umsatzsteuerfreiheit von Postdienstleistungen (sog. Post-Universaldienstleistungen) setzt voraus, dass sich der Unternehmer gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) verpflichtet, diese Leistungen flächendeckend anzubieten. Das BZSt muss dies zudem bescheinigen (§ 4 Nr. 11b UStG).

Im Streitfall beantragte die Klägerin, die für die Steuerfreiheit erforderliche Bescheinigung beim BZSt. Das BZSt versagte die Erteilung, da die Klägerin Zustellungen nur an fünf Werktagen (Dienstag bis Samstag) in der Woche erbringen wollte.

Die Klage zum Finanzgericht und die Revision zum BFH waren ohne Erfolg. Nach dem Urteil des BFH setzt die Erteilung - der für die Steuerfreiheit erforderlichen - Bescheinigung voraus, dass der Unternehmer Postsendungen an allen Werktagen unter Einschluss des Montags zustellt. Der BFH leitet dies aus der Post-Universaldienstleistungsverordnung ab, die auch umsatzsteuerrechtlich zu beachten sei.

Die Rechtslage nach nationalem Recht steht nach der Entscheidung des BFH nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen des durch das Recht der Europäischen Union harmonisierten Mehrwertsteuerrechts.





Umsatzsteuerfreie Betreuungsleistungen

Betreuungsleistungen einer juristischen Person sind unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL steuerfrei, wenn ihr die Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen nach § 45 SGB VIII erteilt wurde und die Kosten für diese Leistungen über einen Träger der freien Jugendhilfe abgerechnet und damit mittelbar von öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe gezahlt werden.

BFH  v. 06.04.2016, V R 55/14

Hinweis:

Die Klägerin ist eine juristische Person in der Rechtsform einer GmbH, die nach ihrem Gesellschaftszweck ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Diese Zwecke bestehen u.a. in der Förderung der Jugend in Bildung und Erziehung sowie der Jugendhilfe. Die für ihre Betreuungsleistungen geschuldeten Entgelte stellte die Klägerin der —als Trägerin der freien Jugendhilfe nach § 75 i.V.m. § 45 SGB VIII anerkannten - GbR in Rechnung. Diese rechnete die unter Einschaltung der Klägerin erbrachten Leistungen mit den öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe ab.

Die Klägerin erklärte umsatzsteuerfreie Umsätze. Das Finanzamt unterwarf hingegen die erbrachten Leistungen der Klägerin im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe der Umsatzsteuer. Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung lägen weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht vor. Nach der BFH-Rechtsprechung könnten nur solche Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt werden, die - anders als die Klägerin im Streitfall - unmittelbar mit den öffentlichen Trägern der sozialen Sicherheit abrechneten.

Der BFH gelangte zum Ergebnis, dass es offen bleiben kann, ob die Klägerin die Voraussetzungen des § 4 Nr. 25 UStG erfüllt. Sie kann sich direkt auf Unionsrecht berufen. Danach sind steuerfrei die "eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen".

Der Steuerfreiheit stand somit entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nicht entgegen, dass die Klägerin keine direkten vertraglichen Beziehungen zu den öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe unterhielt, sondern sich verpflichtet hatte, ihre Leistungen gegenüber einer GbR zu erbringen und demgemäß auch dieser gegenüber abrechnete.





Zum Vorsteuerabzug bei Einwerbung von Kapital für einen Beteiligungserwerb

Kosten, die einer Holdinggesellschaft im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an Tochtergesellschaften entstehen, in deren Verwaltung sie durch das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen oder technischen Dienstleistungen Eingriffe vornimmt, eröffnen ihr hinsichtlich der für diese Kosten bezahlten Mehrwertsteuer grundsätzlich ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug.

An dem erforderlichen Zusammenhang mit dem Beteiligungserwerb fehlt es, wenn das eingeworbene Kapital in keinem Verhältnis zu dem Beteiligungserwerb steht.

Werden Leistungsbezüge sowohl für eine wirtschaftliche als auch für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit verwendet, ist eine Vorsteueraufteilung analog § 15 Abs. 4 UStG vorzunehmen.

BFH  v. 06.04.2016, V R 6/14

Hinweis:

Nach den EuGH-Urteilen Larentia & Minerva und Marenave ist eine Holdinggesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen ist, ohne dass sie unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift, kein Mehrwertsteuerpflichtiger i.S. von Art. 9 MwStSystRL und somit nicht zum Vorsteuerabzug gemäß Art. 168 MwStSystRL berechtigt.

Nimmt aber die Holdinggesellschaft Eingriffe in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen erworben hat, vor, übt sie insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von Art. 9 MwStSystRL aus.

Diese Abgrenzung gilt auch für Vorsteuern aus Kosten, die der Führungsholding im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen – also künftigen Tochterunternehmen – entstehen.

Der BFH hat einen Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen versagt, die mit der Einwerbung einer Kapitalerhöhung für eine bestehende Kapitalgesellschaft im Zusammenhang stand. Ein Vorsteuerabzug scheiterte wohl deswegen, weil die Führungsholding ihre Dienstleistung an die bestehende Tochtergesellschaft auch ohne die Kapitalerhöhung hätte erbringen können. Damit war kein kausaler Zusammenhang der Eingangsleistungen mit umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsätzen gegeben.

Sofern die Eingangsleistugnen sowohl auf die wirtschaftliche als auch auf die nichtwirtschaftliche Tätigkeit entfallen, ist eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge gem. § 15 Abs. 4 UStG geboten.

Zur Steuerermäßigung für Beherbergungsleistungen

Bei Übernachtungen in einem Hotel unterliegen nur die unmittelbar der Vermietung (Beherbergung) dienenden Leistungen des Hoteliers dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %.

Die Einräumung von Parkmöglichkeiten an Hotelgäste gehört nicht dazu; sie ist mit dem Regelsteuersatz von 19 % zu versteuern. Das gilt auch dann, wenn hierfür kein gesondertes Entgelt berechnet wird.

BFH  v. 01.03.2016, XI R 11/14

Hinweis:

Gem. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ist für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, der ermäßigte Steuersatz i.H.v. 7% anwendbar. Dies gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind.

Nach Ansicht des BFH dient die Einräumung von Parkmöglichkeiten durch die Klägerin unmittelbar der Beherbergung und ist deshalb von der Steuerermäßigung ausgenommen, vgl.
§ 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG.

Der BFH hatte bereits mit Urteil v. 24.04.2013, XI R 3/11 entschieden, dass von einem Hotelier im Zusammenhang mit der Vermietung erbrachte Frühstücksleistungen von der Steuermäßigung ausgeschlossen sind, da es sich um Leistungen handelt, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, vgl. BFH v. 24.04.2013, XI R 3/11.

Gleiches gilt für die im Streitfall erfolgte Einräumung von Parkmöglichkeiten, denn die Einräumung von Parkmöglichkeiten dient nicht der Vermietung, sondern der Verwahrung eines vom Hotelgast ggf. mitgeführten Fahrzeugs.

Ist die Überlassung von Parkplätzen wie im Streitfall nicht gesondert vereinbart, so war bisher umstritten, ob sie unter die Steuerermäßigung fällt oder nicht unmittelbar der Vermietung dient und daher dem Regelsteuersatz unterliegt. Die Finanzverwaltung beanstandet es aus Vereinfachungsgründen nicht, wenn die Überlassung von Parkplätzen in der Rechnung zu einem Sammelposten für nicht steuerbegünstigte Leistungen zusammengefasst wird, geht also davon aus, dass auch die nicht gesondert vereinbarte Überlassung von Parkplätzen dem Regelsteuersatz unterliegt.

Im zweiten Rechtsgang wird das FG die vom FA geschätzten kalkulatorischen Kosten der Parkplätze überprüfen müssen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Parkplätze nicht ausschließlich von Hotelgästen, sondern auch von Gästen des Restaurants oder des Sauna- und Wellnessbereichs genutzt worden sind.





Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Sale-and-lease-back-Geschäften

Sale-and-lease-back-Geschäfte können als Mitwirkung des Käufers und Leasinggebers an einer bilanziellen Gestaltung des Verkäufers und Leasingnehmers zu steuerpflichtigen sonstigen Leistungen führen.

BFH  v. 06.04.2016,V R 12/15

Hinweis:

Werden Gegenstände im Leasing-Verfahren überlassen, ist die Übergabe des Leasing-Gegenstands durch den Leasing-Geber an den Leasing-Nehmer eine Lieferung, wenn der Leasing-Nehmer nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung berechtigt ist, wie ein Eigentümer über den Leasing-Gegenstand zu verfügen.

Hiervon kann in der Regel ausgegangen werden, wenn der Leasing-Gegenstand einkommensteuerrechtlich dem Leasing-Nehmer zuzurechnen ist, vgl. Abschn. 3.5 Abs. 5 UStAE. Sale-and-lease-back-Geschäfte können umsatzsteuerrechtlich als Kreditgewährung i.S. des § 4 Nr. 8 Bst. a UStG anzusehen sein. Die Steuerbefreiungen des § 4 UStG sind aber grundsätzlich eng auszulegen, weil sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt.

Im Streitfall hatte ein Leasinggeber elektronische Informationssysteme gekauft, die der Verkäufer entwickelt hatte und deshalb bilanziell nicht ausweisen konnte. Der Leasinggeber verleaste die Informationssysteme sogleich an den Verkäufer als Leasingnehmer. Der Leasinggeber erhielt vom Leasingnehmer für den Kauf ein Darlehen in Höhe von 2/3 des Nettokaufpreises. Über die Leasinggebühren stellte der Leasinggeber eine sog. Dauerrechnung über die volle Vertragslaufzeit aus, in der er Umsatzsteuer offen auswies und dabei auf den Leasingvertrag Bezug nahm. Da der Leasingnehmer in Zahlungsverzug geriet, kündigte der Leasinggeber den Vertrag vorzeitig. Der Leasinggeber ging davon aus, dass er umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe und daher zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Zudem wollte er nur die tatsächlich erhaltenen Leasingraten versteuern. Demgegenüber verweigerte das FA den Vorsteuerabzug, da der Leasinggeber umsatzsteuerfrei Kredit gewährt habe. Aufgrund der Rechnungserteilung und eines sich aus der Rechnung ergebenden unzutreffenden Steuerausweises ging das FA darüber hinaus von einer Steuerschuld des Leasinggebers aus.




Nach Ansicht des BFH liegt keine umsatzsteuerfreie Kreditgewährung gem.
§ 4 Nr. 8 Bst. a UStG vor.

Für den BFH war maßgeblicher Leistungsinhalt, dem Leasingnehmer die Aktivierung einer Forderung als Gegenwert für die selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter zu ermöglichen. Aufgrund der Vertragsgestaltung konnte der Leasingnehmer so insbesondere ein höheres Eigenkapital ausweisen, was z.B. eine Kreditaufnahme erleichtern kann.

Der BFH entschied zudem, dass der Leasinggeber in seiner Rechnung Umsatzsteuer nicht fehlerhaft ausgewiesen habe. Entscheidend war hierfür die Bezugnahme auf den Leasingvertrag. Im zweiten Rechtsgang hat das FG nunmehr zu entscheiden, ab welchen Zeitpunkt die Leasingraten aufgrund des Zahlungsverzugs des Leasingnehmers als uneinbringlich zu behandeln sind und die Umsatzsteuer deswegen zu berichtigen ist.





Vorsteuerabzug einer Führungsholding

Einer geschäftsleitenden Holding, die an der Verwaltung einer Tochtergesellschaft teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, steht für Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft stehen, grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zu.

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG kann in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff "juristische Person" auch eine GmbH & Co. KG umfasst.

BFH 01.06.2016, XI R 17/11

Hinweis:

Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

Die Klägerin, eine "Beteiligungsgesellschaft" in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, war im Streitjahr als sog. "Dachfonds" an zwei - ebenfalls in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG betriebenen - Tochtergesellschaften als Kommanditistin beteiligt. Ihre Kommanditeinlagen betrugen jeweils über 98 %. Die Tochtergesellschaften waren jeweils Eigentümerinnen eines von ihnen im internationalen Schiffsverkehr betriebenen Vollcontainerschiffes.Die Klägerin schloss mit ihren Tochtergesellschaften einen "Dienstleistungsvertrag". Danach erbrachte sie gegenüber den Tochtergesellschaften "administrative Leistungen" und stand ihnen als "allgemeiner betriebswirtschaftlicher Berater" zur Seite. Für Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Einwerbung des Kapitals und für die Erstellung eines Prospektgutachtens fiel Umsatzsteuer an, die die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung als Vorsteuer geltend machte.

Das FA ließ den Vorsteuerabzug nur teilweise zu; denn das von der Klägerin insgesamt eingeworbene Kapital diente nach Ansicht des FA teilweise dem nichtwirtschaftlichen Bereich (Halten von Anteilen an den Tochtergesellschaften), für den ein Vorsteuerabzug ausscheide.

Nach Ansicht des BFH ist ein Vorsteuerabzug zu gewähren.

Dazu hat der EuGH im vorliegenden Rechtsstreit in seinem Urteil „Larentia + Minerva und Marenave“ Folgendes entschieden:




Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, und die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich vollständig abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.

Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen an der Verwaltung teilnimmt, hinsichtlich der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, so dass die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit inhärenten Kosten nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Aufteilungskriterien abgezogen werden kann, die bei der Ausübung dieser Befugnis Zweck und Systematik der Sechsten Richtlinie berücksichtigen und insoweit eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit tatsächlich zuzurechnen ist, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte ist."

Nach den vom EuGH in dem Urteil Larentia + Minerva und Maraneva aufgestellten Grund-sätzen steht der Klägerin der begehrte Vorsteuerabzug zu.

Darüber hinaus kommt in Betracht, dass zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften eine Organschaft besteht, was Auswirkungen auf die Höhe der gegen die Klägerin festzusetzenden Umsatzsteuer haben könnte. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass der Begriff "juristische Person" i.S. dieser Vorschrift zumindest auch eine GmbH & Co. KG umfasst: Denn eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG hat eine "kapitalistische Struktur".

Wie schon in dem ersten Folgeurteil zur EuGH-Sache Larentia + Minerva und Maraneva brauchte der XI. Senat des BFH auch in seinem zweiten Folgeurteil nicht entscheiden, ob er die vom V. Senat aufgestellten Grundsätze teilt. Der V. Senat setzt im Unterschied zum XI. Senat eine finanzielle Eingliederung der Personengesellschaft zu 100% (statt „50% + x“ der stimmberechtigten Anteile) als Voraussetzung für das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft voraus. Außerdem hat der V. Senat die Anerkennung einer Personengesellschaft als Organgesellschaft nicht auf die Rechtsform einer GmbH & Co. KG beschränkt.





EuGH-Vorlage zu den Auswirkungen von Abschlägen, die ein pharmazeutischer Unternehmer gemäß § 1 AMRabG gewährt, auf die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage für die von ihm ausgeführten Lieferungen

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist ein pharmazeutischer Unternehmer, der Arzneimittel liefert, auf Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil Elida Gibbs vom 24. Oktober 1996 C-317/94, EU:C:1996:400, Slg. 1996, I-5339, Rz 28, 31) und unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage nach Art. 90 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwSystRL) berechtigt, wenn

- er diese Arzneimittel über Großhändler an Apotheken liefert,

- die Apotheken steuerpflichtig an privat Krankenversicherte liefern,

- der Versicherer der Krankheitskostenversicherung (das Unternehmen der privaten Krankenversicherung) seinen Versicherten die Kosten für den Bezug der Arzneimittel erstattet und

- der pharmazeutische Unternehmer aufgrund einer gesetzlichen Regelung zur Zahlung eines „Abschlags” an das Unternehmen der privaten Krankenversicherung verpflichtet ist.

BFH  v. 22.06.2016, V R 42/15

Hinweis:

Nach § 10 Abs. 1 S. 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 S. 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten (abzüglich der Umsatzsteuer). Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so hat nach § 17 Abs. 1 S. 1 UStG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen.

Im Streitfall geht es um die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Preisabschlägen, die pharmazeutische Unternehmen aufgrund gesetzlicher Vorgaben gewähren müssen. Umsatzsteuerrechtlich wird bislang danach unterschieden, ob der Preisabschlag zugunsten einer gesetzlichen Krankenkasse oder zugunsten eines Unternehmens der privaten Krankenversicherung gewährt wird.

Gesetzliche Krankenkassen wie auch Unternehmen der privaten Krankenversicherung haben zur Dämpfung ihrer Kosten Anspruch auf Preisabschläge auf Arzneimittel, die die pharmazeutischen Unternehmen tragen müssen. Dies ergibt sich für die Krankenkassen aus dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch, für Unternehmen der privaten Krankenversicherung aus einem besonderen Arzneimittelrabattgesetz. Die Abschläge sind gleich hoch, werden allerdings in unterschiedlicher Weise gewährt. Bei der Abgabe von Arzneimittel an Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse stellt die Apotheke der Krankenkasse einen entsprechend verminderten Preis in Rechnung. Diesen Abschlag erstattet ihr - ggf. über den Großhändler - das pharmazeutische Unternehmen. Privat Krankenversicherte zahlen für Arzneimittel den vollen Preis und erhalten von ihrem Versicherer vollen Kostenersatz. Das Unternehmen der privaten Krankenversicherung hat dann gegen den pharmazeutischen Unternehmer einen Anspruch auf Zahlung des Abschlags.

Zwar mindern die Abschläge zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen die Bemessungsgrundlage für die umsatzsteuerrechtlichen Arzneimittellieferungen. Denn hier liegt aufgrund des sozialversicherungsrechtlichen Sachleistungsprinzips eine Umsatzkette vom pharmazeutischen Unternehmen bis zur gesetzlichen Krankenkasse vor. Anders ist es aber nach bisheriger Beurteilung bei den Abschlägen zugunsten von Unternehmen der privaten Krankenversicherung, da die Umsatzkette bei dem privat Versicherten endet, der von seiner Versicherungsgesellschaft lediglich eine Kostenerstattung erhält.

Der BFH ersucht den EuGH um Klärung, welche Bedeutung dem Gleichhandlungsgrundsatz bei der Lieferung von Arzneimitteln im Umsatzsteuerrecht zukommt. Entscheidungserheblich ist dabei die EU-Grundrechtecharta (EUGrdRCh).

Nach Art. 20 EUGrdRCh sind alle Personen vor dem Gesetz gleich. Vergleichbare Sachverhalte dürfen nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist. Der BFH sieht indes für eine abweichende umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Abschläge im Bereich der privaten Krankenversicherung und im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung keine objektive Rechtfertigung. Die Beurteilung dieser das europäische Mehrwertsteuerrecht betreffenden Rechtsfrage obliegt nun dem EuGH.

Beim XI Senat ist ein vergleichbarer Fall unter dem Az.: XI R 14/15 anhängig. Das FG Berlin-Brandenburg hatte die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt und eine Minderung des Entgelts nicht zugelassen.





Zum Vorliegen von „auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen“ i.S. des Umsatzsteuerrechts beim Bereitstellen einer Datenbank („Suchmaschine“) im Internet

Der Begriff „auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen“ i.S. des Umsatzsteuerrechts umfasst Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre.

Diese Voraussetzungen sind in der Regel erfüllt, wenn ein Unternehmer auf einer Internet-Plattform seinen Mitgliedern gegen Entgelt eine Datenbank mit einer automatisierten Such- und Filterfunktion zur Kontaktaufnahme mit anderen Mitgliedern i.S. einer Partnervermittlung bereitstellt.

Erbringt ein Unternehmer mit Sitz im Drittland (hier: USA) derartige Leistungen an Nichtunternehmer (Verbraucher) mit Wohnort im Inland, so liegt der Leistungsort im Inland.

BFH  v. 01.06.2016, XI R 29/14

Hinweis:

Nach § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG a.F. i.V.m. § 3a Abs. 3a UStG a.F. gilt als Ort, an dem auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistungen an nicht steuerpflichtige Personen erbracht werden, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind, der Ort, an dem die nicht steuerpflichtige Person ansässig ist, wenn die Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen erbracht werden, der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung, von der aus die Dienstleistung erbracht wird, außerhalb der Gemeinschaft hat.

Gleiches gilt nach § 3a Abs. 5 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3a Abs. 5 S. 2 Nr. 3 UStG n.F.

Die Klägerin – eine US-Gesellschaft – betrieb in den USA ein Partnerschaftsportal und hatte im Gemeinschaftsgebiet keine Betriebsstätte. Die Mitglieder konnten sich auf den Internetseiten der Klägerin über andere Mitglieder ihrer Community informieren, mit diesen kommunizieren und ggf. in Kontakt treten. Zu diesem Zweck waren auf den Webseiten schriftliche Mitglieder- und Videoprofile hinterlegt. Die Portale enthielten Suchfunktionen, mit denen andere Mitglieder nach bestimmten Kriterien herausgefiltert werden konnten. Die Klägerin ging davon aus, dass sich der Ort der sonstigen Leistung in den USA befindet.

Der BFH hat entschieden, dass sich der Leistungsort gem. § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG a.F. i.V.m. § 3a Abs. 3a UStG a.F. in Deutschland befindet, soweit die Leistungsempfänger in Deutschland ihren Wohnsitz haben.

Der Begriff "auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen" i.S. des Umsatzsteuerrechts umfasst Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre.

Diese Voraussetzungen sind in der Regel erfüllt, wenn ein Unternehmer auf einer Internet-Plattform seinen Mitgliedern gegen Entgelt eine Datenbank mit einer automatisierten Such- und Filterfunktion zur Kontaktaufnahme mit anderen Mitgliedern i.S. einer Partnervermittlung bereitstellt.

Erbringt ein Unternehmer mit Sitz im Drittland (hier: USA) derartige Leistungen an Nichtunternehmer (Verbraucher) mit Wohnort im Inland, so liegt der Leistungsort im Inland.





Zur Geschäftsveräußerung bei einem Geschäftshaus, das vom Veräußerer vollständig verpachtet war und vom Erwerber nur noch teilweise verpachtet wird

Überträgt ein Veräußerer ein verpachtetes Geschäftshaus und setzt der Erwerber die Verpachtung nur hinsichtlich eines Teils des Gebäudes fort, liegt hinsichtlich dieses Grundstückteils eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG vor. Dies gilt unabhängig davon, ob der verpachtete Gebäudeteil „zivilrechtlich selbständig” ist oder nicht.

BFH  v. 06.07.2016, XI R 1/15

Hinweis:

Voraussetzung für die Geschäftsveräußerung im Ganzen ist gem. § 1 Abs. 1a S. 2 UStG, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Bei einer Geschäftsveräußerung gem. § 1 Abs. 1a UStG wird nach
§ 15a Abs. 10 UStG der für das Wirtschaftsgut maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen. Dadurch werden Geschäftsveräußerungen i.S. von § 1 Abs. 1a UStG von einer Berichtigung nach § 15a UStG ausgenommen

Die Klägerin errichtete 1999 bis 2001 ein Geschäftshaus. Seit Dezember 2000 vermietete die Klägerin das Erdgeschoss an ihren Ehemann. Die Räume im Obergeschoss sowie Werkstatt und Lagerraum im Erdgeschoss waren zunächst an einen Dritten (B) vermietet. Später wurde das Obergeschoss an die Firmen C und D vermietet. Für sämtliche Vermietungsumsätze verzichtete sie auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 UStG und nahm aus den Eingangsleistungen den vollen Vorsteuerabzug vor. Mitte 2007 veräußerte sie das Geschäftshaus an die E-GmbH (Erwerberin). Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung des
§ 4 Nr. 9 Bst. a UStG erfolgte nicht. Die Erwerberin führte die Mietverhältnisse mit zwei Mietern (C und D) unverändert fort, während sie das Erdgeschoss in der Folgezeit selbst unternehmerisch nutzte. Die Klägerin nahm in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2007 keine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15a UStG vor. Das FA dagegen nahm eine Vorsteuerberichtigung vor, da eine Geschäftsveräußerung weder ganz noch teilweise vorliege.

Der BFH hat entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen hinsichtlich des an C und D verpachteten Gebäudeteils vorliegen.

Entgegen der Annahme des FG sind die an C und D vermieteten Räume ein selbständiger Unternehmensteil. Der in Art. 19 MwStSystRL verwendete Begriff des Teilvermögens, das Gegenstand einer Geschäftsveräußerung sein kann, verlangt bei teilweiser Vermietung eines Grundstücks nicht, dass der vermietete Grundstücksteil ein "zivilrechtlich selbständiges Wirtschaftsgut“ ist.

Die Rechtsprechung ist auch für andere Fälle von Bedeutung, z.B. für Realteilungen von Personengesellschaften. Soweit die Realteiler die unternehmerische Tätigkeit der bisherigen Personengesellschaft fortsetzen, sind nach den Urteilsgrundsätzen die Voraussetzungen für eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung gem. § 1 Abs. 1a UStG gegeben.





Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden

Bei der Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes kann für den Vorsteuerabzug - im Gegensatz zu den Eingangsleistungen für die Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung - nicht darauf abgestellt werden, welche Aufwendungen in bestimmte Teile des Gebäudes eingehen; vielmehr kommt es insoweit auf die prozentualen Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes an.

Bei der Herstellung eines solchen Gebäudes ermöglicht der objektbezogene Flächenschlüssel regelmäßig eine sachgerechte und „präzisere” Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug als der gesamtumsatzbezogene oder der objektbezogene Umsatzschlüssel.

Die Neuregelung der Aufteilungsmethode für den Vorsteuerabzug durch den am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG kann eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 UStG bewirken.

Einer entsprechenden Vorsteuerberichtigung stehen weder die allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes entgegen noch liegt darin eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung in Vorjahre.

BFH  v. 10.08.2016, XI R 31/09

Hinweis:

Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist gemäß § 15 Abs. 4 S. 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 S. 2 UStG). Gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 UStG ist eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.

Ändern sich bei einem Gebäude innerhalb von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen (§ 15a Abs. 1 UStG).

Im Streitfall ging es zum einen um die Höhe des Vorsteuerabzugs im Jahr 2004 aus Baukosten sowie aus laufenden Kosten für ein Wohn- und Geschäftshaus, mit dem die Klägerin sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Vermietungsumsätze ausführte. Die Klägerin ermittelte die abziehbaren Vorsteuern für das Streitjahr 2004 - wie in den Vorjahren - nach dem Umsatzschlüssel. Das Finanzamt (FA) legte dagegen der Vorsteueraufteilung den (für die Klägerin ungünstigeren) Flächenschlüssel zugrunde.

Ferner verlangte das FA im Wege der Vorsteuerberichtigung einen Teil der in den vergangenen Jahren (seit Beginn der Baumaßnahme 1999) anerkannten Vorsteuerbeträge von der Klägerin zurück, weil auch insoweit nunmehr der Flächenschlüssel gelte.

Nach Ansicht des BFH ist die Vorsteueraufteilung nach dem Flächenschlüssel vorzunehmen und aufgrund der Neuregelung der Aufteilungsmethode kann sich eine Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG ergeben.

Der BFH hat im Anschluss an das EuGH-Urteil v. 9.06.2016, C-332/14, Wolfgang und Dr. Wilfried Rey Grundstücksgemeinschaft GbR (EU:C:2016:417), das auf Vorlage des XI. Senats ergangen ist, entschieden, dass bei der Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes - im Gegensatz zu den laufenden Aufwendungen - für die Aufteilung der Vorsteuer nicht darauf abgestellt werden kann, welche Aufwendungen in bestimmte Teile des Gebäudes eingehen; vielmehr kommt es insoweit auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes an. Bei der Vorsteueraufteilung ermöglicht der objektbezogene Flächenschlüssel regelmäßig - d.h. wenn die verschiedenen Zwecken dienenden Flächen miteinander vergleichbar sind - eine sachgerechte und "präzisere" Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug als der gesamtumsatzbezogene oder der objektbezogene Umsatzschlüssel.

Der BFH ist außerdem im Anschluss an das o.g. EuGH-Urteil zu dem Ergebnis gelangt, dass die Neuregelung der Aufteilungsmethode für den Vorsteuerabzug durch § 15 Abs. 4 S. 3 UStG eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 UStG bewirken kann. Einer entsprechenden Vorsteuerberichtigung stehen weder die allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes entgegen noch liegt darin eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung in Vorjahre.


 

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