Rechtsprechung KW 09 - 2022

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Grundsätzlich keine Zuordnung der Kapitalbeteiligung des Kommanditisten zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II bei eigenem Geschäftsbetrieb der Kapitalgesellschaft von nicht ganz untergeordneter Bedeutung
Für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern (hier einer Kapitalbeteiligung) zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II ist der Veranlassungszusammenhang maßgebend.

Danach ist die (Mehrheits-)Beteiligung eines Kommanditisten an einer Kapitalgesellschaft, die neben ihren geschäftlichen Beziehungen zur KG oder neben ihrer Geschäftsführertätigkeit als Komplementär-GmbH für die KG einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhält, in der Regel nicht dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen II zuzuordnen. Dies gilt auch dann, wenn die einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhaltende Komplementär-GmbH wirtschaftlich mit der GmbH & Co. KG verflochten ist und die Geschäftsbeziehungen aus Sicht der GmbH & Co. KG nicht von geringer Bedeutung sind (z.B. entgegen Verfügung der OFD Nordrhein-Westfalen vom 17.06.2014 - S 2242-2014/0003-St 114, S 2242-2014/00003-St 115, unter III.2.).

Ebenso gilt dies, wenn die einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhaltende Kapitalgesellschaft als Komplementär-GmbH gemeinsam mit dem an ihr beteiligten Kommanditisten eine aus ihnen bestehende zweigliedrige GmbH & Co. KG gründet.

BFH v. 21.12.2021, IV R 15/19

Hinweis
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH gehören zum Betriebsvermögen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft nicht nur die im Gesamthandsvermögen (Gesellschaftsvermögen) der Mitunternehmer stehenden Wirtschaftsgüter. Vielmehr zählen nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 EStG hierzu auch Wirtschaftsgüter, die einem Mitunternehmer gehören, die jedoch geeignet und bestimmt sind, dem Betrieb der Personengesellschaft zu dienen (Sonderbetriebsvermögen I) oder die zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft eingesetzt werden (Sonderbetriebsvermögen II).

Die Beteiligten streiten um den Ansatz eines Entnahmegewinns im Sonderbetriebsvermögen des seinerzeitigen Kommanditisten C. Klägerin ist eine GmbH & Co. KG mit C als alleinigem Kommanditisten. Komplementärin war die B-GmbH, an der C mehrheitlich beteiligt war. Die B-GmbH existierte bereits vor Gründung der Klägerin zu 1. Sie war an weiteren Immobiliengesellschaften beteiligt, die im Streitjahr noch als GbR geführt wurden. Mit notariellem Vertrag schenkte C seinem Sohn und seiner Tochter jeweils Anteile an der B-GmbH.  Im Rahmen einer Betriebsprüfung beurteilte der Prüfer diesen Vorgang als Entnahme der Kapitalbeteiligungen des C aus dessen Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin. Zwar halte die B-GmbH selber vermietete Grundstücke und sei an weiteren Personengesellschaften beteiligt, die ihrerseits Grundstücke vermieteten, jedoch sei die B-GmbH aufgrund der tatsächlichen Geschäftsbeziehungen über ihre gesellschaftsrechtliche Beteiligung als Komplementärin und ihre Geschäftsführertätigkeit hinaus auch wirtschaftlich mit der Klägerin eng verflochten.

Der BFH hat entschieden, dass die (Mehrheits-)Beteiligung eines Kommanditisten an einer Kapitalgesellschaft, die neben ihren geschäftlichen Beziehungen zur KG oder neben ihrer Geschäftsführertätigkeit als Komplementär-GmbH für die KG einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht untergeordneter Bedeutung unterhält, in der Regel nicht dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen II zuzuordnen ist.

Zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen I rechnen nur Wirtschaftsgüter, welche objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb der Personengesellschaft selbst bestimmt sind. Hierzu gehören insbesondere solche Wirtschaftsgüter, die ein Gesellschafter der Personengesellschaft zur Nutzung für ihre Tätigkeit überlässt. Ebenso gehörte die Mehrheitsbeteiligung des C an der B-GmbH nicht zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II bei der Klägerin. Notwendiges Sonderbetriebsvermögen II ist anzunehmen, wenn die dem Mitunternehmer gehörenden Wirtschaftsgüter unmittelbar zur Begründung oder Stärkung seiner Beteiligung eingesetzt werden. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft die Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft sowohl dadurch stärken, dass sie für das Unternehmen der Personengesellschaft wirtschaftlich vorteilhaft ist (erste Alternative), als auch dadurch, dass sie der Mitunternehmerstellung selbst dient, weil durch die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft der Einfluss des Gesellschafters in der Personengesellschaft steigt bzw. gestärkt wird (zweite Alternative). Die zweite Alternative kann insbesondere dann gegeben sein, wenn sich der Kommanditist einer GmbH & Co. KG an der Komplementär-GmbH beteiligt und über seine Beteiligung an der Komplementär-GmbH Einfluss auf die Geschäftsführung in der KG gewinnt. Ausgehend von dem Veranlassungszusammenhang als Zuordnungskriterium wertet der BFH in den vorstehend genannten Alternativen die Kapitalbeteiligung - auch wenn die weiteren Voraussetzungen für die Annahme von notwendigem Sonderbetriebsvermögen II gegeben sein sollten (wie z.B. das Erreichen einer bestimmten Beteiligungsquote des Gesellschafters an der Kapitalgesellschaft)-- in der Regel nicht als notwendiges Sonderbetriebsvermögen II, wenn die Kapitalgesellschaft neben ihren geschäftlichen Beziehungen zur KG oder neben ihrer Geschäftsführertätigkeit für die KG einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhält.


Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen bei grenzüberschreitender Betätigung innerhalb der EU
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV gebietet es, vom Ausschluss des Sonderausgabenabzugs gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 EStG auch dann abzusehen, wenn der Steuerpflichtige im ehemaligen Beschäftigungsstaat keine --wie von Buchst. a der Vorschrift vorausgesetzt-- Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielt, sondern eine vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses abhängige gesetzliche Altersrente.

Für die Frage, ob der Beschäftigungsstaat nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 Buchst. c EStG "keinerlei" steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dort bezogener Einnahmen zulässt, sind die einzelnen Sparten der Vorsorgeaufwendungen getrennt zu beurteilen.

BFH v. 27.10.2021, X R 11/20 und X R 28/20

Hinweis
§ 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 1 EStG schließt den Abzug der dort genannten Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben aus, wenn diese in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.

Im Verfahren X R 11/20 hatte ein in Deutschland lebender Rentner geklagt, der seinerzeit in Luxemburg als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen war und seit seinem Ruhestand eine gesetzliche Altersrente aus Luxemburg bezieht, die dort besteuert wird. Nach luxemburgischem Einkommensteuerrecht sind zwar Renten- und Krankenversicherungsbeiträge absetzbar, nicht aber –anders als in Deutschland– Beiträge zur Pflegeversicherung. Den deshalb vom Kläger bei der Besteuerung seiner Inlandseinkünfte begehrten Sonderausgabenabzug für die Pflegeversicherung lehnte das Finanzamt ab, da die Beiträge im Zusammenhang mit im Inland steuerfreien Einnahmen stünden und § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG eine Berücksichtigung der Beiträge nicht erlaube.
 
Der BFH hat entschieden, dass Beiträge zur Altersvorsorge sowie zu einer Kranken- und Pflegeversicherung auch bei steuerfreien Gehältern und Renten aus dem EU-Ausland als Sonderausgaben absetzbar sind, wenn der Steuerpflichtige für die jeweilige Versicherung im Ausland keine steuerliche Entlastung erhält.

Der BFH bestätigte die Auffassung der Vorinstanz. Die Voraussetzungen der im Jahr 2018 eingeführten Ausnahmeregel vom Verbot des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen bei steuerfreien Einnahmen insbesondere aus dem EU-Ausland (§ 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 EStG) lägen vor. So seien nicht nur - wie vom Gesetzeswortlaut vorgesehen - ausländische Löhne und Gehälter begünstigt, sondern zur Wahrung der Grundfreiheit auf Arbeitnehmerfreizügigkeit ebenso Renten eines vormals im EU-Ausland beschäftigten Arbeitnehmers. Soweit ein inländischer Sonderausgabenabzug auch davon abhängt, dass der (ehemalige) Beschäftigungsstaat - hier Luxemburg - "keinerlei steuerliche Berücksichtigung" zulässt, verbietet sich nach Ansicht des BFH eine Zusammenfassung sämtlicher gezahlter Vorsorgeaufwendungen. Vielmehr sei die jeweilige Versicherungssparte für sich zu beurteilen. In seiner weiteren Entscheidung im Verfahren X R 28/20 hat der BFH zudem klargestellt, dass Beiträge zu einer bestimmten Versicherungssparte, die bereits im Rahmen der Besteuerung im ausländischen Beschäftigungsstaat zum Abzug zugelassen sind, nicht nochmals in Deutschland steuermindernd berücksichtigt werden können. Ein solcher "double dip" könne weder nach nationalem Recht noch nach Maßgabe unionsrechtlicher Grundfreiheiten eingefordert werden.


Keine Steuerermäßigung nach § 35a EStG für statische Berechnungen eines Statikers
Für die Leistung (hier: statische Berechnung) eines Statikers kann die Steuerermäßigung nach § 35a EStG auch dann nicht gewährt werden, wenn sie für die Durchführung einer Handwerkerleistung erforderlich war.

BFH v. 04.11.2021, VI R 29/19

Hinweis:
Gem. § 35a Abs. 3 S. 1 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen um 20 % der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens um 1.200 €. Nach § 35a Abs. 5 S. 2 EStG gilt die Ermäßigung nur für Arbeitskosten.

Im Streitfall wurde ein Handwerksbetrieb mit dem Austausch schadhafter Dachstützen beauftragt. Nach Einschätzung des Handwerksbetriebs war für die fachgerechte Ausführung dieser Arbeiten zunächst eine statische Berechnung erforderlich, die sodann auch von einem Statiker durchgeführt wurde. Neben der - insoweit unstreitigen - Steuerermäßigung für die Handwerkerleistung (Dachstützenaustausch) beantragten die Kläger diese auch für die Leistung des Statikers.

Der BFH hat entschieden, dass eine Steuerermäßigung für die Leistung (hier: statische Berechnung) eines Statikers auch dann nicht gewährt werden kann, wenn diese für die Durchführung einer begünstigten Handwerkerleistung erforderlich war.

Die Steuerermäßigung kann nicht gewährt werden, da ein Statiker grundsätzlich nicht handwerklich tätig ist. Er erbringt ausschließlich Leistungen im Bereich der Planung und rechnerischen Überprüfung von Bauwerken. Auch auf die Erforderlichkeit der statischen Berechnung für die Durchführung der Handwerkerleistungen kann die Steuerermäßigung nicht gestützt werden. Denn die Leistungen des Handwerkers und diejenige des Statikers sind für die Gewährung der Steuerermäßigung getrennt zu betrachten. Allein die sachliche Verzahnung beider Gewerke führt nicht zu einer Umqualifizierung der statischen Berechnung in eine Handwerksleistung.


Rückwirkender Teilwertansatz nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG
Ein rückwirkender (einkommenserhöhender) Ansatz von Teilwerten bei einer Einbringung zu Buchwerten wegen eines sog. Sperrfristverstoßes i.S. des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG ist ausgeschlossen, wenn die vollentgeltliche Übertragung von Anteilen durch den Einbringenden an eine Körperschaft innerhalb der Sperrfrist im Ergebnis zu einer Aufdeckung der stillen Reserven in den zuvor eingebrachten Wirtschaftsgütern führt.

BFH v. 18.08.2021, XI R 43/20

§ 6 Abs. 5 S. 1 EStG sieht vor, dass bei der Überführung eines einzelnen Wirtschaftsguts von einem in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen das Wirtschaftsgut mit dem Wert anzusetzen ist, der sich nach den Vorschriften der Gewinnermittlung ergibt, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Diese sog. Buchwertfortführung gilt nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG entsprechend, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft übertragen wird. Soweit innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts nach Satz 3 in § 6 Abs. 5 EStG der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem übertragenen Wirtschaftsgut aus einem anderen Grund unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht, ist gemäß § 6 Abs. 5 S. 6 EStG rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung ebenfalls der Teilwert anzusetzen.

Die Klägerin ist als GmbH eine Organgesellschaft einer körperschaftsteuerlichen Organschaft. An der S GmbH & Co. KG war sie als Kommanditistin zu 100 % beteiligt, wobei sie auch alle Anteile an der Komplementär-GmbH hielt. Durch einen Einbringungsvertrag vom 30.12.2014 (Streitjahr) brachte die Klägerin mit wirtschaftlicher Wirkung zum 31.12.2014, 24 Uhr, gem. § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG zur Erbringung ihrer Kommanditeinlage mehrere Einzelwirtschaftsgüter zum Buchwert in die S GmbH & Co. KG ein. Der die Kommanditeinlage übersteigende Teil wurde dem „Rücklagenkonto 1“ gutgeschrieben. Mit Kaufvertrag vom 29.09.2015 veräußerte die Klägerin 51 % ihrer Anteile am Vermögen der S GmbH & Co. KG zu einem unter fremden Dritten üblichen Kaufpreis mit wirtschaftlicher Wirkung zum 30.09.2015 an die Z-KG. An der Z-KG waren wiederum zahlreiche Körperschaften beteiligt. Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass es aufgrund der Anteilsveräußerung an die Z-KG im Jahr 2015 zur Anwendung von § 6 Abs. 5 S. 6 EStG komme. Daher seien die Wirtschaftsgüter, die im Streitjahr zum Buchwert in das Gesamthandsvermögen der S GmbH & Co. KG eingebracht worden waren und im Jahr 2015 durch den Verkauf der Gesellschaftsanteile an der S GmbH & Co. KG mittelbar auf die Z-KG übergegangen seien, im Streitjahr zu 51 % mit dem Teilwert anzusetzen. Der im Jahr 2015 von der S GmbH & Co. KG erklärte Veräußerungsgewinn sei als Gewinn aus der Aufdeckung stiller Reserven bereits im Streitjahr bei der Klägerin anzusetzen und der Beteiligungswert an der S GmbH & Co. KG entsprechend zu erhöhen. Der bisher für das Jahr 2015 gesondert und einheitlich festgestellte und in voller Höhe der Klägerin zugerechnete Veräußerungsgewinn sei nicht anzusetzen.

Der BFH hat entschieden, dass ein rückwirkender (einkommenserhöhender) Ansatz von Teilwerten bei einer Einbringung zu Buchwerten wegen eines sog. Sperrfristverstoßes i. S. des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG ausgeschlossen ist, wenn die vollentgeltliche Übertragung von Anteilen durch den Einbringenden an eine Körperschaft innerhalb der Sperrfrist im Ergebnis zu einer Aufdeckung der stillen Reserven in den zuvor eingebrachten Wirtschaftsgütern führt.

Ein rückwirkender (einkommenserhöhender) Ansatz von Teilwerten bei einer Einbringung zu Buchwerten wegen eines sog. Sperrfristverstoßes i. S. d. § 6 Abs. 5 S. 6 EStG ist ausgeschlossen, wenn die vollentgeltliche Übertragung von Anteilen durch den Einbringenden an eine Körperschaft innerhalb der Sperrfrist im Ergebnis zu einer Aufdeckung der stillen Reserven in den zuvor eingebrachten Wirtschaftsgütern führt.
 
Ausweislich der Gesetzesmaterialien zu § 6 Abs. 5 S. 5 u. 6 EStG beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Regelung nicht nur, das Überspringen stiller Reserven auf Kapitalgesellschaften zu verhindern, sondern auch "generell das Verfügen über Wirtschaftsgüter ohne Teilwertrealisation durch Verkäufe von Anteilen an Kapitalgesellschaften unter Nutzung der Vorteile, die durch die Umstellung auf das Halbeinkünfteverfahren entstehen", zu vermeiden. Daraus lässt sich auf eine auf bestimmte Fallkonstellationen ("Überspringen stiller Reserven", "Vorteile (...) durch die Umstellung auf das Halbeinkünfteverfahren") beschränkte Sperrfristregelung des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG schließen. Wenn aber der Nachbesteuerungstatbestand des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG als (Rück-)Ausnahme zu der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG nur zur Anwendung kommen soll, wenn "stille Reserven auf Kapitalgesellschaften" "ohne Teilwertrealisation durch Verkäufe von Anteilen an Kapitalgesellschaften" übergehen, ist der über diesen Anwendungsbereich hinausreichende Wortlaut des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG nicht die Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers. Vielmehr erfasst die Regelung des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG nicht jede Anteilsveräußerung innerhalb der Sperrfrist. Sie soll lediglich dann eingreifen, wenn/soweit die stillen Reserven im Zuge der Veräußerung der Anteile nicht aufgedeckt werden. Danach ist der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - infolge der Entgeltlichkeit der Anteilsveräußerung die stillen Reserven der übertragenen Wirtschaftsgüter aufgedeckt werden und damit gerade nicht auf ein anderes Körperschaftsteuersubjekt übergehen, nicht eröffnet.
 

1.2.Internationales Steuerrecht

Zur Frage einer (passiven) Entstrickung durch Umsetzung des AOA in § 1 Abs. 5 AStG: Zuordnung von Wirtschaftsgütern bei sog. personallosen Betriebsstätten
§ 1 Abs. 5 S. 3 AStG lässt sich bei summarischer Prüfung nicht entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereiches des § 1 AStG und insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG eine Veranlassungsprüfung (allein) nach den in den jeweiligen Unternehmensteilen ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen wäre (entgegen BMF-Schreiben vom 22.12.2016, BStBl I 2017, 182, Rz 451).

Auch wenn der bisherigen Senatsrechtsprechung bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte eine funktionsgetragene Betrachtungsweise zugrunde liegt, ist ihr jedenfalls nicht zu entnehmen, dass allein die Personalfunktion als maßgebender Zuordnungsparameter anzusehen ist (entgegen BMF-Schreiben vom 26.09.2014, BStBl I 2014, 1258, Tz. 2.2.4.1).

Bei Betriebsstätten ohne maßgebliche Personalfunktion ist eine nutzungsbezogene Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen (BMF-Schreiben vom 17.12.2019, BStBl I 2020, 84).

BFH v. 24.11.2021, I B 44/21

Hinweis
Nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG steht einer Entnahme "für betriebsfremde Zwecke" der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere dann vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist (§ 4 Abs. 1 S. 4 EStG).

Streitig ist, ob bei der Antragstellerin ein Entnahmegewinn nach § 4 Abs. 1 S. 3 u. 4 EStG in der für das Jahr 2013 geltenden Fassung anzusetzen ist, weil bei einer personallosen Betriebsstätte Wirtschaftsgüter nicht mehr dieser, sondern ab dem 01.01.2013 aufgrund einer Zuordnung nach der sog. Personalfunktion vollständig der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen seien.

Der BFH hat entschieden, dass bei Betriebsstätten ohne maßgebliche Personalfunktion eine nutzungsbezogene Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen ist.

Um die Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, ordnet § 1 Abs. 5 S. 3 AStG "in einem ersten Schritt" an, dass neben Chancen und Risiken sowie einem angemessenen Eigenkapital die Funktionen des Unternehmens, die durch ihr Personal ausgeübt werden (Personalfunktionen) sowie die Vermögenswerte des Unternehmens, die sie zur Ausübung der ihr zugeordneten Funktionen benötigt, der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Die Finanzverwaltung versteht die gesetzliche Regelung dahin, dass ausgehend von den in der Betriebsstätte ausgeübten Personalfunktionen die Vermögenswerte des Unternehmens zu bestimmen sind, die der Betriebsstätte zuzuordnen sind (vgl. die sog. Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung, BMF v. 22.12.2016, BStBl 2017 I, 182, Rz. 444). Im Schrifttum wird der Auffassung der Finanzverwaltung entgegengehalten, dass die Entstrickungsvorschriften keine Zuordnung nach Personalfunktionen kennen. Der Senat teilt bei summarischer Prüfung diese Sichtweise. § 1 Abs. 5 AStG steht im unmittelbaren Kontext zu dessen Abs. 1 und knüpft damit tatbestandlich an eine Einkünfteminderung an, die durch eine Vereinbarung nicht fremdvergleichsgerechter Bedingungen (Verrechnungspreise) entsteht. Dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 AStG und insbesondere dessen Satz 3 lässt sich nicht entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 AStG und insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG eine Veranlassungsprüfung (allein) nach den in den jeweiligen Unternehmensteilen ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen wäre. Eine entsprechende "Ausstrahlwirkung" kann in § 1 Abs. 5 AStG auch nicht hineingelesen werden.
 

2.Verwaltungsanweisungen

2.1.Einkommensteuer

Überlassung eines betrieblichen Kfz an Arbeitnehmer
Das BMF hat sein Schreiben v. 04.04.2018 überarbeitet.

BMF v. 03.03.2022

Das BMF führt u.a. Folgendes aus:
Kraftfahrzeuge im Sinne des § 8 Absatz 2 S. 2 - 5 EStG sind auch:
  • Campingfahrzeuge (vgl. BFH-Urteil vom 6. November 2001, BStBl 2002 II Seite 370),
  • Kombinationskraftwagen, z. B. Geländewagen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Februar
  • 2003, BStBl II Seite 472),
  • Taxen (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2018, BStBl 2019 II Seite 229),
  • Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung vom 6. Juni 2019 (BGBl. I Seite 756; Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h), z. B. E-Scooter, Elektro-Tretroller,
  • Elektrofahrräder, die verkehrsrechtlich als Kraftfahrzeug einzuordnen sind (vgl. Gleich lautende Ländererlasse vom 9. Januar 2020, BStBl I Seite 174; Elektrofahrräder, deren Motor auch Geschwindigkeiten über 25 km/h unterstützt).
 
 

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