Rechtsprechung KW 06 - 2022

 

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Kindergeld; Berücksichtigung eines Kindes nach krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch
Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Bst. a EStG scheidet aus, sobald ein Kind sein Ausbildungsverhältnis krankheitsbedingt nicht nur unterbrochen, sondern - z. B. durch Abmeldung von der (Hoch-)Schule oder Kündigung des Ausbildungsverhältnisses - abgebrochen hat.

Ist ein Kind krankheitsbedingt nicht in der Lage, sich ernsthaft um eine Ausbildungsstelle zu bemühen oder sie zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kann es nur dann nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Bst. c EStG berücksichtigt werden, wenn es sich um eine vorübergehende Erkrankung handelt und die im Anspruchszeitraum bestehende Ausbildungswilligkeit nachgewiesen wird.

Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate währt.

BFH v. 31.08.2021, III R 41/19

Hinweis
Nach § 62 Abs. 1 S. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 4 S. 1 EstG wird für ein Kind, welches das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, Kindergeld u. a. dann gewährt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Bst. a EStG), eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Bst. c EStG) oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG).

Die Klägerin ist die Mutter einer im Februar 1994 geborenen Tochter, die im Februar 2016 eine zweijährige schulische Ausbildung begann. Die Familienkasse gewährte daher zunächst Kindergeld. Im Herbst 2017 erfuhr die Familienkasse, dass die Tochter bereits im März 2017 von der Schule abgegangen war und ab September eine Vollzeitbeschäftigung aufgenommen hatte. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung daher ab April 2017 auf. Die Klägerin legte verschiedene Atteste vor, mit denen sie nachzuweisen versuchte, dass ihre Tochter nur aufgrund einer Erkrankung die Schule nicht mehr weiter habe besuchen können. Der Familienkasse genügte dies nicht. Sie forderte eine alle sechs Monate zu erneuernde ärztliche Bescheinigung, aus der sich die Erkrankung und deren voraussichtliches Ende ergeben. Außerdem ging sie davon aus, dass die Tochter schon im April 2017 gegenüber der Familienkasse hätte erklären müssen, dass sie sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt um eine Berufs- oder Schulausbildung bewerben werde. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage für die Monate April bis September 2017 statt und ging dabei davon aus, dass sich die Tochter weiter in Ausbildung befunden habe.

Der BFH hat entschieden, dass eine Kindergeldgewährung wegen Berufsausbildung des Kindes nicht mehr möglich ist, wenn das Ausbildungsverhältnis wegen einer Erkrankung des Kindes nicht nur unterbrochen, sondern beendet wurde. Handelt es sich um eine nur vorübergehende Erkrankung und ist das Kind nachweislich weiter ausbildungswillig, kann es als ausbildungsplatzsuchendes Kind berücksichtigt werden.

Für volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kommt gem. § 32 Abs. 4 EStG ein Kindergeldanspruch u. a. dann in Betracht, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden, sich vergeblich um einen Ausbildungsplatz bemühen oder sich wegen einer Behinderung nicht selbst unterhalten können. Eine Berücksichtigung als in Ausbildung befindliches Kind setzt voraus, dass das Ausbildungsverhältnis weiter besteht.

Hieran fehlt es, wenn das Kind, wie im Streitfall, während der Ausbildung erkrankt und das Ausbildungsverhältnis durch Abmeldung von der Schule, Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet wird. In einem solchen Fall kommt eine Berücksichtigung als ausbildungsplatzsuchendes Kind in Betracht. Das setzt allerdings voraus, dass es sich um eine vorübergehende, d. h. ihrer Art nach voraussichtlich nicht länger als sechs Monate dauernde Krankheit handelt. Außerdem muss nachgewiesen werden, dass das Kind trotz vorübergehender Ausbildungsunfähigkeit weiterhin ausbildungswillig ist. Bei voraussichtlich länger als sechs Monate andauernder Erkrankung kommt eine Berücksichtigung als behindertes Kind in Betracht. Dem Finanzgericht wurde daher für den zweiten Rechtsgang aufgegeben, nähere Feststellungen dazu zu treffen, ob die Tochter als ausbildungsplatzsuchendes oder behindertes Kind berücksichtigt werden kann.
 

2.Verwaltungsanweisungen

2.1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Billigkeitsregelung im Zusammenhang mit der erbschaftsteuerlichen Lohnsummenregelung
Die obersten Finanzbehörden der Länder haben am 30.12.2021 Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen nach § 13a Abs. 3 S. 5 ErbStG erlassen (Oberste Finanzbehörden der Länder v. 30.12.2021 - S 3812a).

Oberste Finanzbehörden der Länder v. 30.12.2021
Unterschreitet die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen die Mindestlohnsumme, vermindert sich gemäß § 13a Abs. 3 S. 5 ErbStG der nach § 13a Abs. 1 ErbStG zu gewährende Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird.

Im Einzelfall kommt eine abweichende Festsetzung nach § 163 Abs. 1 AO oder ein Erlass nach § 227 AO aus sachlichen Gründen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer beim Erwerb begünstigten Vermögens i. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStG insbesondere in Betracht, soweit die tatsächliche Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen nach § 13a Abs. 3 S. 6 - 13 ErbStG, in welche Lohnsummen aus dem Zeitraum 01.03.2020 - 30.06.2022 einbezogen wurden, die Mindestlohnsumme ausschließlich aufgrund der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten COVID-19-Pandemie unterschreitet und es allein deshalb zu einer Nachversteuerung nach § 13a Abs. 3 S. 5 ErbStG ggf. i. V. m. § 13a Abs. 10 oder § 13c Abs. 2 S. 1 ErbStG kommt oder kommen würde oder ein Erlass nach § 28a Abs. 1 ErbStG gem. § 28a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit wegfällt.

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