Rechtsprechung KW 42 - 2021

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzsteuer

Bestätigungsverfahren bei steuerfreien Unterrichtsleistungen
Ist der selbständige Lehrer nach § 4 Nr. 21 Bst. b Dbst. bb UStG an einer Einrichtung tätig, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Bst. a Dbst. bb UStG erfüllt, muss dieser Einrichtung die dort bezeichnete Bescheinigung erteilt worden sein.

Für einen selbständig tätigen Lehrer kommt die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 Bst. a Dbst. bb UStG nicht in Betracht, wenn er nicht selbst eine Bildungseinrichtung im Sinne dieser Vorschrift betrieben, sondern als selbständiger Lehrer Unterrichtsleistungen für eine Bildungseinrichtung erbracht hat.

§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO enthält eine Berechtigung sowie eine Verpflichtung der Finanzbehörde zur Änderung des Folgebescheids nur insoweit, als die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids reicht.

BFH v. 27.07.2021, V R 39/20

Hinweis
§ 4 Nr. 21 UStG liegt ein zweistufiges Befreiungsmodell zugrunde, bei dem zwischen der Leistung der Bildungseinrichtung und der des für die Bildungseinrichtung selbständig tätigen Lehrers zu unterscheiden ist. § 4 Nr. 21 Bst. a UStG befreit die Leistung der Bildungseinrichtung. Steuerfrei sind danach die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind (Dbst. aa) oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (Dbst. bb). Die in § 4 Nr. 21 Bst. a Dbst. bb UStG bezeichnete Bescheinigung der Landesbehörde ist dem Unternehmer zu erteilen, der die dem Bildungszweck dienende Leistungen erbringt.

Der Kläger war freiberuflich tätig. Unter anderem führte er in den Streitjahren Qualifizierungslehrgänge zum „Kräuterpädagogen“ durch. Der Kläger unterwarf seine gesamten Umsätze der Umsatzsteuer zu einem Steuersatz von 7 %. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung für die Jahre 2006 bis 2008 stellte das FA fest, dass die Leistungen aus den Kräuterpädagogikseminaren dem Regelsteuersatz zu unterwerfen seien. Bereits während der Außenprüfung vertrat der Kläger jedoch die Auffassung, es handele sich bei den angebotenen Lehrgängen um steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 21 Bst. a Dbst. bb UStG, da die Ausbildung zum Kräuterpädagogen eine berufliche Nutzung des vermittelten Wissens ermöglichen solle. Die hiergegen gerichteten Einsprüche blieben erfolglos.

Der BFH hat entscheiden, dass die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 Bst. a Dbst. bb UStG nicht in Betracht kommt, wenn ein selbständiger Lehrer nicht selbst eine Bildungseinrichtung i. S. dieser Vorschrift betrieben hat, sondern als selbständiger Lehrer Unterrichtsleistungen für eine Bildungseinrichtung erbracht hat.

§ 4 Nr. 21 UStG liegt ein zweistufiges Befreiungsmodell zugrunde, bei dem zwischen der Leistung der Bildungseinrichtung und der des für die Bildungseinrichtung selbständig tätigen Lehrers zu unterscheiden ist. Ist der selbständige Lehrer nach § 4 Nr. 21 Bst. b Dbst. bb UStG an einer Einrichtung tätig, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Bst. a Dbst. bb UStG erfüllt, muss dieser Einrichtung die dort bezeichnete Bescheinigung erteilt worden sein. Nach allgemeinen Grundsätzen hat der selbständige Lehrer diese Anwendungsvoraussetzung für die Steuerfreiheit als steuermindernden Umstand nachzuweisen. Im Streitfall ist die vom Ministerium erteilte Bescheinigung kein Grundlagenbescheid, der nach § 171 Abs. 10 i. V. m. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO zu einer Änderung der Steuerfestsetzungen berechtigt, über die bereits durch den BFH, Beschluss v. 24.05.2016, V B 84/15 rechtskräftig entschieden worden ist.
 

1.2.Einkommensteuer

§ 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG umfasst nicht den Verlust der Einlage des stillen Gesellschafters
Der Verlust der Einlage eines stillen Gesellschafters, der steuerrechtlich als Teilwertabschreibung abgebildet wird, unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 i. V. m. S. 2 EStG. „Gewinnminderungen“ i. S. des § 2a Abs. 1 S. 2 EStG sind nur solche Gewinnminderungen, die vorgangsbezogen aus einer Privatentnahme oder Teilwertabschreibung resultieren und nicht zu negativen Einkünften führen, weil sie etwa nur höhere positive Einkünfte mindern.

BFH v. 09.06.2021, I R 35/18

Hinweis
Nach § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG dürfen negative Einkünfte aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als (typischer) stiller Gesellschafter, wenn der Schuldner Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung in einem Drittstaat hat, nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen und auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Gewinnminderungen stehen dabei nach § 2a Abs. 1 S 2 EStG negativen Einkünften gleich. § 2a EStG regelt die Verrechnung von Einkünften mit Bezug zu Drittstaaten und beschränkt dabei aus wirtschaftspolitischen Erwägungen den Abzug bestimmter Auslandsverluste von positiven inländischen Einkünften.

Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes (E). Dieser betrieb u. a. das Einzelunternehmen A. E hatte sich mit einer Einlage als stiller Gesellschafter an der B GmbH (GmbH) mit Sitz in Kasachstan beteiligt und hielt die Beteiligung im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens. E überwies einen vereinbarten Darlehensbetrag an die GmbH. Später schlossen E und S einen weiteren Vertrag, weil S die darlehensweise zur Verfügung gestellten Mittel nicht in der Form verwendet hatte, wie es ursprünglich vereinbart worden war. Nunmehr verzichtete E auf die Übertragung von 50 % der Geschäftsanteile an der GmbH. Stattdessen sollte ihm von S rückwirkend eine stille Beteiligung an der GmbH eingeräumt werden. In 2005 verstarb S. Daraufhin fuhr der Sohn der Klägerin nach Kasachstan. Seine Bemühungen, an Unterlagen zu gelangen bzw. die Rückzahlung der Einlage von den Erben des S zu erhalten, blieben erfolglos. Die GmbH wurde nach Mitteilung der Klägerin im Jahr 2006 abgewickelt. Die Klägerin buchte den Verlust der Beteiligung daraufhin zum 31.12.2006 gewinnmindernd aus. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 (Streitjahr) erklärte die Klägerin u. a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb unter gewinnmindernder Berücksichtigung des Verlustes der Beteiligung. Eine Außenprüfung gelangte zu dem Ergebnis, dass der Verlust der Beteiligung gem. § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung nicht zu berücksichtigen sei.

Der BFH hat entscheiden, dass § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG nicht den Verlust der Einlage des stillen Gesellschafters umfasst.

Die Beteiligung der Klägerin an der GmbH ist als typisch stille Gesellschaft zu bewerten, die als solche § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG unterfällt. Das deutsche Besteuerungsrecht für die Einkommensteuer wird durch das DBA Kasachstan nicht ausgeschlossen. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass dem Wohnsitzstaat Bundesrepublik Deutschland nach den Vorschriften des DBA Kasachstan das Besteuerungsrecht entzogen sein könnte. Der Verlust unterfällt der Einlage eines stillen Gesellschafters, der steuerrechtlich als Teilwertabschreibung abgebildet wird, nicht dem Anwendungsbereich des § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG. Der Begriff der „Gewinnminderungen“ in § 2a Abs. 1 S. 2 EStG erfasst zwar seinem Wortlaut nach auch solche aus Teilwertabschreibungen auf eine Beteiligung. Indessen hat der Gesetzgeber § 2a Abs. 1 S. 2 EStG deshalb ins Gesetz aufgenommen, um „insbesondere aus Teilwertabschreibungen herrührende Gewinnminderungen den negativen Einkünften i. S. des § 2a EStG zuzuordnen“.

Gemeint sind mit dem Terminus „Gewinnminderungen“ nur solche, die vorgangsbezogen aus einer Privatentnahme oder Teilwertabschreibung resultieren und nicht zu negativen Einkünften führen, weil sie etwa nur höhere positive Einkünfte mindern. Nur solche Fälle sollen durch § 2a Abs. 1 S. 2 EStG vom Abzug ausgeschlossen werden.
 

1.3.Internationales Steuerrecht

Ermittlung fremdüblicher Zinsen auf Konzerndarlehen
Für die Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinssätze ist vor Anwendung der sog. Kostenaufschlagsmethode zu prüfen, ob die Vergleichswerte mithilfe der Preisvergleichsmethode ermittelt werden können. Das gilt auch für unbesichert gewährte Konzerndarlehen und unabhängig davon, ob die Darlehen von der Muttergesellschaft oder von einer als Finanzierungsgesellschaft fungierenden anderen Konzerngesellschaft gewährt worden sind.

Für die Beurteilung der Bonität ist nicht die durchschnittliche Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns, sondern die Bonität der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft maßgebend („Stand alone“-Rating). Ein nicht durch rechtlich bindende Einstandsverpflichtungen anderer Konzernunternehmen verfestigter Konzernrückhalt ist nur zu berücksichtigen, falls ein konzernfremder Darlehensgeber der Konzerngesellschaft dadurch eine Kreditwürdigkeit zuordnen würde, die die „Stand alone“-Bonität der Gesellschaft übersteigt.

BFH v. 18.05.2021, I R 4/17

Hinweis
Gem. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG mindern vGA das Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht. Unter einer vGA ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gem. § 4 Abs. 1 S. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Die Höhe des Zinses, für den ein Konzernunternehmen einem anderen Konzernunternehmen ein Darlehen gewährt, kann als Mittel dienen, Gewinne künstlich von dem einen Unternehmen auf das Andere zu verlagern. In grenzüberschreitenden Konstellationen ergibt sich auf diese Weise zudem die Möglichkeit, Gewinne in einen Staat mit niedrigen Steuersätzen zu transferieren. Das Steuerrecht wirkt solchen Gestaltungen mit dem sog. Fremdvergleich entgegen, indem die Darlehenszinsen nur in der Höhe anerkannt werden, wie sie auch unter fremden, nicht konzernzugehörigen Unternehmen vereinbart worden wären.

Im Streitfall hatte eine inländische Konzerngesellschaft mehrere Darlehen bei einer in den Niederlanden ansässigen Gesellschaft aufgenommen, die als Konzernfinanzierungsgesellschaft fungierte. Das Finanzamt und das Finanzgericht hielten die vereinbarten Darlehenszinsen für überhöht und ermittelten die fremdüblichen Zinssätze auf der Basis der Kostenaufschlagsmethode.

Der BFH hat über die für die Unternehmensbesteuerung wichtige Frage entschieden, wie hoch der Zins für ein Konzerndarlehen sein darf.

Der BFH ist dem nicht gefolgt. Er hat entschieden, dass die Fremdüblichkeit des vereinbarten Zinssatzes für ein Konzerndarlehen zunächst auf die Weise zu ermitteln ist, dass der vereinbarte Zins mit dem Zins verglichen wird, der bei vergleichbaren Geschäften zwischen unabhängigen Dritten oder zwischen einem der Konzernunternehmen mit einem unabhängigen Dritten vereinbart worden ist (Preisvergleichsmethode). Erst wenn ein derartiger Preisvergleich nicht möglich ist, kann die sog. Kostenaufschlagsmethode angewendet werden, bei der die Selbstkosten des Darlehensgebers ermittelt und um einen angemessenen Gewinnaufschlag erhöht werden. In den Urteilsgründen ist der BFH auch auf weitere Aspekte des Fremdvergleichs eingegangen. So ist bei der für die Zinshöhe bedeutsamen Bonität des Darlehensnehmers grundsätzlich auf die Bonität des Einzelunternehmens und nicht auf die Bonität des Gesamtkonzerns abzustellen. Die finanziellen Kapazitäten des Darlehensgebers spielen dagegen keine maßgebliche Rolle für die Angemessenheit des vereinbarten Zinses.
 

1.4.Sonstiges

Keine Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit der Besteuerung von Sportwetten
§ 17 Abs. 2 RennwLottG verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Europarecht.

BFH v. 17.05.2021, IX R 20/18 u. IX R 21/18

Hinweis
Gemäß Art. 105 Abs. 2 GG hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz für die „übrigen Steuern“ - d. h. solche, die nicht Zölle, Finanzmonopole oder örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern sind -, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs.2 GG vorliegen. Da das Aufkommen der Lotteriesteuer den Ländern zusteht (Art. 106 Abs. 2 Nr.3 GG), richtet sich die Eröffnung der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes allein nach Art. 72 Abs.2 GG. Gem. Art. 105 Abs.2 i. V. m. 72 Abs.2 GG hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

In den Streitfällen boten ausländische Unternehmen nach Aufgabe des staatlichen Monopols Sportwetten an in Deutschland lebende Kunden über das Internet an. Die Unternehmen führten auf die Wetteinsätze 5 % Sportwettensteuer an das zuständige Finanzamt ab. Vor dem BFH wandten sich die Sportwettenanbieter gegen die Besteuerung, da diese gegen zahlreiche Regelungen des GG verstoße und zudem europarechtswidrig sei.

Der BFH hat die seit 2012 geltende Besteuerung von Sportwetten als mit dem Grundgesetz und mit Europarecht vereinbar eingestuft.

Der BFH hat die Rechtmäßigkeit der seit Mitte 2012 geltenden Besteuerung von Sportwetten bestätigt. Die für die Besteuerung einschlägige Regelung in § 17 Abs. 2 des Rennwett- und Lotteriegesetzes (RennwLottG) sei formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Der Bund habe nach dem GG die Gesetzgebungszuständigkeit. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz sei nicht verletzt. Insbesondere liege kein sog. strukturelles gesetzliches Vollzugsdefizit vor, das einer Erhebung der Steuer entgegenstehe. Denn das RennwLottG ziehe inländische und vor dem Hintergrund der EU-Amtshilfe auch ausländische Anbieter von Sportwetten zur Besteuerung heran. Angesichts der moderaten Höhe der Sportwettensteuer von 5 % der Wetteinsätze sei diese auch nicht erdrosselnd.

Auch europarechtliche Zweifel, die ansonsten zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union geführt hätten, hat der BFH verneint. Da die Besteuerung inländische wie ausländische Anbieter in gleicher Weise und zu gleichen Bedingungen treffe, sei der freie Dienstleistungsverkehr nicht beschränkt.
 
 

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