Rechtsprechung KW 30 - 2021

 

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Ort der Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren in Pandemiezeiten
Führt das FG die Prozessakten in Papierform, wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in den Diensträumen gewährt.

Die Übersendung von Akten in die Kanzleiräume eines Prozessbevollmächtigten zum Zwecke der dortigen Einsichtnahme bleibt auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt. Dabei ist die Entscheidung, Akteneinsicht ausnahmsweise außerhalb von Diensträumen zu gewähren, eine nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Ermessensentscheidung des FG.

Hat das FG bei seiner Entscheidung, die für und die gegen eine Akteneinsicht in den Kanzleiräumen sprechenden Gründe hinreichend berücksichtigt und gegeneinander abgewogen, kann sich die Versagung der Akteneinsicht in den Kanzleiräumen auch unter Berücksichtigung der besonderen Pandemielage als ermessensfehlerfrei erweisen.

BFH v. 18.03.2021, V B 29/20

Hinweis
Nach § 78 Abs. 1 S. 1 u. 2 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. Die Akteneinsicht wird, wenn die Prozessakten in Papierform geführt werden, durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt (§ 78 Abs. 3 S. 1 FGO).

Streitig ist, ob der Beschwerdeführer in Pandemiezeiten verlangen kann, dass ihm Verwaltungsakten zwecks Akteneinsicht zugesendet werden. Das FG der ersten Instanz hält die Gewährung der Akteneinsicht in der Geschäftsstelle des Gerichts für ausreichend.

Der BFH hat entschieden, dass die Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in den Diensträumen gewährt wird.

Die Übersendung von Akten in die Kanzleiräume eines Prozessbevollmächtigten zum Zwecke der dortigen Einsichtnahme bleibt auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt. Dabei ist die Entscheidung, Akteneinsicht ausnahmsweise außerhalb von Diensträumen zu gewähren, eine nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Ermessensentscheidung des FG. Hat das FG bei seiner Entscheidung, die für und die gegen eine Akteneinsicht in den Kanzleiräumen sprechenden Gründe hinreichend berücksichtigt und gegeneinander abgewogen, kann sich die Versagung der Akteneinsicht in den Kanzleiräumen auch unter Berücksichtigung der besonderen Pandemielage als ermessensfehlerfrei erweisen. Dies hat das FG vorliegend getan: Es hat insoweit zu Recht auf ein ausgefeiltes Hygienekonzept bei Gericht verwiesen, das die gesundheitlichen Risiken jedenfalls unter Beachtung der getroffenen Schutzmaßnahmen weitestgehend ausschließt. Soweit der Kläger behauptet, er leide unter Asthma und gehöre zu einer besonderen Risikogruppe, hat er dieses Vorbringen weder substantiiert noch durch ein ärztliches Attest glaubhaft gemacht.
 

1.2.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Erbschaft- und Schenkungsteuer: Begünstigung von Grundstücken im Betriebsvermögen bei Nutzungsüberlassung an Dritte
Eine steuerschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn der Erblasser oder Schenker sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebskapitalgesellschaft faktisch beherrscht. Dazu ist eine Einwirkung des Erblassers oder Schenkers mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts auf die zur Beherrschung führenden Stimmrechte notwendig. Ein Einfluss nur auf die kaufmännische oder technische Betriebsführung ohne Möglichkeit der Erlangung einer Stimmenmehrheit reicht nicht aus.

Wird ein Grundstück an eine Kapitalgesellschaft verpachtet, ist auch dann von einer steuerschädlichen Nutzungsüberlassung an Dritte auszugehen, wenn Erwerber des Betriebsvermögens der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist.

Zwei Betriebe bilden keinen Gleichordnungskonzern, wenn sie durch mehrere Personen beherrscht werden.

BFH v. 23.02.2021, II R 26/18

Hinweis
Gem. § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 1 ErbStG gehören zum Verwaltungsvermögen Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten. Gem. § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Bst. a ErbStG ist eine Nutzungsüberlassung an Dritte nicht anzunehmen, wenn der Erblasser oder Schenker sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen konnte oder als Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 u. Abs. 3 o. § 18 Abs. 4 EStG den Vermögensgegenstand der Gesellschaft zur Nutzung überlassen hatte und diese Rechtsstellung auf den Erwerber übergegangen ist, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt.

Der Kläger erbte im Jahr 2012 den A Betrieb seines Vaters. Der A Betrieb war ursprünglich ein Autohaus und wurde auf einem Betriebsgrundstück in Z betrieben. Ende 1984 gründete der Kläger die J GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist u. a. der Handel mit sowie die Reparatur von Kraftfahrzeugen. Gesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist der Kläger. Das Betriebsgrundstück in Z wurde mit Wirkung zum 01.01.1985 mit sämtlichen Betriebsräumen vom A Betrieb an die J GmbH zu deren Betrieb als Autohaus - inklusive der darin befindlichen Maschinen und sonstigen Einrichtungsgegenstände - verpachtet. Dem Erblasser wurde hinsichtlich der J GmbH eine Einzelprokura erteilt. Sie erlosch mit dessen Tod im Jahr 2012. Im November 1997 erteilte der Erblasser dem Kläger eine frei widerrufliche Generalvollmacht. Dadurch wurde der Kläger von § 181 BGB befreit und berechtigt, sämtliche geschäftlichen Entscheidungen allein zu treffen. Ab dem Jahr 1999 wurde die Ausstellungsfläche der J GmbH erweitert. Die Verträge und der Schriftwechsel weisen als Bauherrn den Erblasser auf. Die Verträge mit den die Erweiterung ausführenden Unternehmen wurden vom Kläger abgeschlossen und die Erklärungen über eine Bauabnahme ebenfalls von ihm abgegeben. Der Erblasser meldete sein Gewerbe am 19.06.2000 zum 01.01.1985 um und gab als neu ausgeübte Tätigkeit „Vermietung und Verpachtung“ an. Im Jahr 2012 wurde das Gewerbe wegen vollständiger Aufgabe abgemeldet. Das FA stellte den Wert des Betriebsvermögens mit 695.217 € fest. Die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens wurde mit 611.250 € festgestellt.

Der BFH hat entschieden, dass eine steuerschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte nicht anzunehmen ist, wenn der Erblasser oder Schenker sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebskapitalgesellschaft faktisch beherrscht. Dazu ist eine Einwirkung des Erblassers oder Schenkers mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts auf die zur Beherrschung führenden Stimmrechte notwendig. Ein Einfluss auf die kaufmännische oder technische Betriebsführung ohne Möglichkeit der Erlangung einer Stimmenmehrheit reicht nicht aus.

Zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 13b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 S. 2 Bst. a Alt. 1 ErbStG genügt es hinsichtlich der personellen Verflechtung nicht, dass der oder die Erwerber die Person oder die Personengruppe ist, die die Betriebsgesellschaft tatsächlich beherrscht und zudem in der Lage ist, auch in dem Besitzunternehmen hinsichtlich des bezüglich der wesentlichen Betriebsgrundlage bestehenden Miet- oder Pachtverhältnisses ihren Willen faktisch durchzusetzen (vgl. BMF-Schreiben in BStBl. 2002 I, 1028, zur abweichenden Beurteilung der personellen Verflechtung bei der einkommensteuerrechtlichen Betriebsaufspaltung).

§ 13b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 S. 2 Bst. a Alt. 1 ErbStG erfordert vielmehr, dass der Erblasser oder Schenker - nicht der Erwerber - sowohl im Besitzunternehmen als auch im Betriebsunternehmen allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen entfalten kann.
 

1.3.Einkommensteuer

Einkünfte aus (echten) Edelmetall-Pensionsgeschäften im Privatvermögen
Wird Edelmetall aus dem Privatvermögen im Wege eines echten Edelmetall-Pensions­geschäfts übertragen und zurückübertragen, liegt mangels eines marktoffenbaren Vorgangs kein privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies gilt auch für im Gegenzug übertragene Fremdwährungsguthaben. Der Pensionsgeber erzielt insoweit sonstige Einkünfte aus Leistungen.

Erfasst wird bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte des Pensionsgebers aus Leistungen nur der (positive oder negative) „Spread“ aus dem Pensionsgeschäft. Auch im Falle eines negativen „Spread“ liegt die Einkünfteerzielungsabsicht vor, wenn unter Berücksichtigung der Gesamtumstände feststeht, dass das Pensionsgeschäft der Erwerbssphäre und nicht der Privatsphäre zuzuordnen ist.

Fließt der „Spread“ in einer fremden Währung zu, muss der Betrag im Zeitpunkt des Zu- oder Abflusses (einmal) in inländische Währung umgerechnet werden. Ein positiver „Spread“ fließt im Zeitpunkt der Zahlung des „Kaufpreises“ zu, ein negativer „Spread“ fließt im Zeitpunkt der Zahlung des „Rückkaufpreises“ ab.

BFH v. 23.04.2021, IX R 20/19

Hinweis
Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG) auch solche aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 EStG. Diese umfassen gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG u. a. Veräußerungsgeschäfte bei „anderen Wirtschaftsgütern“, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Nach § 22 Nr. 3 S. 1 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i. S. v. § 22 Nr. 1, 1a, 2 o. 4 EStG gehören, z. B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen oder aus der Vermietung beweglicher Gegenstände, die keinen Sachinbegriff darstellen. Eine (sonstige) Leistung ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst.

Die Beteiligten streiten über die Ermittlung der Einkünfte aus Edelmetall-Pensionsgeschäften als sonstige Einkünfte i. S. v. § 22 Nr. 3 EStG.
Der BFH hat entschieden, dass mangels eines marktoffenbaren Vorgangs kein privates Veräußerungsgeschäft vorliegt, wenn ein Edelmetall aus dem Privatvermögen im Wegen eines echten Edelmetall-Pensionsgeschäfts übertragen und zurückübertragen wird. Der Pensionsgeber erzielt insoweit sonstige Einkünfte aus Leistungen.

Private Veräußerungsgeschäfte liegen nicht vor. Es fehlt bei einem echten Edelmetall-Pensionsgeschäft im Hinblick auf die Übertragung und Rückübertragung von Wirtschaftsgütern jeweils an marktoffenbaren Vorgängen. Der Erblasser hat deshalb im Rahmen der Edel­metall-Pensionsgeschäfte nicht (zuvor angeschafftes) Edelmetall veräußert und auch keine Fremdwährungsguthaben angeschafft und wieder veräußert. Auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung liegen nicht vor. Zwar liegt einem echten Edelmetall-Pensionsgeschäft wirtschaftlich zumindest auch eine entgeltliche Nutzungsüberlassung des Edelmetalls (in Gestalt eines Sachdarlehens) auf Zeit zugrunde.

Dies rechtfertigt jedoch steuerrechtlich weder dessen isolierte Betrachtung noch erfüllt die Nutzungsüberlassung den Tatbestand der Norm, denn das zur Nutzung überlassene Edelmetall ist kein Sachinbegriff (§ 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Auch Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG liegen im Streitfall nicht vor, da eine auf eine Sachleistung (hier: Rückübereignung von Edelmetall) gerichtete Forderung keine Kapitalforderung im Sinne der Vorschrift ist. Vielmehr stellt das Entgelt für das Nutzen der Edelmetallbestände eine sonstige Leistung i. S. d. § 22 Nr. 3 EStG dar. Zu versteuern ist dabei der positive oder negative „Spread“ im Zeitpunkt des Zu- oder Abflusses.


Auszahlung aus einem Aufbaukonto der betrieblichen Altersversorgung als ermäßigt zu besteuernde Vergütung für mehrjährige Tätigkeit - Trennung der betrieblichen Altersversorgung in Basiskonto und Aufbaukonto
Wird ein Teil der Abfindung eines Arbeitnehmers im Wege der Entgeltumwandlung dem arbeitnehmerfinanzierten Aufbaukonto der betrieblichen Altersversorgung in Form einer Direktzusage zugeführt, liegt im Zeitpunkt der Entgeltumwandlung insoweit kein Zufluss von Arbeitslohn vor.

Erfolgt die Auszahlung des im Aufbaukonto über mehrere Jahre im Wege der Entgeltumwandlung angesammelten Versorgungsguthabens als Einmalzahlung, kann eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit i. S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG anzunehmen sein.

Dem Merkmal der Außerordentlichkeit steht nicht entgegen, wenn dem Arbeitnehmer daneben eine weitere Altersversorgung aus einem - vom Aufbaukonto getrennten - arbeitgeberfinanzierten Basiskonto zusteht, das darauf angesparte Versorgungsguthaben jedoch noch nicht zur Auszahlung gelangt ist.

BFH v. 23.04.2021, IX R 3/20

Hinweis
Gem. § 34 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 1 EStG sind Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten als außerordentliche Einkünfte zu behandeln. Mehrjährig ist eine Tätigkeit, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 2 EStG).

Streitig ist, ob die im Zuge der Auflösung eines Versorgungsguthabens aus einer betrieblichen Altersversorgung vorgenommene Kapitalauszahlung tarifermäßigt besteuert wird.

Der BFH hat entschieden, dass die Auszahlung des im Aufbaukonto über mehrere Jahre im Wege der Entgeltumwandlung angesammelten Kapitals als Einmalzahlung eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG sein kann.

Anders als bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit muss es sich, wenn die ermäßigte Besteuerung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG in Rede steht, bei der mehrjährigen Tätigkeit nicht um eine abgrenzbare Sondertätigkeit handeln. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die Tätigkeit selbst von der regelmäßigen Erwerbstätigkeit abgrenzbar ist oder die in mehreren Veranlagungszeiträumen erdiente Vergütung auf einem besonderen Rechtsgrund beruht, der diese von den laufenden Einkünften unterscheidbar macht. Eine Einschränkung des Wortlauts des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht erforderlich. Dementsprechend ist beim Arbeitnehmer jede Vergütung für eine Tätigkeit, die sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst, atypisch zusammengeballt und damit außerordentlich i. S. d. § 34 Abs. 1 S. 1 EStG. Allerdings reicht es nicht aus, dass der Arbeitslohn in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem zufließt, zu dem er wirtschaftlich gehört und dort mit weiteren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusammentrifft. Die Entlohnung muss vielmehr für sich betrachtet zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit sein, die Vergütung folglich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden.

Diese mehrjährige Zweckbestimmung kann sich entweder aus dem Anlass der Zuwendung oder aus den übrigen Umständen ergeben. Soweit andere Hinweise auf den Verwendungszweck fehlen, kommt der Berechnung des Entgelts maßgebliche Bedeutung zu. Darüber hinaus müssen wirtschaftlich vernünftige Gründe für die zusammengeballte Entlohnung vorliegen. Diese können sowohl in der Person des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers bestehen. Das Merkmal der wirtschaftlich vernünftigen Gründe dient der Verhütung von Missbräuchen. Deshalb schließt nur eine willkürliche, wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Zusammenballung allein aus steuerlichen Gründen die Anwendung der Tarifbegünstigung auf mehrjährigen Arbeitslohn aus.


Privates Veräußerungsgeschäft - Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung
Eine „Anschaffung“ bzw. „Veräußerung“ i. S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG liegt vor, wenn die übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Verpflichtungserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Zehn-Jahres-Frist bindend abgegeben worden sind (Anschluss an BFH-Urteil vom 10.02.2015 - IX R 23/13, BFHE 249, 149, BStBl. II 2015, 487).

BFH v. 25.03.2021, IX R 10/20

Hinweis
Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG u. a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Am 20.12.2002 gaben der Kläger und seine Ehefrau ein notariell beurkundetes Angebot zum Erwerb einer Eigentumswohnung in X ab, das der Veräußerer mit notariell beurkundeter Annahmeerklärung vom 07.01.2003 annahm. Das vom Kläger und seiner Ehefrau zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzte Immobilienobjekt befand sich in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet i. S. d. § 142 des Baugesetzbuchs (BauGB). Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 27.12.2012 veräußerten der Kläger und seine Ehefrau die Immobilie. Nach § 4 des Kaufvertrags sollte der Kaufpreis binnen zehn Tagen fällig sein, nachdem den Vertragsparteien die Mitteilung des Notars zugegangen war, dass die sanierungsrechtliche Genehmigung zum Kaufvertrag nach § 144 BauGB vorliege. Die für die Eigentumsumschreibung erforderliche sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB wurde von der zuständigen Gemeindebehörde am 05.02.2013 erteilt. Aus der Veräußerung erzielten der Kläger und seine mit ihm im Streitjahr zusammen veranlagte Ehefrau unstreitig einen Gewinn (Einnahmenüberschuss) in Höhe von 203.390 €. Streitig ist, ob der Kläger im Streitjahr (2013) einen Gewinn aus der Veräußerung eines Immobilienobjekts als sonstige Einkünfte i. S. d. § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erzielt hat.

Der BFH hat entschieden, dass eine Anschaffung bzw. Veräußerung i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG vorliegt, wenn die übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen beider Vertragsparteien innerhalb der Zehn-Jahres-Frist bindend abgegeben worden sind.

Mit Blick auf den Zweck des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen, kann von einer (rechtsgeschäftlichen) „Anschaffung“ oder „Veräußerung“ nur gesprochen werden, wenn die Vertragserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist bindend abgegeben worden sind. Eine „Veräußerung“ in diesem Sinne liegt daher vor, wenn die rechtsgeschäftlichen Erklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist übereinstimmend abgegeben werden. Denn mit den beiderseitigen übereinstimmenden Willenserklärungen wird der Vertragsschluss für die Vertragspartner zivilrechtlich bindend. Damit sind, dem Normzweck des § 23 EStG entsprechend, die Voraussetzungen für die Realisierung der Wertsteigerung verbindlich eingetreten.

Die Bindungswirkung eines innerhalb der Haltefrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG abgeschlossenen, wegen des Fehlens einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung (noch) schwebend unwirksamen Vertrags kann ausreichen, um die Rechtsfolgen eines privaten Veräußerungsgeschäfts eintreten zu lassen: Haben sich die Parteien bereits vor Erteilung der öffentlich-rechtlichen Genehmigung auf die Vertragsinhalte geeinigt und sich dergestalt gebunden, dass sich keine Partei mehr einseitig vom Vertrag lösen kann, sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäfts innerhalb der Zehn-Jahres-Frist erfüllt.

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