Rechtsprechung KW 38 - 2020

1.Rechtsprechung

1.1.Erbschafts-/Schenkungsteuer

Erwerb eines Geschäftsanteils durch Pooltreuhänder - Schenkungsteuer im Managermodell
Veräußert ein Gesellschafter einem vorformulierten Vertragswerk entsprechend seinen Geschäftsanteil an einen Pooltreuhänder, der diesen bis zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters treuhänderisch für die verbleibenden Gesellschafter hält, unterliegt der Vorgang bei den verbleibenden Gesellschaftern nicht der Schenkungsteuer.

BFH v. 06.05.2020, II R 34/17

Hinweis:
Als Schenkung unter Lebenden i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gilt nach § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Ausscheidens nach § 12 ErbStG ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt.

Der Kläger ist Wirtschaftsprüfer und war Gesellschafter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die Gesellschafter hielten jeweils einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 50.000 €. Die Gesellschafter hatten einen Poolvertrag abgeschlossen. Dazu gehörte die Beendigung der Mitgliedschaft bei Vollendung des 63. Lebensjahrs. Der Gesellschafter sollte zu einem näher bestimmten Tag (gekoppelt an die Rechnungslegung) seinen Geschäftsanteil nach einem vorformulierten Vertragsmuster an einen Pooltreuhänder verkaufen und übertragen. Der Pooltreuhänder hatte hierfür auf Rechnung der aktiven Poolmitglieder den Nominalbetrag des Geschäftsanteils zu entrichten, die W GmbH die bisher aufgelaufenen Gewinnanteile. Ein Anspruch auf Abfindung stiller Reserven oder eines Goodwills bestand nicht. Ein Gesellschafter der GmbH kündigte aus Altersgründen und verkaufte und übertrug seinen Geschäftsanteil nach Maßgabe der vorbeschriebenen Regelungen an den Pooltreuhänder für 50.000 €. Gegenüber dem Kläger setzte das FA für den Erwerb des Geschäftsanteils durch den Pooltreuhänder unter Berufung auf § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG Schenkungsteuer fest.

Der BFH hat entschieden, dass die Veräußerung eines Geschäftsanteils entsprechend einem vorformulierten Vertragswerk an einen Pooltreuhänder, der bis zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters treuhänderisch für die verbleibenden Gesellschafter hält, nicht der Schenkungsteuer unterliegt.

Der Vorgang ist nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG schenkungsteuerbar. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG sind schon deshalb nicht erfüllt, weil der Geschäftsanteil nicht auf den Kläger übergegangen ist, sondern auf den Pooltreuhänder. Ungeachtet dessen ist der Vorgang auch deshalb nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. mit § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG steuerbar, weil es sich um einen von dieser Vorschrift nicht erfassten derivativen Erwerb handelt. Nach der Rechtsprechung des BFH fehlt es an einem „Ausscheiden eines Gesellschafters“ sowie einer „Abfindung“, wenn – wie im Streitfall – der Gesellschaftsanteil unter Lebenden veräußert und dafür ein Kaufpreis entrichtet wird. Der Vorgang ist auch nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbar. In subjektiver Hinsicht ist ein (einseitiger) Wille des Zuwendenden zur (Teil-) Unentgeltlichkeit seiner Leistung erforderlich. Der „Wille zur Unentgeltlichkeit“ liegt vor, wenn und soweit der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende (gleichwertige) Gegenleistung zu erhalten. In dem Poolvertrag war das Schicksal des Geschäftsanteils des jeweiligen Gesellschafters bei Erreichen der Altersgrenze bereits im Einzelnen geregelt.

Alle Vermögensverschiebungen beruhten auf vertraglicher Verpflichtung, die ihrerseits angesichts der Verknüpfung mit dem ursprünglichen Erwerb des Geschäftsanteils schon objektiv eine Unentgeltlichkeit nicht erkennen lässt. Erst recht fehlt es an dem Willen zur Unentgeltlichkeit.
 

1.2.Einkommensteuer

Personelle Verflechtung bei von Geschäftsführung ausgeschlossenem Nur-Besitz-Gesellschafter und bei Möglichkeit zur Umgehung des § 181 BGB durch geschäftsführende Doppelgesellschafter
Die personelle Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn die personenidentischen Gesellschafter-Geschäftsführer der Besitz-GbR und der Betriebs-GmbH die laufenden Geschäfte der Besitz-GbR bestimmen können und der Nutzungsüberlassungsvertrag der Besitz-GbR mit der Betriebs-GmbH nicht gegen den Willen dieser Personengruppe geändert oder beendet werden kann.

Das Doppelvertretungsverbot des § 181 BGB steht der Annahme einer Beherrschungsidentität von Gesellschafter-Geschäftsführern aus Besitz-GbR und Betriebs-GmbH nicht entgegen, wenn die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen die Umgehung dieses Verbots durch Übertragung der Vertretung auf eine andere Person ermöglichen.

Die Klage gegen die Ablehnung der Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes ist zulässig, wenn der Kläger geltend macht, er unterhalte schon dem Grunde nach keinen Gewerbebetrieb.

BFH v. 28.05.2020, IV R 4/17

Hinweis:
Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden und die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben.

Die Klägerin ist eine GbR, an der drei geschäftsführende Gesellschafter mit je 33% und ein Minderheitsgesellschafter mit 1% beteiligt sind. Die Mehrheitsgesellschafter sind zudem zu je 1/3 an einer GmbH beteiligt und zu Geschäftsführern bestellt. Die Klägerin vermietete der GmbH ein Bürogebäude mit zwei Hallen. Die Klägerin erklärte in ihren Feststellungserklärungen für die Streitjahre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Das FA stellte hingegen gewerbliche Einkünfte fest.

Der BFH hat entschieden, dass die personelle Verflechtung vorliegt, wenn die personenidentischen Gesellschafter-Geschäftsführer der Besitz-GbR und der Betriebs-GmbH die laufenden Geschäfte der Besitz-GbR bestimmen können und der Nutzungsüberlassungsvertrag der Besitz-GbR mit der Betriebs-GmbH nicht gegen den Willen dieser Personengruppe geändert oder beendet werden kann.

Eine personelle Verflechtung liegt vor, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen. Die Mietverträge über das Bürogebäude mit Stellplätzen, der Halle sowie dem Außenlager konnten gegen den Willen der Personengruppe nicht aufgehoben werden. Das Doppelvertretungsverbot des § 181 BGB steht der Annahme einer Beherrschungsidentität von Gesellschafter-Geschäftsführern aus Besitz-GbR und Betriebs-GmbH nicht entgegen, wenn die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen die Umgehung dieses Verbots durch Übertragung der Vertretung auf eine andere Person ermöglichen.

Im Streitfall konnte die beherrschende Personengruppe das Doppelvertretungsverbot auf Seiten der GmbH dadurch beseitigen, dass ein anderer Vertreter ermächtigt wird, entsprechende Rechtsgeschäfte mit der Klägerin zu schließen. Dies konnte nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH z. B. durch Bestellung eines Prokuristen geschehen. Bei der für die GmbH bestehenden Gesamtvertretungsbefugnis aus zwei GF oder einem GF zusammen mit einem Prokuristen kann auch dem bestellen Prokuristen eine Ermächtigung zum Abschluss von Verträgen erteilt werden. Die GmbH hatte damit jederzeit die Möglichkeit, durch Bestellung eines Prokuristen dafür zu sorgen, dass sie bei Geschäften mit der Klägerin durch einen Prokuristen vertreten wird. Weiterhin hätte neben einem Prokuristen auch einer der beherrschenden GbR Personengruppe (je 33 %-GbR-Gesellschafter) die GmbH vertreten können, so dass die beiden anderen Personen dieser Personengruppe als Vertreter der Klägerin hätten auftreten können.

§ 181 BGB hätte dem Abschluss eines solchen Geschäfts mithin nicht entgegengestanden. Es geht bei der personellen Verflechtung nur um die strukturelle Durchsetzungsmöglichkeit eines einheitlichen Willens im Besitz- und im Betriebsunternehmen und nicht darum, ob davon im Einzelfall auch Gebrauch gemacht wurde.


Erwerb in Abbruchabsicht im Wege vorweggenommener Erbfolge bei einer Mitunternehmerschaft
Die Rechtsgrundsätze zur Behandlung von Abbruchkosten beim Erwerb eines Gebäudes in Abbruchabsicht gelten auch für den unentgeltlichen Erwerb eines Mitunternehmeranteils im Wege der vorweggenommenen Erbfolge.

§ 6 Abs. 3 EStG bewirkt eine Rechtsnachfolge nur in einzelnen vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Beziehungen, begründet aber keine umfassende „Fußstapfentheorie“. Die aus der Abbruchabsicht resultierende Qualifikation als Herstellungskosten des neuen Gebäudes bleibt von der in § 6 Abs. 3 EStG geregelten Buchwertfortführung unberührt.

BFH v. 27.05.2020, III R 17/19

Hinweis:
Gem.§ 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Betrieblich veranlasst sind alle Aufwendungen, die in einem objektiven und wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind.

Der Vater des Klägers betrieb zunächst ein Sportgeschäft als Einzelunternehmen und später als Mitgesellschafter einer OHG. Im Streitjahr übertrug der Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinen Mitunternehmeranteil sowie das in seinem Alleineigentum stehende und zu 66,6% im Sonderbetriebsvermögen gehaltene Grundstück mit aufstehendem Gebäude (Ladenlokal) auf den Kläger. Das auf dem Grundstück aufstehende Gebäude und das Gebäude auf dem zuvor erworbenen Nachbargrundstück ließ der Kläger abreißen und an ihrer Stelle einen einheitlichen Neubau errichten, in dem sich bis heute insbesondere die Geschäftsräume befinden. Die auf den Restbuchwert vorgenommene AfaA gem. § 7 Abs. 1 S. 7 EStG und die anteiligen Abbruchkosten für das Gebäude setzte der Kläger als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben an. In einer Außenprüfung vertrat das FA die Ansicht, dass der Restbuchwert des Gebäudes und die Abbruchkosten die Herstellungskosten des neuen Gebäudes seien.

Der BFH hat entschieden, dass die Rechtsgrundsätze zur Behandlung von Abbruchkosten beim Erwerb eines Gebäudes in Abbruchabsicht auch für den unentgeltlichen Erwerb eines Mitunternehmeranteils im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge gelten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt für den Ansatz von AfaA nach § 7 Abs. 1 S. 7 EStG und den Abzug von Abbruchkosten als sofort abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei einem im Zeitpunkt des Erwerbs technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Gebäude darauf an, ob dieses mit oder ohne Abbruchabsicht erworben wird. Der BFH hat diese Rechtsansicht damit begründet, dass bei dem Erwerb eines Gebäudes ohne Abbruchabsicht Anschaffung und Herstellung allein dem Ziel der Nutzung durch den Betrieb dienten und deshalb bei dessen Anschaffung oder Herstellung noch kein Zusammenhang mit dem späteren Abbruch und dem damit verfolgten Zweck, nämlich der Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes, bestehe.

Demgegenüber werde bei einer bereits beim Erwerb des Gebäudes bestehenden Abbruchabsicht ein weiterreichendes Ziel, nämlich die Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts, verfolgt, woraus sich schon bei der Anschaffung ein unmittelbarer Zusammenhang der Anschaffungskosten mit den später beabsichtigten Maßnahmen ergebe, was zur Folge habe, den Restwert des Gebäudes und die Abbruchkosten den Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsgutes zuzurechnen.

Diese Grundsätze werden nicht nur bei dem entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks oder Gebäudes angewandt, sondern auch beim Erwerb im Wege der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge. § 6 Abs. 3 EStG gibt keinen Anlass dafür, die Grundsätze des Erwerbs in Abbruchabsicht im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Zwar bewirkt der Übergang des Betriebs nach § 6 Abs. 3 EStG nicht nur die Fortführung der Buchwerte durch den Erwerber, sondern den vollständigen Eintritt des Rechtsnachfolgers in die betriebsbezogene Rechtsstellung des Rechtsvorgängers. Damit tritt der Erwerber aber nur in noch unentwickelte betriebsbezogene Rechtspositionen seines Vorgängers ein, soweit diese in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Wertansätzen der übergegangenen Wirtschaftsgüter stehen. Eine umfassende „Fußstapfentheorie“ wird durch § 6 Abs. 3 EStG nicht begründet. § 6 Abs. 3 EStG ist kein Ausdruck einer allumfassenden steuerlichen Rechtsnachfolge. Die unentgeltliche Übertragung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge bewirkt auch steuerlich nur eine Rechtsnachfolge in einzelnen vom Gesetz bestimmten Beziehungen. § 6 Abs. 3 EStG orientiert sich an den Werten des Rechtsvorgängers, erfasst daher regelmäßig nicht die steuerliche Beurteilung der beim Rechtsnachfolger angefallenen eigenen Aufwendungen.
 
 
 

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