Rechtsprechung KW 39-2019

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Zum Abzugsverbot für Geldbußen bei Kartellgeldbuße
Die bloße Heranziehung des tatbezogenen Umsatzes zur Ermittlung der Höhe einer am maßgeblichen Bilanzstichtag angedrohten und nachfolgend auch festgesetzten Kartellgeldbuße bewirkt keine Abschöpfung des unrechtmäßig erlangten wirtschaftlichen Vorteils i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 4 Hs. 1 EStG.
BFH v. 22.05.2019, XI R 40/17
Hinweis:
Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 1 EStG darf eine von einer Behörde im Geltungsbereich des EStG festgesetzte Geldbuße, somit auch eine vom BKartA verhängte Kartellgeldbuße, den Gewinn nicht mindern. Das Abzugsverbot für Geldbußen gilt nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 4 Hs. 1 EStG allerdings nicht, soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht abgezogen worden sind.
Im Streitfall wurde gegen die Klägerin durch das Bundeskartellamt (BKartA) wegen unerlaubter Kartellabsprachen ermittelt. Im Rahmen eines Angebots zur einvernehmlichen Verfahrensbeendigung („Settlement-Schreiben“) teilte die Behörde im Juli 2013 die Absicht mit, ein Bußgeld in genau bezifferter Höhe festzusetzen. Im Februar 2014 verhängte das BKartA das Bußgeld in der angedrohten Höhe. Die Klägerin bildete in ihrer Bilanz auf den 31.12.2013 wegen des angedrohten Bußgeldes eine handelsrechtliche Rückstellung; einen Teilbetrag davon berücksichtigte sie unter Hinweis auf § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 4 Hs. 1 EStG einkommensmindernd, da sie (insoweit) von einer sog. Bruttoabschöpfung ausging. Dem folgte weder das Finanzamt noch das Finanzgericht.
Der BFH hat entschieden, dass eine bei einer Bußgeldfestsetzung gewinnmindernd zu berücksichtigende „Abschöpfung“ der aus der Tat erlangten Vorteile nicht bereits dann vorliegt, wenn die Geldbuße lediglich unter Heranziehung des tatbezogenen Umsatzes ermittelt wird und sich nicht auf einen konkreten Mehrerlös bezieht.
Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Zwar sei die Bildung einer steuerwirksamen Rückstellung im Hinblick auf eine am maßgeblichen Bilanzstichtag noch nicht verhängte (aber angedrohte) Kartellgeldbuße möglich. Nach dem Urteil des BFH enthielt die angedrohte und dann auch festgesetzte Geldbuße aber überhaupt keinen Abschöpfungsteil. Hierfür reiche die Liquiditätsbelastung aufgrund des Bußgelds nicht aus. Die Geldbuße müsse vielmehr auf die Abschöpfung eines konkreten Mehrerlöses bezogen sein. Demgegenüber sei im Streitfall ein „kartellbedingter“ Gewinn nicht ermittelt worden. Die nur pauschale Berücksichtigung eines tatbezogenen Umsatzes reiche für die Annahme einer Abschöpfung nicht aus.

Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG; privates Veräußerungsgeschäft bei Verkauf zur Vermeidung der geplanten Anordnung eines Rückbaugebots
Eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ i. S. d. § 23 Abs. 1 S 1 Nr. 1 S 3 EStG liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die einem Angehörigen unentgeltlich überlassene Wohnung zeitweilig für wenige Nächte im Jahr als Zufluchtsmöglichkeit (mit-)nutzt, um einer wegen der Alkoholerkrankung des Ehepartners in der gemeinsamen Ehewohnung unerträglich gewordenen Situation zu entfliehen.
Eine unter Zwang zustande gekommene Vermögensmehrung liegt nicht vor, wenn im Zeitpunkt der Veräußerung (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG) die zuständige Behörde zwar beabsichtigte, dem betroffenen Steuerpflichtigen ein Rückbaugebot aufzuerlegen, eine dahingehende Anordnung jedoch noch nicht unmittelbar bevorstand.
BFH v. 21.05.2019, IX R 6/18
Hinweis:
Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 EStG. Dazu gehören gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG u. a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ausgenommen von der Besteuerung sind nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Im Jahr 2006 erwarb die Klägerin eine etwa 100 qm große 3-Zimmer-Wohnung in der X-Straße in Z zum Kaufpreis von 45.000 EUR zu Alleineigentum. Die Klägerin überließ das Objekt ihrer Tochter A. Im Jahr 2007 erwarb die Klägerin eine weitere Wohnung in der Y-Straße in Z zum Kaufpreis von 78.000 EUR zu Alleineigentum, welche die Eheleute gemeinsam bezogen. Die Klägerin war im Streitjahr unter der Adresse Y-Straße mit Hauptwohnsitz gemeldet; die von A bewohnte Wohnung in der X-Straße nutzte die Klägerin allerdings zeitweise als Zufluchtsmöglichkeit, wenn die Situation mit ihrem alkoholkranken Ehemann eskalierte. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 12.12.2014 veräußerte die Klägerin die Wohnung in der X-Straße in Z an die Stadt Z. Das FA ging davon aus, dass die Klägerin durch den Verkauf der Wohnung in der X-Straße den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts verwirklicht habe und berücksichtigte einen entsprechenden Veräußerungsgewinn im Einkommensteuerbescheid des Streitjahres.
Der BFH hat entschieden, dass keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vorliegt, wenn der Steuerpflichtige eine Wohnung einem Angehörigen überlässt und die Wohnung nur gelegentlich als Zufluchtsmöglichkeit nutzt.
Eine Wohnung wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn sie der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern sie ihm in der übrigen Zeit zur Verfügung steht. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt auch vor, wenn der Steuerpflichtige Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung oder die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (§ 32 EStG) unentgeltlich zur teilweisen oder alleinigen Nutzung überlässt. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es ihm im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. Die Klägerin hat die Wohnung X-Straße nicht deshalb „zu eigenen Wohnzwecken“ genutzt, weil sie das Objekt ihrer Tochter A unentgeltlich zur Nutzung überließ. Denn die Tochter A war im Streitjahr nicht mehr gem. § 32 EStG einkommensteuerrechtlich bei der Klägerin zu berücksichtigen.

1.2.Sonstiges

Erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG bei Beteiligung einer grundstücksverwaltenden, nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegenden Gesellschaft an einer grundstücksverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft
Einer grundstücksverwaltenden, nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegenden Gesellschaft ist die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht deshalb zu verwehren, weil sie an einer rein grundstücksverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft beteiligt ist (Anschluss an Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.09.2018 - GrS 2/16, BFHE 263, 225, BStBl. II 2019, 262).
BFH v. 06.06.2019, IV R 11/19 (IV R 27/14)
Hinweis:
Nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung). An Stelle der Kürzung nach S. 1 tritt nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung).
Die Klägerin, ist eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin sind nach ihrem Gesellschaftsvertrag die Entwicklung und Verwaltung eigenen Vermögens, insbesondere Immobilienvermögens, und das Halten von Beteiligungen an Immobiliengesellschaften. Der Kommanditist brachte Beteiligungen an vier Grundstücks-GbR in die Klägerin ein. In den Streitjahren bezog die Klägerin ihre Erträge im Wesentlichen aus den Beteiligungen an den vier GbR und erzielte daneben auch Zinseinnahmen. Die vier GbR erzielten ihrerseits Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG, die von den zuständigen Finanzämtern gesondert und einheitlich festgestellt wurden. Die auf die Klägerin entfallenden Einkünfte der GbR wurden auf Ebene der Klägerin in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert. Das FA berücksichtigte die von der Klägerin begehrte erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht, da es sich bei der Klägerin um eine Beteiligungsgesellschaft handele.
Der BFH hat entschieden, dass die erweiterte Grundstückskürzung nicht deswegen zu verwehren ist, weil der Steuerpflichtige an einer rein grundstücksverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft beteiligt ist.
Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH v. 25.09.2018, GrS 2/16 ist einer grundstücksverwaltenden, nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegenden Gesellschaft die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht deshalb zu verwehren, weil sie an einer rein grundstücksverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft beteiligt ist. Damit ist der Große Senat des BFH der Rechtsauffassung des Senats gefolgt, die dieser bereits in seinem Vorlagebeschluss vertreten hat und an der er festhält.
 
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