Rechtsprechung KW 35-2018

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Berechnung der 44 EUR-Freigrenze bei Sachbezügen
Üblicher Endpreis i. S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Endverbraucherpreis und damit der im allgemeinen Geschäftsverkehr von Letztverbrauchern für identische bzw. gleichartige Waren tatsächlich gezahlte günstigste Einzelhandelspreis am Markt (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
Liefert der Arbeitgeber die Ware in die Wohnung des Arbeitnehmers, liegt eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vor. Der Vorteil hieraus ist in die Berechnung der Freigrenze von 44 EUR einzubeziehen.
Entsprechendes gilt, wenn der günstigste Einzelhandelspreis des Sachbezugs am Markt im Versand- oder Onlinehandel gefunden wird. Ist der Versand dort als eigenständige Leistung ausgewiesen und nicht bereits im Einzelhandelsverkaufspreis und damit im Endpreis i. S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG enthalten, tritt der geldwerte Vorteil aus der Lieferung "nach Hause" bei der Berechnung der Freigrenze von 44 EUR zum Warenwert hinzu.
BFH v. 06.06.2018, VI R 32/16
Hinweis:
Nach § 8 Abs. 2 S. 1 EStG sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Nach § 8 Abs. 2 S. 11 EStG bleiben Sachbezüge, die nach Satz 1 zu bewerten sind außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Arbeitnehmer gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44 EUR im Kalendermonat nicht übersteigen.
Die Klägerin ist eine GmbH, die ihren Mitarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen in den Streitjahren Sachprämien (insbesondere handelsübliche Verbrauchsgüter) gewährte. Hierzu bediente sie sich der Firma X-GmbH. Jeder bezugsberechtigte Arbeitnehmer der Klägerin konnte über einen Onlinezugang monatlich aus der Angebotspalette der X-GmbH einen Sachbezug auswählen. Anschließend bestellte die Klägerin die Ware bei der X-GmbH, die der Klägerin die Sachbezüge nebst einer sog. Versand- und Handlingspauschale in Rechnung stellte. Der der Klägerin in Rechnung gestellte Bruttobetrag der Sachbezüge einschließlich der Umsatzsteuer betrug rglm. 43,99 €. Darüber hinaus hatte die Klägerin in der Regel für jede Bestellung eine Versand- und Handlingspauschale i. H. v. 6 € zzgl. USt an die X-GmbH zu zahlen. Die monatlichen Lohnabrechnungen der Arbeitnehmer wiesen jeweils einen Sachbezug i. H. v. 44 € aus. Lohnsteuer hierfür erhob die Klägerin nicht. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Versand- und Handlingpauschale dem Wert der Sachzuwendung hinzuzurechnen und deshalb die 44 EUR-Grenze überschritten sei.
Der BFH hat entschieden, dass der Vorteil aus der Lieferung der Ware in die Wohnung des Arbeitnehmers in die Berechnung der Freigrenze von 44 EUR einzubeziehen ist.
Liefert der Arbeitgeber die Ware in die Wohnung des Arbeitnehmers, liegt eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vor. Die Kosten des Arbeitgebers hierfür erhöhen deshalb nicht den Warenwert des zugewendeten Wirtschaftsguts. Vielmehr liegt ein gesonderter Sachbezug vor, der nach § 8 Abs. 2 S. 1 EStG gesondert zu bewerten ist. Entsprechendes gilt, wenn der günstigste Einzelhandelspreis des Sachbezugs am Markt im Versand- oder Onlinehandel gefunden wird. Ist der Versand als eigenständige Leistung ausgewiesen und nicht bereits im Einzelhandelsverkaufspreis und damit im Endpreis i. S. v.  § 8 Abs. 2 S, 1 EStG enthalten, tritt der geldwerte Vorteil aus der Lieferung „nach Hause“ bei der Berechnung der Freigrenze von 44 EUR zum Warenwert hinzu. Die Sache wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen, da aus der FG-Entscheidung nicht ersichtlich war, ob die Sachbezüge mit dem niedrigsten Endverbraucherpreis bewertet wurden.

Beschränkte Einkommensteuerpflicht: Arbeitnehmertätigkeit für ein privates Unternehmen zur Förderung der Entwicklungshilfe
Zum Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die der Kläger als Arbeitnehmer eines privaten Unternehmens bezieht, das mit der Durchführung eines aus Mitteln der Bundesrepublik und der EU finanzierten Entwicklungshilfeprojekts (in Kenia) beauftragt ist.
BFH v. 28.03.2018, I R 42/16
Hinweis:
Als inländische Einkünfte zu qualifizieren sind nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Bst. b EStG auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), die aus inländischen öffentlichen Kassen einschließlich der Kassen des Bundeseisenbahnvermögens und der Deutschen Bundesbank mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden, ohne dass ein Zahlungsanspruch gegenüber der inländischen öffentlichen Kasse bestehen muss.
Der Kläger ist ein bei einem inländischen privaten Arbeitgeber angestellter Ingenieur. Er wurde in den Streitjahren unter Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes für ein Projekt nach Kenia entsandt. Das Projekt wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie aus Mitteln der EU finanziert. Seinen Arbeitslohn erhielt der Kläger ausschließlich von seinem Arbeitgeber. Das FA sah den an den Kläger gezahlten Arbeitslohn als inländische Einkünfte i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Bst. b EStG an und setze die Einkommensteuer für die Streitjahre nach Maßgabe der beschränkten Steuerpflicht fest.
Der BFH hat entschieden, dass der Kläger in den Streitjahren mit den Einkünften aus dem Projekt in Kenia beschränkt steuerpflichtig war.
Anknüpfungspunkt für den Besteuerungstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Bst. b EStG als sog. Inlandsbezug - zugleich die Rechtfertigung des inländischen Besteuerungszugriffs - ist der Zahlungsvorgang zulasten der inländischen Volkswirtschaft, insbesondere des Fiskus und Kassenstaates. Auch wenn die Zahlung nach dem Gesetzeswortlaut mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden muss, um die beschränkte Einkommensteuerpflicht zu begründen, wird ein Dienstverhältnis zum Kassenträger für die Steuerpflicht nicht vorausgesetzt. Vielmehr kann das konkrete Dienstverhältnis wie § 49 Abs. 1 Nr. 4 Bst. b Hs. 2 EStG bestätigt auch zu einem privatrechtlich organisierten und/oder ausländischen Arbeitgeber bestehen. Zweck der Vorschrift ist es, Besteuerungslücken zu schließen, die entstehen, wenn ein Arbeitnehmer nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig i. S. d. § 1 Abs. 2 u. 3 EStG ist und Einkünfte mit einem entsprechenden Inlandsbezug erzielt. Dies hat zur Folge, dass eine Besteuerung nicht in Betracht kommt, soweit die Arbeitsvergütung anteilig aus EU-Mitteln („EU-Komponente“ des Projekts) finanziert wird. Demgemäß wird das FG, das weder die vertragliche Grundlage der EU-Finanzierung noch die anteilige Höhe der EU-Mittel festgestellt hat, den Sachverhalt insoweit im zweiten Rechtsgang aufzuklären haben.
 

1.2.Sonstiges

Verfassungskonformität gewerbesteuerrechtlicher Hinzurechnungen
Die der Höhe nach unterschiedliche gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und von Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten nach § 8 Nr. 1 Buchst. d, e und f GewStG muss nicht einem strikten Folgerichtigkeitsgebot genügen.
Die Fiktion eines in Miet-/Pachtzinsen und in Aufwendungen für Rechteüberlassung enthaltenen Finanzierungsanteils zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, die entsprechenden Hinzurechnungstatbestände an einem typischen, realitätsgerechten Zinsniveau auszurichten.
BFH v. 14.06.2018, III R 35/15
Hinweis:
Gem. § 8 Nr. 1 Bst. d) u. e) GewStG sind dem Gewinn, soweit die Miet- und Pachtzinsen bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind, ein Viertel der Summen aus einem Fünftel der Miet- und Pachtzahlungen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, sowie ein Viertel der Summen aus dreizehn Zwanzigstel (65 %) der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der entsprechenden unbeweglichen Wirtschaftsgüter hinzuzurechnen. Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen) sind dem Gewinn gem. § 8 Nr. 1 Bst. f) GewStG in Höhe von einem Viertel der Summen aus einem Viertel (25 %) der Aufwendungen hinzuzurechnen.
Die Klägerin betreibt ein Hotel. Die Hotelgrundstücke sind angemietet. Im Streitjahr entstanden der Klägerin in erheblichem Umfang Aufwendungen für Schuldzinsen, für Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter und für Lizenzgebühren. Nach Abzug des Freibetrags i. H. v. 100.000 EUR ergab sich eine Summe der Hinzurechnungen von rd. 10.000.000 EUR. Die Klägerin machte geltend, dass die Hinzurechnung gem. § 8 GewStG verfassungswidrig sei.
Der BFH hat entschieden, dass die Regelungen zu den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen verfassungskonform sind.
Die Hinzurechnung eines Teils der Entgelte für Schulden, der Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sowie der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten nach § 8 Nr. 1 Bst. a, d, e u. f GewStG ist durch den Objektsteuercharakter des GewStG bedingt. Dieser besagt, dass die Steuer an das Objekt „Gewerbebetrieb“ anknüpft, losgelöst von den Beziehungen zu einem bestimmten Rechtsträger. Nach dem ursprünglichen Konzept soll die objektive Ertragskraft des Betriebs abgebildet werden. Die Besonderheiten der Gewerbesteuer als Objektsteuer können dazu führen, dass ertraglose Betriebe belastet werden, indem etwa Gewerbesteuer allein durch Hinzurechnungen ausgelöst wird, oder negative und positive Ergebnisse aus mehreren Betrieben eines Steuerpflichtigen gewerbesteuerrechtlich nicht saldiert werden können und deshalb für einzelne Betriebe Gewerbesteuer zu zahlen ist, obwohl das saldierte Ergebnis aus allen Betrieben negativ ist. Auch eine mögliche Substanzbesteuerung liegt in der Natur einer ertragsorientierten Objektsteuer. Diese Belastungen sind hinzunehmen und verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, ebenso wenig gegen Art. 12 und 14 GG.
 

Neueste Einträge