Rechtsprechung KW 33 - 2022

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Fehlende Gemeinnützigkeit bei Förderung abgeschlossener Personenkreise und Satz­ungserfordernisse
Eine Körperschaft, die Kinderbetreuungseinrichtungen betreibt, fördert nicht die Allgemeinheit, wenn sie bei der Belegung der Plätze die Belegungspräferenz ihrer Vertragspartner, bestimmter Unternehmen, in der Weise berücksichtigt, dass sich der geförderte Personenkreis nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.

In der Satzung sind die jeweils verfolgten steuerbegünstigten Zwecke soweit wie möglich zu konkretisieren.

BFH v. 01.02.2022, V R 1/20

Hinweis
Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 KStG sind Körperschaften, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der Körperschaftsteuer befreit. Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO). Nach § 52 Abs. 1 S. 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.

Im Streitfall schloss die Klägerin mit Unternehmen Verträge über die Errichtung und den Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder der Mitarbeiter der Unternehmen. Dabei sollte die Klägerin auf die Belegungspräferenz der Unternehmen Rücksicht nehmen, sofern dies mit den gesetzlichen Bestimmungen, behördlichen Auflagen und dem pädagogischen Konzept vereinbar war. Andere Personen, die nicht bei den Unternehmen beschäftigt waren, konnten einen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen, wenn die Unternehmen aus ihrer Belegschaft keinen Bedarf hatten oder wenn Plätze länger unbelegt blieben. Das Finanzamt war der Auffassung, die Klägerin diene nicht gemeinnützigen Zwecken. Sie fördere nicht die Allgemeinheit, weil ihre Einrichtungen den Beschäftigten ihrer Vertragspartner vorbehalten seien. Die Befreiung von der Körperschaftsteuer wegen der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sei daher nicht zu gewähren. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Der BFH hat entschieden, dass eine Kinderbetreuungseinrichtung nicht gemeinnützig tätig ist, wenn sie sich bei der Platzvergabe vorrangig an den Belegungspräferenzen ihrer Vertragspartner orientiert.

Auch der Bundesfinanzhof versagte die Gemeinnützigkeit. Die Tätigkeit einer gemeinnützigen Körperschaft muss gemäß § 52 Abs. 1 S. 1 AO darauf gerichtet sein, die Allgemeinheit zu fördern. Davon ist nur dann auszugehen, wenn im Grundsatz jedermann freien Zutritt zur Körperschaft oder zu ihren Leistungen hat und sich der geförderte Personenkreis dementsprechend zumindest als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt und die Allgemeinheit repräsentiert. Daran fehlte es bei der Klägerin. Denn sie förderte nur einen Kreis von Personen, der aufgrund der Zugehörigkeit zur Belegschaft eines Unternehmens fest abgeschlossen war. Eine verbindliche „Restplatzquote“ für andere Personen als die Beschäftigten der Vertragspartner der Klägerin gab es nicht. Der BFH lehnte zudem eine Befreiung von der Körperschaftsteuer wegen der Verfolgung mildtätiger Zwecke (§ 53 AO) ab, weil die Klägerin nach ihrer Satzung nur gemeinnützige, nicht aber auch mildtätige Zwecke verfolgte.
 

1.2.Einkommensteuer

Berücksichtigung einer Leasingsonderzahlung bei Anwendung der sog. Kostendeckelungsregelung zur Privatnutzung betrieblicher Kfz
Es ist nicht zu beanstanden, dass bei Anwendung der Billigkeitsregelung zur Kostendeckelung im BMF-Schreiben vom 18.11.2009 (BStBl. I 2009, 1326, Rz 18) für Zwecke der Berechnung der Gesamtkosten eines genutzten Leasingfahrzeugs eine bei Vertragsschluss geleistete Leasingsonderzahlung auch dann periodengerecht auf die einzelnen Jahre des Leasingzeitraums verteilt wird, wenn der Steuerpflichtige seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt.

BFH v. 17.05.2022, VIII R 26/20

Hinweis
Entnahmen des Steuerpflichtigen für sich, seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke sind gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG mit dem Teilwert anzusetzen. Nach der Sonderregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG ist für die private Nutzung eines zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kfz pro Kalendermonat 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen.

Der Kläger betreibt eine zahnärztliche Praxisgemeinschaft und erzielt hieraus selbständige Einkünfte, die in den Streitjahren (2012 bis 2014) gesondert festgestellt wurden. Seinen Gewinn ermittelte der Kläger durch Einnahmenüberschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG. Der von dem Kläger unter Anwendung der 1 %-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG für die Privatnutzung ermittelte Entnahmewert einschließlich der nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte betrug in den Jahren 2012 und 2013 jeweils 13.850 € und im Jahr 2014 12.696 €. Für diese Beträge nahm der Kläger unter Hinweis auf Rz 18 des BMF-Schreibens v. 18.11.2009, BStBl. 2009 I, 1326 eine Deckelung auf die im jeweiligen Streitjahr angefallenen Kfz-Kosten vor und begrenzte daher die Werte der zu berücksichtigenden privaten Kfz-Nutzung im Jahr 2012 auf 7.917 €, im Jahr 2013 auf 10.475 € und im Jahr 2014 auf 9.488 €. In die Ermittlung der Kfz-Kosten für die Streitjahre bezog er die im Jahr 2011 geleistete Leasingsonderzahlung nicht (anteilig) ein. Das FA vertrat die Auffassung, die Entnahme für die Privatnutzung des Kfz sei in Höhe der sich nach der 1 %-Regelung ergebenden Werte anzusetzen. Eine Beschränkung der Entnahme auf die im jeweiligen Streitjahr angefallenen PKW-Kosten komme nicht in Betracht, da diese die nach der 1 %-Regelung ermittelten Werte überschritten. Bei der Anwendung der Regelung zur Kostendeckelung sei die geleistete Leasingsonderzahlung gleichmäßig über den Leasingzeitraum zu verteilen und daher im jeweiligen Streitjahr anteilig zu berücksichtigen.

Der BFH hat entschieden, dass es nicht zu beanstanden ist, dass eine bei Vertragsabschluss geleistete Leasingsonderzahlung bei Ermittlung der Kostendeckelung auch dann periodengerecht auf die einzelnen Jahre des Leasingzeitraums verteilt wird, wenn der Steuerpflichtige seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Der Kläger hat in Bezug auf die einkommensteuerrechtliche Erfassung der Privatentnahme keinen Anspruch aus § 163 AO auf eine von der Gesetzeslage abweichende Feststellung der Besteuerungsgrundlagen aus Billigkeitsgründen.

Die Ermittlung der Privatentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG führt auch nicht zu einem unbilligen Ergebnis i. S. v. § 163 AO. Eine Unbilligkeit ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers insbesondere nicht daraus, dass die in Anwendung der 1 %-Regelung zu versteuernde Nutzungsentnahme einen Wert erreichen kann, der über dem Betrag der vom Steuerpflichtigen getätigten Gesamtaufwendungen liegt. Es ist gerade Ziel und Zweck der 1 %-Regelung, anders als sonst bei der Besteuerung der privaten Nutzungsentnahmen, nicht an den Aufwand des Steuerpflichtigen, sondern an den ihm zukommenden Nutzungsvorteil anzuknüpfen. Vor diesem Hintergrund entspricht es dem Sinn der gesetzlichen Regelung, keine aufwandsbezogene Begrenzung vorzunehmen.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Deckelung des aufgrund der 1 %-Regelung ermittelten Entnahmewerts nach Maßgabe des BMF-Schreibens v. 18.11.2009 liegen im Streitfall nicht vor. Die Voraussetzungen der im Schreiben genannten Billigkeitsregelung sind nach der nicht zu beanstandenden Auslegung durch das FA im Streitfall nicht erfüllt, weil der in Anwendung der 1 %-Regelung zu bemessende Wert der Nutzungsentnahme den Betrag der Gesamtkosten des Kfz i. S. v. Rz 18 des BMF-Schreibens in BStBl. I 2009, 1326 im jeweiligen Streitjahr nicht überschreitet.


Einkommensteuerliche Behandlung barer Zuzahlungen an den inländischen Privatanleger im Zusammenhang mit einer Verschmelzung US-amerikanischer Kapitalgesellschaften
Bei der Besteuerung eines im Inland steuerpflichtigen Aktieninhabers einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft findet § 20 Abs. 4a EStG bei einem aufgrund einer Verschmelzung erfolgten Tausch der Aktien mit Spitzen- und Barausgleich keine Anwendung, wenn bei rechtsvergleichender Betrachtung die Verschmelzung aufgrund der hohen Barzahlungen nicht einmal hypothetisch in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 Nr. 5 UmwStG fallen könnte.

Der gesamte Vorgang ist danach als Tausch gegen die Gewährung eines Mischentgelts nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG zu besteuern.

BFH v. 14.02.2022, VIII R 44/18

Hinweis
Werden Anteile an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung gegen Anteile an einer anderen Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung getauscht und wird der Tausch auf Grund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen vollzogen, die von den beteiligten Unternehmen ausgehen, treten abweichend von § 20 Abs. 2 S. 1 u. §§ 13 u. 21 UmwStG die übernommenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile, wenn das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist; in diesem Fall ist der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der erworbenen Anteile ungeachtet der Bestimmungen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in der gleichen Art und Weise zu besteuern, wie die Veräußerung der Anteile an der übertragenden Körperschaft zu besteuern wäre, und § 15 Abs. 1a S. 2 entsprechend anzuwenden (§ 20 Abs. 4a S. 1 EStG).

Der Kläger hielt im Streitjahr 2.000 Aktien der Firma LI, einer Kapitalgesellschaft nach US-amerikanischem Recht. Die Aktien hatte er jeweils hälftig am 26.07.2013 zu einem Kaufpreis in Höhe von umgerechnet 33.698,11 € und am 23.05.2014 zu einem Kaufpreis in Höhe von umgerechnet 44.336,02 € angeschafft.

Im Streitjahr wurde die LI auf die Firma RAI, ebenfalls eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft, verschmolzen. Aus diesem Grund erhielten die Aktionäre der im Zuge der Verschmelzung aufgelösten LI für eine bisher gehaltene LI-Aktie 0,2909 neue RAI-Aktien und eine Zahlung in Höhe von 50,50 US-$ je LI-Aktie. Aus dem Depot des Klägers wurden am 12.06.2015 sämtliche LI-Aktien ausgebucht und im Gegenzug 581 Aktien der RAI zuzüglich eines Spitzenausgleichs in Höhe von 49,29 € eingebucht. Zu diesem Zeitpunkt hatten die RAI-Aktien einen Kurswert in Höhe von insgesamt umgerechnet 35.796,54 €. Zusätzlich erfolgte auf das Depot des Klägers eine Zahlung in Höhe von umgerechnet 89.801,73 €. Insgesamt erhielt der Kläger somit aufgrund der Verschmelzung RAI-Aktien und Geldzahlungen im Wert von 125.647,56 €. Nach der Jahressteuerbescheinigung der Depotbank für das Streitjahr wurde die Zuzahlung in Geld als steuerpflichtiger Kapitalertrag ausgewiesen und hierfür Kapitalertragsteuer in Höhe von 22.450,43 € zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von 1.234,77 € einbehalten. Der Kläger beantragte in seiner Einkommensteuererklärung die Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge gem. § 32d Abs. 4 EStG sowie die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG.

Die Höhe der Kapitalerträge gab er in Bezug auf die Verschmelzung der LI-Aktien im Vergleich zur Jahressteuerbescheinigung der Depotbank niedriger an, da er der Auffassung war, dass bei der Besteuerung der Barzuzahlung anteilig die Anschaffungskosten der LI-Aktien steuermindernd zu berücksichtigen seien. Das FA folgte dem nicht, sondern rechnete die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer lediglich auf die festgesetzte Einkommen­steuer an, der die Barzuzahlung in voller Höhe zugrunde gelegt worden war.

Der BFH hat entschieden, dass bei der Besteuerung eines im Inland steuerpflichtigen Aktieninhabers einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft § 20 Abs. 4a EStG bei einem aufgrund einer Verschmelzung erfolgten Tausch der Aktien mit Spitzen- und Barausgleich keine Anwendung findet, wenn bei rechtsvergleichender Betrachtung die Verschmelzung aufgrund der hohen Barzahlungen nicht einmal hypothetisch in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 Nr. 5 UmwStG fallen könnte.

Voraussetzung für die Anwendung der Sonderregelungen ist nach § 20 Abs. 4a S. 1 EStG ein Tausch „auf Grund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen“. Bei einem weiten Verständnis dieses Merkmals fiele jeglicher Anteilstausch, der durch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen der beteiligten - in- oder ausländischen - Unternehmen veranlasst ist, unter die Vorschrift. Danach wäre auch die Einbuchung der RAI-Aktien bzw. Ausbuchung der LI-Aktien auf dem Depot des G infolge der Verschmelzung der LI auf die RAI, die ihrerseits auf Maßnahmen der beteiligten Gesellschaften zurückzuführen ist, von der Regelung erfasst. Der Gesetzgeber wollte allerdings keinen derart weiten Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a S. 1 EStG eröffnen, sondern hat sich ‑ wie den Gesetzgebungsmaterialien zu entnehmen ist - bei dessen Einführung am UmwStG orientiert. Die Regelung sollte demnach ausdrücklich „Verschmelzungen, Aufspaltungen und qualifizierte Anteilstauschvorgänge“ erfassen, die „dem Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes in § 1 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 3 Nr. 5 unterliegen“. Somit handelt es sich bei den Aus- und Einbuchungen auf dem Depot des G im Zusammenhang mit der Verschmelzung der LI auf die RAI um keinen Tausch aufgrund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen i. S. d. § 20 Abs. 4a S. 1 EStG, da die Verschmelzung aufgrund der Höhe der Zuzahlung nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 13 UmwStG fällt.


Kein Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 12 Nr. 3 EStG bei der Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers für Lohnsteuer, die auf den eigenen Arbeitslohn entfällt
Aufwendungen eines angestellten Geschäftsführers zur Tilgung von Haftungsschulden sind auch insoweit als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar, als die Haftung auf nicht abgeführter Lohnsteuer beruht, die auf den Arbeitslohn des Geschäftsführers entfällt. Das Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 3 EStG steht dem nicht entgegen.

BFH v. 08.03.2022, VI R 19/20

Hinweis
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG). Soweit in § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 - 5, 7 u. 9 sowie Abs. 1a Nr. 1 EStG, den §§ 10a, 10b EStG u. d. §§ 33 - 33b EStG nichts anderes bestimmt ist, dürfen nach § 12 Nr. 3 EStG (in den in den Streitjahren geltenden Fassungen) insbesondere die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern sowie die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.

Die Klägerin war neben A Gesellschafterin und Geschäftsführerin der B-GmbH (GmbH). Sie bezog von der GmbH, die ein Restaurant betrieb, für ihre Geschäftsführertätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Über das Vermögen der GmbH wurde im Jahr 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin wurde mit einem auf §§ 69, 34 AO gestützten Haftungsbescheid für von der GmbH für verschiedene Voranmeldungszeiträume im Jahr 2013 angemeldete, aber nicht an das Betriebsstättenfinanzamt abgeführte Lohnsteuern und Nebenabgaben in Anspruch genommen. Den Haftungsschulden lagen u. a. Forderungen gegen die GmbH zugrunde, die dadurch entstanden waren, dass die GmbH angemeldete Lohnsteuern, die auf den Arbeitslohn der Klägerin selbst entfielen, nicht abgeführt hatte. Die Klägerin machte diese Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das FA lehnte den Werbungskostenabzug ab.

Der BFH hat entschieden, dass Aufwendungen eines angestellten Geschäftsführers zur Tilgung von Haftungsschulden auch insoweit als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar sind, als die Haftung auf nicht abgeführter Lohnsteuer beruht, die auf den Arbeitslohn des Geschäftsführers entfällt. Das FG hat der Klägerin zutreffend den geltend gemachten Werbungskostenabzug zuerkannt. Bei den fraglichen Aufwendungen der Klägerin zur Tilgung ihrer Haftungsschulden handelt es sich um Werbungskosten i. S. v. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG. Die Klägerin wurde vom FA gem. §§ 69, 34 AO als Haftende für von der GmbH angemeldete, aber nicht abgeführte Lohnsteuern und Nebenabgaben für Januar bis Dezember 2013 in Anspruch genommen. Die Haftung beruhte damit auf Pflichtverletzungen, die der Klägerin aufgrund ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als angestellter Geschäftsführerin der GmbH zur Last gelegt wurden. Die Inhaftungnahme der Klägerin stand hiernach in wirtschaftlichem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit als angestellte Geschäftsführerin der GmbH. Das „auslösende Moment“ für die von der Klägerin auf die Haftungsschulden getätigten Aufwendungen lag folglich im Bereich der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Die Aufwendungen standen damit in objektivem Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung. Sie dienten auch subjektiv der beruflichen Tätigkeit der Klägerin, da diese mit den Aufwendungen Schulden tilgen wollte, die sie als angestellte Geschäftsführerin der GmbH getroffen hatten. Das FG hat ferner zutreffend entschieden, dass das Abzugsverbot in § 12 Nr. 3 EStG der Berücksichtigung der Werbungskosten im Streitfall nicht entgegensteht. Die Voraussetzungen des 12 Nr. 3 EStG sind bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht erfüllt. Denn es geht weder um den Abzug von (nachgeforderter) Einkommen- oder Lohnsteuer (als besonderer Erhebungsform der Einkommensteuer gemäß § 38 Abs. 1 EStG) noch um den Abzug darauf entfallender Nebenleistungen, sondern allein um den Abzug von Zahlungen der Klägerin auf ihre Haftungsschulden, die auf §§ 69, 34 AO beruhen. Solche Haftungsschulden sind keine Steuern gem. § 3 Abs. 1 AO und mithin erst recht weder Steuern vom Einkommen noch eine sonstige Personensteuer i. S. v. § 12 Nr. 3 EStG.
 

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