Rechtsprechung KW 30 - 2022

 

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

(Folge-)Änderung eines Steuerbescheids nach § 174 Abs. 4 AO in einer anderen Steuerart; Irrtum über das Entstehen einer Umsatzsteuerverbindlichkeit bei einem bilanzierenden Steuerpflichtigen
Wurden Umsätze in Änderungsbescheiden zur Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer zunächst rechtsirrig als umsatzsteuerpflichtig (und eine Umsatzsteuerverbindlichkeit auslösend) berücksichtigt, darf das Finanzamt, wenn es dem Einspruch des Steuerpflichtigen gegen den Umsatzsteuerbescheid dadurch abhilft, dass es die Umsätze umsatzsteuerfrei belässt, den bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheid nach § 174 Abs. 4 AO einkommenserhöhend in dem Umfang ändern, in dem es zuvor zu einer Einkommensminderung gekommen war.

Eine irrige Beurteilung eines Sachverhalts i. S. d. § 174 Abs. 4 AO liegt vor, wenn sich dessen Beurteilung nachträglich als unrichtig erweist; ob der dafür ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt, ist unerheblich. Die zutreffende Berücksichtigung desselben Sachverhalts kann auch bei einer anderen Steuerart in Frage kommen, sofern - bezogen auf den zu beurteilenden Sachverhalt - eine sachliche Verbindung zwischen beiden Regelungsgegenständen besteht.

BFH v. 17.03.2022, XI R 5/19

Hinweis
Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, können nach § 174 Abs. 4 S. 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Nach § 174 Abs. 4 S. 3 AO ist der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden.

Die Klägerin, eine GmbH, vermittelte u. a. elektronische Versicherungsbestätigungen (eVB) für die Zulassung von Fahrzeugen. Diese erhielt sie wiederum von ihren Lieferanten. Bei einem Teil der eVB erfolgte keine Vermittlung an die Käufer von Fahrzeugen, sondern an andere Unternehmen. Die aus dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen behandelte die Klägerin als umsatzsteuerfrei gem. § 4 Nr. 11 UStG. Sie wurde antragsgemäß zur Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer veranlagt. Das Finanzamt vertrat im Rahmen einer für die Streitjahre 2011 und 2012 durchgeführten Betriebsprüfung die Auffassung, dass die entgeltliche Weitergabe von Blanko-Versicherungsbestätigungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien und behandelte die hierauf entfallenden Einnahmen als Bruttoeinnahmen. Entsprechend erhöhte das Finanzamt die bisher erklärten Umsatzsteuerbeträge und minderte den Gewinn. Neben den geänderten Umsatzsteuerbescheiden ergingen am 12.5.2014 auch geänderte Körperschaftsteuerbescheide. Die Klägerin legte gegen die Umsatzsteuer-Änderungs­bescheide Einspruch ein. Nach Ergehen des BFH-Urteils v. 24.07.2014, V R 9/13 half das FA dem Einspruch der Klägerin wegen Umsatzsteuer für die Streitjahre ab. Unter dem 01.07.2016 (für das Jahr 2011) und dem 12.07.2016 (für das Jahr 2012) erließ das FA auf § 174 Abs. 4 AO gestützte Körperschaftsteuer-Änderungsbescheide, mit denen es die in den Körperschaftsteuer-Änderungsbescheiden vom 12.05.2014 vorgenommenen Gewinnminderungen wieder rückgängig machte.

Der BFH hat entschieden, dass das Finanzamt den bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheid nach § 174 Abs. 4 AO einkommenserhöhend in dem Umfang ändern kann, in dem es zuvor zu einer Einkommensminderung gekommen war, wenn Umsätze in Änderungsbescheiden zur Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer zunächst rechtsirrig als umsatzsteuerpflichtig berücksichtigt.

Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO erfüllt sind. Wurden Umsätze in Änderungsbescheiden zur Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer zunächst rechtsirrig als umsatzsteuerpflichtig (und eine Umsatzsteuerverbindlichkeit auslösend) berücksichtigt, darf das Finanzamt, wenn es dem Einspruch des Steuerpflichtigen gegen den Umsatzsteuerbescheid dadurch abhilft, dass es die Umsätze umsatzsteuerfrei belässt, den bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheid nach § 174 Abs. 4 AO einkommenserhöhend in dem Umfang ändern, in dem es zuvor zu einer Einkommensminderung gekommen war. Der Regelungsmechanismus des § 174 Abs. 4 S. 1 AO setzt hinsichtlich der verfahrensmäßigen Abfolge voraus, dass ein angefochtener Bescheid als irrig erkannt und deswegen auf Antrag des Steuerpflichtigen aufgehoben oder geändert wird. Dies löst sodann „nachträglich“ die Rechtsfolge des § 174 Abs. 4 AO aus, dass ein anderer Bescheid erlassen oder geändert werden kann. § 174 Abs. 4 AO regelt mithin den Fall, dass verfahrensrechtliche Folgerungen aus einer vorherigen Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zu ziehen sind. Die Vorschrift soll in dieser Situation (erfolgreiches Vorgehen gegen einen anderen Bescheid) den Grundsätzen von Treu und Glauben gerecht werden: Der Steuerpflichtige soll im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist. Wer erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss die damit verbundenen Nachteile hinnehmen. Eine irrige Beurteilung eines Sachverhalts i. S. d. § 174 Abs. 4 AO liegt vor, wenn sich dessen Beurteilung nachträglich als unrichtig erweist; ob der dafür ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt, ist unerheblich. Die zutreffende Berücksichtigung desselben Sachverhalts kann auch bei einer anderen Steuerart in Frage kommen, sofern - bezogen auf den zu beurteilenden Sachverhalt - eine sachliche Verbindung zwischen beiden Regelungsgegenständen besteht.


Offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO bei fehlender Erkennbarkeit des zutreffenden Werts
Allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich sind, schließt eine offenbare Unrichtigkeit i. S. des § 129 S. 1 AO nicht aus.

Zumindest in denjenigen Fällen, in denen die offenbare Unrichtigkeit auf der versehentlichen Nichtangabe eines Werts in der Steuererklärung beruht, ist § 129 S. 1 AO bereits dann anwendbar, wenn für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich erkennbar ist, dass die Nichtangabe fehlerhaft ist (Anschluss an das BFH-Urteil vom 22.05.2019 - XI R 9/18, BFHE 264, 393, BStBl. II 2020, 37). Entsprechendes muss gelten, wenn (nur) die Angabe einer Endsumme mit 0 € erfolgt und dies erkennbar unrichtig ist.

BFH v. 08.12.2021, I R 47/18

Hinweis
Nach § 129 S. 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 S. 2 AO).

Streitig ist, ob der Bescheid der Klägerin über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zu korrigieren ist. Vorliegend hatte die Klägerin den Bestand des steuerlichen Einlagekontos in der elektronisch übermittelten Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos fehlerhaft erklärt, was aus den Erläuterungen in der in Papierform eingereichten Bilanz zu erkennen war. Dort war eine Kapitalrücklage in Höhe von rund 2.315.000 € ausgewiesen, die teilweise auf Einzahlungen in Schweizer Franken beruhte. Das steuerliche Einlagekonto wurde vom FA den fehlerhaften Angaben der Klägerin folgend festgestellt.

FA und FG der ersten Instanz lehnten eine nachträgliche Korrektur des Einlagekontos nach § 129 AO ab, da die konkrete Höhe der erbrachten Einzahlungen in die Kapitalrücklage wegen der teilweisen Einzahlungen in Schweizer Franken nicht ohne weiteres erkennbar sei.

Der BFH hat entschieden, dass allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss ausgewiesenen Kapitalrücklage ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich sind, eine offenbare Unrichtigkeit i. S. d. § 129 S. 1 AO nicht ausschließt.

Zumindest in denjenigen Fällen, in denen die offenbare Unrichtigkeit auf der versehentlichen Nichtangabe eines Werts in der Steuererklärung beruht, ist § 129 S. 1 AO bereits dann anwendbar, wenn für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich erkennbar ist, dass die Nichtangabe fehlerhaft ist. Entsprechendes muss gelten, wenn (nur) die Angabe einer Endsumme mit 0 € erfolgt und dies erkennbar unrichtig ist. Das FG wird nun im zweiten Rechtsgang die tatsächliche Höhe des steuerlichen Einlagekontos zu ermitteln haben. Hierzu bedarf es weiterer Sachverhaltsermittlungen.
 

1.2.Umsatzsteuer

Besteuerung der Umsätze eines Freizeitparks
Innenumsätze innerhalb eines Organkreises sind keine Reisevorleistungen i. S. des § 25 Abs. 1 und 3 UStG. Die Klägerin (Organträgerin) hat sich auch nicht auf die Unionsrechtswidrigkeit hinsichtlich der Zurechnung der Umsätze der Organgesellschaft berufen.

Die Einräumung der Berechtigung zum Eintritt in einen Freizeitpark unterliegt nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Bst. d UStG.

BFH v. 17.03.2022, XI R 23/21, (XI R 4/21)

Hinweis
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Bst. d UStG ermäßigt sich der Steuersatz auf sieben Prozent u.a. für die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller. Gem. § 30 UStDV gelten als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller i. S. v. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Bst. d UStG Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen.

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren nur noch darüber, ob die Einräumung einer Berechtigung zum Eintritt in einen Freizeitpark mit diversen Fahrgeschäften dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Der erkennende Senat hatte mit Beschluss v. 06.04.2021, XI R 4/21 das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in dem Verfahren C-406/20 angeordnet und nach Ergehen des EuGH-Urteils „Phantasialand“ vom 09.09.2021, C-406/20 das Verfahren unter dem im Leitsatz genannten Az. fortgesetzt.

Der BFH hat entschieden, dass die Einräumung der Berechtigung zum Eintritt in einen Freizeitpark nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Bst. d UStG unterliegt.

Der BFH hat den Begriff des „Schaustellers“ in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Bst. d UStG als Personen definiert, die mit ihren der Unterhaltung dienenden Unternehmen gewerbsmäßig Jahrmärkte, Volksfeste usw. beschicken und damit von Ort zu Ort ziehen. Auf dieser Grundlage hat das FG zu Recht entschieden, dass Eintrittsberechtigungen in einen ortsgebundenen Freizeitpark nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Bst. d UStG unterliegen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind die von der Klägerin erbrachten Leistungen zwar Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, aber sie werden nicht auf Jahrmärkten, Volksfesten oder ähnlichen Veranstaltungen erbracht; denn der Freizeitpark der Klägerin als Schaustellungsunternehmen ist ortsgebunden. Dem steht auch nicht die Entscheidung des EuGH, Urteil v. 09.09.2021, Rs. C-406/20 „Phantasialand“ entgegen.

Denn die Beurteilung der Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der in einem Freizeitpark einerseits und auf einem Jahrmarkt andererseits dargebotenen Schaustellerleistungen ist Sache des nationalen Gerichts (EuGH-Urteil Phantasialand, Rz 43).
 

1.3.Einkommensteuer

Kindergeld; Abgrenzung der einheitlichen Erstausbildung von der berufsbegleitenden Zweitausbildung
Für die im Rahmen des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG durchzuführende Abgrenzung einer einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) ist das Berufsziel des Kindes nur im Rahmen des engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten zu würdigen. Für die Frage, ob die Berufstätigkeit oder die Ausbildung im Vordergrund steht, kommt dem Berufsziel keine weitere Bedeutung zu.

Der Umstand, dass der erste Ausbildungsabschnitt eine abgeschlossene Qualifikation darstellt, schließt nicht aus, dass dieser Ausbildungsabschnitt mit weiteren Ausbildungsabschnitten zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden kann.

Die im Senatsurteil vom 11.12.2018 - III R 26/18 (BFHE 263, 209, BStBl. II 2019, 765, Rz 14 ff.) genannten Kriterien für die Abgrenzung einer einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) stellen keinen abschließenden Katalog dar.

BFH v. 07.04.2022, III R 22/21

Hinweis
Nach § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 i. V. m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Bst. a u. c EStG besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. In den Fällen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 S. 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i. S. d. § 8 und § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind insoweit unschädlich (§ 32 Abs. 4 S. 3 EStG).

Die Klägerin ist die Mutter einer 1999 geborenen Tochter, die im August 2020 ein duales Studium zur Diplom-Finanzwirtin erfolgreich abschloss. Anschließend nahm die Tochter eine Tätigkeit im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung auf, die zunächst 40 Wochenstunden und ab Dezember 2020 28 Wochenstunden umfasste. Im Oktober 2020 begann die Tochter ein Studium der Rechtswissenschaften. Die Familienkasse lehnte eine Kindergeldgewährung wegen des Universitätsstudiums ab September 2020 ab, da sie der Auffassung war, dass die Tochter ihre Erstausbildung bereits mit dem dualen Studium zur Diplom-Finanzwirtin abgeschlossen habe. Das Studium der Rechtswissenschaften sei eine Zweitausbildung, die wegen der zu umfangreichen Erwerbstätigkeit der Tochter kindergeldrechtlich nicht mehr berücksichtigt werden könne. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage ab.

Der BFH hat entschieden, dass eine Kindergeldgewährung wegen eines Jurastudiums des Kindes nicht mehr möglich ist, wenn das Kind nach Abschluss der Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin ein längerfristiges Dienstverhältnis in der Finanzverwaltung aufnimmt, das deutlich über 20 Wochenarbeitsstunden umfasst, und das Studium nur in den danach verbleibenden arbeitsfreien Zeiten durchführt.

Der BFH hielt die Revision der Klägerin für unbegründet. Er folgte dem FG im Ergebnis, aber nur teilweise in der Begründung. Volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden nach Abschluss einer Erstausbildung während einer Zweitausbildung kindergeldrechtlich nur berücksichtigt, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nachgehen (§ 32 Abs. 4 S. 2 u. 3 EStG). Ob mehrere Ausbildungen zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden können oder es sich um eine Erst- und eine Zweitausbildung handelt, hängt von mehreren Faktoren ab. Zunächst setzt eine einheitliche Erstausbildung einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten voraus. Diesen hatte das FG im Hinblick auf den kurzen zeitlichen Abstand und die inhaltliche Nähe der beiden Studiengänge zu Recht bejaht. Zudem muss die Ausbildung im zweiten Abschnitt noch die Haupttätigkeit des Kindes darstellen und nicht hinter die Erwerbstätigkeit zurücktreten. Insofern ist eine Gesamtbetrachtung durchzuführen. Da das FG festgestellt hat, dass die Tochter bereits ein längerfristiges Beschäftigungsverhältnis aufgenommen hatte, für das der Ausbildungsberuf „Diplom-Finanzwirtin“ Voraussetzung war, allenfalls gleichviel Zeit in die Ausbildung und in die Erwerbstätigkeit investierte und sich die Ausbildungszeiten nach den arbeitsfreien Zeiten richteten, sprach die Gesamtbetrachtung für eine berufsbegleitend durchgeführte Weiterbildung (Zweitausbildung). Daher kam es auf den Umfang der Erwerbstätigkeit an, der über der Grenze von 20 Wochenstunden lag.
 

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