Rechtsprechung KW 24

 

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Zur fehlenden Beschwer bei Anfechtung eines Nullbescheides
Hat eine steuerbegünstigte Körperschaft mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe und erzielt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, für den streitig ist, ob dieser ein Zweckbetrieb ist, einen Gewinn von 0 €, ergibt sich aus einem Steuerbescheid, der eine Steuer von 0 € festsetzt, keine für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage erforderliche Beschwer.

BFH v. 16.12.2021, V R 19/21

Hinweis
Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage), § 41 Abs. 1 FGO. Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltung oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt wird, § 41 Abs. 2 FGO.

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob die im Streitjahr 2012 von dem Kläger gegenüber den Sozialleistungsträgern durchgeführte Abrechnung von Krankentransport und Notfallrettung, die andere Leistungserbringer im Rahmen des öffentlichen Rettungsdienstes erbrachten, als Zweckbetrieb anzusehen ist.

Der BFH hat entschieden, dass sich aus einem Steuerbescheid, der eine Steuer von 0 € festsetzt, keine für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage erforderliche Beschwer ergibt, wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe hat und ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, für den streitig ist, ob dieser ein Zweckbetrieb ist, einen Gewinn von 0 € erzielt.

Die Anfechtungsklage des Klägers ist mangels Beschwer unzulässig, der Kläger ist nicht in seinen Rechten verletzt. Hat eine steuerbegünstigte Körperschaft mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe und erzielt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, für den streitig ist, ob dieser ein Zweckbetrieb ist, einen Gewinn von 0 €, ergibt sich aus einem Steuerbescheid, der eine Steuer von 0 € festsetzt, keine für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage erforderliche Beschwer. Der Streitfall beschränkt sich auf den bloßen sachlichen Umfang der Steuerbefreiung, weil der Kläger mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe hat und die Eigenschaft nur eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs als Zweckbetrieb als im Ergebnis unselbständige Besteuerungsgrundlage i. S. v. § 157 Abs. 2 AO streitig ist. Da der hier in Rede stehende Geschäftsbetrieb des Klägers nach den gem. § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG im Streitjahr einen Gewinn in Höhe von 0 € erzielte und das FA die Steuer auf 0 € festsetzte, liegt die für die Zulässigkeit erforderliche Beschwer nicht vor.
 

1.2.Sonstiges

Verminderung des Anteils am Vermögen einer KG
Eine Anteilsminderung i. S. des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG liegt vor, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand gemindert wird. Das kann durch Veräußerung des Gesellschaftsanteils selbst bewirkt werden oder auch durch anderweitige Vereinbarungen erfolgen, wenn es dadurch bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am Gesamthandsvermögen wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils und somit an der Teilhabe am Wert des eingebrachten Grundstücks kommt.

BFH v. 12.01.2022, II R 4/20

Hinweis
Gem. § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG in der bis zum 30.06.2021 geltenden Fassung ist § 6 Abs. 1 S. 1 GrEStG insoweit nicht entsprechend anzuwenden, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthand vermindert, mit der Folge, dass die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer gem. § 6 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 GrEStG rückwirkend i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 S. 1 Alt. 1 AO entfallen.

Am Vermögen der Klägerin, einer KG, war Z zu 100 % beteiligt. Im Jahr 2008 erwarb die Klägerin diverse Grundstücke von insgesamt zehn KGs, deren Kommanditanteile von den leiblichen Kindern des Z gehalten wurden. Die veräußernden KGs hatten den Grundbesitz in diesem Zeitpunkt über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren gehalten. Das FA stellte fest, dieser Erwerbsvorgang sei nach § 3 Nr. 6 i. V. m. § 6 Abs. 3 GrEStG steuerfrei. Z veräußerte in 2008 94 % seiner Kommanditanteile an der Klägerin mit sofortiger Wirkung an E. Außerdem unterbreitete Z am selben Tag D ein bis zum 30.06.2014 für Z unwiderrufliches notariell beurkundetes Angebot auf Abschluss eines Kauf- und Abtretungsvertrags über den ihm verbliebenen Kommanditanteil von 6 %. Z trat seine Gewinn- und Verlustbeteiligung für die bei ihm verbliebenen 6 % bis zum 31.12.2013 an E ab. Nach einer Betriebsprüfung kam das FA zu dem Ergebnis, dass die Steuervergünstigung gem. § 6 Abs. 3 S,. 2 GrEStG vollumfänglich rückwirkend zu versagen sei. Es erließ einen entsprechend geänderten Feststellungsbescheid gegenüber der Klägerin und wies den dagegen gerichteten Einspruch als unbegründet zurück.

Der BFH hat entschieden, dass eine Anteilsminderung i. S. d. § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG vorliegt, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand gemindert wird. Das kann durch Veräußerung des Gesellschaftsanteils selbst bewirkt werden oder auch durch anderweitige Vereinbarungen erfolgen, wenn es dadurch bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am Gesamthandsvermögen wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils und somit an der Teilhabe am Wert des eingebrachten Grundstücks kommt.

Anders als vom FG entschieden ist die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 GrEStG nicht vollständig, sondern nur i. H. von 94 % der Bemessungsgrundlage des streitgegenständlichen Erwerbs rückwirkend nicht zu gewähren. Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird nach § 6 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 GrEStG die Steuer nicht erhoben, soweit die Anteile der Gesamthänder am Vermögen der erwerbenden Gesamthand ihren Anteilen am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen. Als „Anteil am Vermögen der Gesamthand“ i. S. der §§ 5 und 6 GrEStG ist die wertmäßige Beteiligung des einzelnen Gesamthänders am Gesamthandsvermögen anzusehen. Eine Anteilsminderung i. S. d. § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG liegt vor, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand gemindert wird. Das kann durch Veräußerung des Gesellschaftsanteils selbst bewirkt werden. Die Anteilsminderung kann aber auch durch anderweitige Vereinbarungen erfolgen, wenn es dadurch bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am Gesamthandsvermögen wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils und somit an der Teilhabe am Wert des eingebrachten Grundstücks kommt. Die Fünfjahresfrist nach § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG in der im Streitfall noch anwendbaren Fassung beginnt mit der Verwirklichung des begünstigten Erwerbsvorgangs, unabhängig von der Haltedauer der übertragenden Gesamthand oder deren Gesellschaftern. Über eine personenbezogene Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 oder Nr. 6 GrEStG wird lediglich das Tatbestandsmerkmal „Gesamthänder“ ersetzt. Die übrigen Voraussetzungen der Begünstigung, insbesondere die Haltefrist von fünf Jahren, sind auch von den in gerader Linie verwandten oder beschenkten Personen einzuhalten. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Unrecht entschieden, dass die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG in vollem Umfang weggefallen sei.

Die vom FG festgestellten Tatsachen tragen nicht die Schlussfolgerung, Z habe durch die Vereinbarungen mit D und E auch über seine restliche Beteiligung i. H. von 6 % verfügt, so dass auch insoweit sein Anteil am Gesamthandsvermögen i. S. d. § 6 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 GrEStG vermindert sei. Hingegen ist die Steuervergünstigung durch die Veräußerung an E zu 94 % rückwirkend entfallen. In diesem Umfang wurde der Anteil des Z am Gesellschaftsvermögen der Klägerin vermindert. Der Zeitpunkt der Weiterveräußerung lag innerhalb der Haltefrist. In diese Frist ist die vorherige Beteiligung der Kinder des Z nicht einzurechnen.
 

2.Verwaltungsanweisungen

2.1.Einkommensteuer

Zweifelsfragen zu Investitionsabzugsbeträgen
Mit BMF-Schreiben v. 15.06.2022 hat die Finanzverwaltung zur Anwendung von § 7g Abs. 1 - 4 u. 7 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2020 v. 21.12.2020, BGBl I S. 3096 Stellung genommen.

BMF v. 15.06.2022

Hinweis
Das Schreiben ist wie folgt gegliedert:
  • Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen (§ 7g Abs. 1 EStG)
  • Hinzurechnung von Investitionsabzugsbeträgen bei Durchführung begünstigter Investitionen und gleichzeitige gewinnmindernde Herabsetzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 7g Abs. 2 EStG)
  • Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen (§ 7g Abs. 3 EStG)
  • Nichteinhaltung der Verbleibens- und Nutzungsfristen (§ 7g Abs. 4 EStG)
  • Buchtechnische und verfahrensrechtliche Grundlagen
  • Auswirkungen auf andere Besteuerungsgrundlagen
  • Zeitliche Anwendung
 
Einzelfragen zur Abgeltungsteuer
Das BMF hat zur Abwicklung von diversen Kapitalmaßnahmen (Kapitalmaßnahme Hewlett-Packard Company (USA) im Jahr 2015, Kapitalmaßnahme eBay Inc. (USA) im Jahr 2015 sowie Kapitalmaßnahme Kraft Foods Inc. (USA) im Jahr 2012) Stellung genommen.

BMF v. 15.06.2022

Hinweis
In seinen Urteilen v. 01.07.2021, VIII R 9/19, VIII R 28/19, VIII R 6/20, VIII R 19/20 u. VIII R 27/20 (Kapitalmaßnahme Hewlett-Packard Company - USA), dem Urteil v. 01.07.2021, VIII R 15/20 (Kapitalmaßnahme eBay Inc. - USA) sowie dem Urteil v. 19.10.2021, VIII R 7/20 (Kapitalmaßnahme Kraft Foods Inc. – USA) legt der BFH den Begriff der „Abspaltung“ im Sinne des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG typusorientiert aus. Danach ist in Drittstaatenfällen ein gesetzlicher Vermögensübergang durch partielle Gesamtrechtsnachfolge nicht erforderlich. Entscheidend sei bei einer „Abspaltung“ im Sinne des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG, dass die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen „zeitlichen und sachlichen Zusammenhang“ mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt.

Nach den Feststellungen des BFH liegen für die oben genannten Kapitalmaßnahmen die Voraussetzungen für eine „Abspaltung“ im Sinne des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG vor. Hiernach ist § 20 Abs. 4a S. 1 u. 2 EStG entsprechend anzuwenden. Dabei treten die übernommenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile. Da die „alten“ Anteile im Falle einer Abspaltung - anders als bspw. bei einem Anteilstausch im Rahmen einer Verschmelzung - nicht untergehen, sind die ursprünglichen Anschaffungskosten auf die „alten“ und „jungen“ Anteile aufzuteilen. Hierbei ist grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Abspaltung abzustellen. Es bestehen keine Bedenken, die Aufteilung der Anschaffungskosten im Verhältnis der jeweiligen Schlusskurse der „alten“ und „jungen“ Anteile am ersten Handelstag nach der Abspaltung vorzunehmen. Ein möglicher Bestandsschutz der „alten“ Anteile, die vor dem 01.01.2009 erworben wurden, geht auf die „jungen“ Anteile über. Die depotführenden Stellen buchten für die „jungen“ Anteile die Anschaffungskosten in Höhe des Börsenkurses am ersten Handelstag ein. Außerdem wurde in gleicher Höhe ein steuerpflichtiger Kapitalertrag abgerechnet.

Die Urteilsgrundsätze des BFH sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden und führen zu einer Minderung des bisher angesetzten steuerpflichtigen Kapitalertrags. Von Seiten der depotführenden Stellen ist in diesem Zusammenhang nichts Weiteres zu veranlassen. Insbesondere erfolgt weder bei den „alten“ noch bei den „jungen“ Anteilen eine Korrektur der Anschaffungsdaten. § 43a Abs. 3 S. 7 u. § 20 Abs. 3a EStG sind nicht anzuwenden. Die Folgewirkungen der vorstehenden BFH-Rechtsprechung sind ausschließlich im Rahmen der Veranlagung der betroffenen Anleger zu beachten. Die Prüfung und ggf. Erstattung der anlässlich der Kapitalmaßnahme einbehaltenen Kapitalertragsteuer erfolgt gem. § 32d Abs. 4 u. 6 EStG im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung durch das zuständige Wohnsitzfinanzamt, sofern der Einkommensteuerbescheid des betreffenden Veranlagungszeitraums noch nicht bestandskräftig geworden ist. Bei einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid kann eine Erstattung der Kapitalertragsteuer nicht mehr erfolgen.

Neueste Einträge