Rechtsprechung KW 08 - 2022

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Zulässigkeit der im Fall einer Zusammenveranlagung nur von einem Ehegatten erhobenen Klage
Erhebt im Falle einer Zusammenveranlagung nur ein Ehegatte Klage gegen den Einkommensteuerbescheid und wird der Bescheid gegenüber dem anderen Ehegatten bestandskräftig, kann dem klagenden Ehegatten nicht allein deswegen die Klagebefugnis und das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden, weil die festgesetzte Steuer schon entrichtet ist und ein Aufteilungsbescheid gemäß § 269 Abs. 2 S. 2 AO nicht mehr beantragt werden kann.

BFH v. 14.12.2021, VIII R 16/20

Hinweis
Nach § 120 Abs. 1 S. 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich beim BFH einzulegen. Die Frist beginnt nach § 54 Abs. 1 FGO mit der Bekanntgabe der Entscheidung oder dem Zeitpunkt, an dem die Bekanntgabe als bewirkt gilt.

Der Kläger ist Steuerberater und erzielte in den Streitjahren neben Einkünften aus selbständiger Arbeit u. a. Einkünfte aus Kapitalvermögen. Seine mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Gegen die für die Streitjahre vom FA erlassenen Einkommensteuerbescheide legten der Kläger und seine Ehefrau Einsprüche ein. Sie begehrten u. a. eine Herabsetzung der vom FA bei der Besteuerung zugrunde gelegten Einkünfte aus Kapitalvermögen des Klägers um Auszahlungen ausländischer Kapitalgesellschaften, bei denen es sich nach ihrer Auffassung um eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr handelte. Nachdem das FA aus hier nicht streitbefangenen Gründen mehrere Teilabhilfebescheide erlassen hatte, wies es die Einsprüche des Klägers und seiner Ehefrau mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger und seiner Ehefrau bekannt gegeben. Der durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger erhob daraufhin Klage. In der Klageschrift, die mit „Klage des C (Kläger)“ überschrieben war, führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, „namens und in Vollmacht des Klägers“ werde „gegen die Einspruchsentscheidung“ Klage erhoben. Auf entsprechende Nachfrage des Berichterstatters erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber dem Finanzgericht, die Klage werde ausschließlich von dem Kläger geführt, da die Streitsache nur dessen Einkünfte, nicht dagegen die Einkünfte seiner Ehefrau betreffe. Das FG wies die Klage daraufhin mit Gerichtsbescheid als unzulässig ab. Die Zustellung des Gerichtsbescheids erfolgte durch Einwurf in den Kanzleibriefkasten des Prozessbevollmächtigten. Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil abgewiesen. Unter Berücksichtigung effektiven Rechtsschutzes sei in den Fällen der Zusammenveranlagung die Klagebefugnis eines Ehegatten auch dann zu bejahen, wenn der Bescheid gegenüber dem anderen Ehegatten, der kein Rechtsmittel eingelegt habe, bestandskräftig geworden und die festgesetzte Einkommensteuer bereits entrichtet sei.

Der BFH hat entschieden, dass dem klagenden Ehegatten nicht allein deswegen die Klagebefugnis und das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden kann, weil die festgesetzte Steuer schon entrichtet ist und ein Aufteilungsbescheid gem. § 269 Abs. 2 S. 2 AO nicht mehr beantragt werden kann.

Werden Steuerpflichtige zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, sind sie nach § 44 Abs. 1 S. 1 AO Gesamtschuldner. Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, kann gegen sie gem. § 155 Abs. 3 S. 1 AO ein zusammengefasster Steuerbescheid erlassen werden.

Ein in der Form des § 155 Abs. 3 S. 1 AO ergangener Zusammenveranlagungsbescheid enthält jedoch zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbständige, nur der äußeren Form nach zusammengefasste Steuerverwaltungsakte, die ein unterschiedliches verfahrensrechtliches Schicksal haben können. Aus der Eigenständigkeit jedes einzelnen Ehegatten in verfahrensrechtlicher Hinsicht folgt, dass ein von dem einen Ehegatten eingelegter Rechtsbehelf nicht ohne weiteres die Wirkung eines auch von dem anderen Ehegatten eingelegten Rechtsbehelfs hat. Nach diesen Grundsätzen ist die Auslegung des FG, die Klage sei von dem Kläger nur im eigenen Namen und nicht zugleich im Namen seiner Ehefrau erhoben worden, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Jedoch hat das FG zu Unrecht entschieden, die gegenüber der Ehefrau bestandskräftig gewordene Einkommensteuerfestsetzung habe zur Folge, dass der Kläger in Bezug auf die ihm gegenüber ergangenen Einkommensteuerfestsetzungen nicht mehr klagebefugt sei. Zu Unrecht hat das FG die Zulässigkeit der Klage auch deswegen verneint, weil der Kläger durch ein Obsiegen in der Hauptsache keine Verbesserung seiner Rechtsposition mehr erreichen könne und ihm daher das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehle.
 

1.2.Einkommensteuer

Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG bei Darlehensgewährung an eine Personengesellschaft
Ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Bst. a EStG des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Personengesellschaft ist zu bejahen, wenn der Gläubiger eine Beteiligung innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Anteile an der Personengesellschaft zwar von einer rechtsfähigen Stiftung gehalten werden, der Gläubiger jedoch aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der Stiftung mittelbar in der Lage ist, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen.

BFH v. 28.03.2021, VIII R 12/19

Hinweis
Gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Bst. a EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG u.a. nicht für Kapitaleinkünfte i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen sind, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 S. 1 Hs. 2 EStG keine Anwendung findet.

Die Beteiligten streiten darüber, ob Darlehenszinsen, die den Klägern im Streitjahr zugeflossen sind, der Besteuerung mit dem gesonderten Tarif gem. § 32d Abs. 1 EStG unterliegen.

Die Kläger sind verheiratet und werden für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie waren zunächst jeweils zur Hälfte als Kommanditisten an der N-GmbH & Co. KG (N-KG) beteiligt. Komplementärin der N-KG mit der Befugnis zur Geschäftsführung, aber ohne Kapitalanteil und Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, war die N-GmbH, an der die Kläger ebenfalls zunächst jeweils zur Hälfte beteiligt waren. Die Kläger waren einzeln zur Vertretung und Geschäftsführung der N-GmbH befugt. Die Kläger waren zudem Kommanditisten bei der X-GmbH & Co. KG (X-KG), die der N-KG zuvor ein Betriebsgrundstück überlassen hatte. Komplementärin war die X-GmbH. Die Kläger waren sowohl an der X-KG als auch an der X-GmbH jeweils zur Hälfte beteiligt. Mit Wirkung zum 01.07.2014 übertrugen die Kläger ihre Anteile an der N-KG und an der N-GmbH auf die von ihnen errichtete O-Familienstiftung (Stiftung), deren Zweck darin bestand, dem Wohle der Familie der Stifter zu dienen. Alleiniges Stiftungsorgan war der aus drei Personen bestehende Vorstand. Die Kläger waren Vorstandsmitglieder auf Lebenszeit. Sie benannten nach der Stiftungssatzung einvernehmlich das weitere Mitglied des Vorstands. Für die Stiftung vertretungsberechtigt war der Vorsitzende des Vorstands bzw. sein Stellvertreter, jeweils gemeinsam mit einem weiteren Mitglied.

Solange einer der Stifter Mitglied des Vorstands war, konnte er die Stiftung allein vertreten. Auch die Gesellschafterrechte der Stiftung wurden vom Vorstandsvorsitzenden bzw. seinem Stellvertreter wahrgenommen. Er vertrat die Stiftung insbesondere in den Gesellschafterversammlungen. Beschlussfassungen des Vorstands erfolgten mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit entschied die Stimme des Vorstandsvorsitzenden bzw. die seines Stellvertreters. Der Kläger und die Klägerin gewährten der N-KG unabhängig voneinander Darlehen, die auf jeweils getrennt geführten Darlehenskonten der N-KG verbucht wurden. Der positive Saldo der jeweiligen Darlehenskonten wurde in den Jahren 2014 und 2015 mit 6 % und im Streitjahr mit 3 % über dem Basiszinssatz verzinst. Nach Übertragung der Kommanditanteile der Kläger auf die Stiftung wurden die Darlehen als sonstige Verbindlichkeiten der N-KG weitergeführt. Das FA legte diese Zinseinnahmen der Kläger zunächst erklärungsgemäß als dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegende Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Besteuerung zugrunde. Später erließ das FA einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es die Zinseinkünfte der Kläger unter Verweis auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Bst. a EStG der Besteuerung mit dem tariflichen Einkommensteuersatz unterwarf.

Der BFH hat entschieden, dass ein Näheverhältnis i.S. d, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Bst. a EStG des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Personengesellschaft ist zu bejahen, wenn der Gläubiger eine Beteiligung innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Anteile an der Personengesellschaft zwar von einer rechtsfähigen Stiftung gehalten werden, der Gläubiger jedoch aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der Stiftung mittelbar in der Lage ist, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen.

Bei dem Begriff der nahestehenden Person i. S. d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Bst. a EStG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der normspezifisch für Zwecke des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG auszulegen ist. Hierunter können alle natürlichen und juristischen Personen fallen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Eine solche enge Beziehung hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung im Verhältnis natürlicher Personen zueinander bejaht, wenn die nahestehende Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Das Beherrschungsverhältnis muss so beschaffen sein, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses für den Abschluss des Darlehens im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes, persönliches Näheverhältnis ist nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S. d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Bst. a EStG zu begründen. Bei einer Personengesellschaft kann ein Gesellschafter einen beherrschenden Einfluss aufgrund seiner Beteiligung grundsätzlich nur dann ausüben, wenn für Gesellschafterbeschlüsse ein Stimmrechtsverhältnis vereinbart ist, das es dem betreffenden Gesellschafter ermöglicht, seine Mitgesellschafter zu überstimmen. Bei Anwendung dieses Maßstabs ist das FG zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass zwischen den Klägern als Darlehensgebern und der N-KG als Darlehensnehmerin kein solches Beherrschungsverhältnis bestand. Eine Beherrschung der N-KG aufgrund einer Gesellschafterstellung der Kläger scheidet bereits deswegen aus, weil die Kläger im Zuflusszeitpunkt nicht mehr an der N-KG beteiligt waren.  Die Kläger beherrschten die N-KG auch nicht mittelbar über die von ihnen errichtete Stiftung. Zwar hatte die Stiftung aufgrund ihrer Stellung als alleinige Kommanditistin einen beherrschenden Einfluss in der N-KG. Jedoch waren, worauf das FG zutreffend abgestellt hat, weder der Kläger noch die Klägerin jeweils für sich betrachtet in der Lage, die Einflussmöglichkeiten, die der Stiftung auf Ebene der N-KG zustanden, mittelbar zu beherrschen.
 

2.Verwaltungsanweisungen

2.1.Bilanzsteuerrecht

Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und- verarbeitung
Das BMF hat das Schreiben zur Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung überarbeitet.

BMF v. 26.02.2022

Mit o.g. BMF-Schreiben hat die Finanzverwaltung sein bisheriges Schreiben wie folgt konkretisiert:
Die betroffenen Wirtschaftsgüter unterliegen auch weiterhin § 7 Abs. 1 EStG. Die Möglichkeit, eine kürzere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zugrunde zu legen, stellt
  • keine besondere Form der Abschreibung,
  • keine neue Abschreibungsmethode und
  • keine Sofortabschreibung dar.
Die Anwendung der kürzeren Nutzungsdauer stellt zudem auch kein Wahlrecht im Sinne des § 5 Abs. 1 EStG dar.
Auch bei einer grundsätzlich anzunehmenden Nutzungsdauer von einem Jahr gilt, dass
  • die Abschreibung im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung, mithin bei Fertigstellung, beginnt,
  • die Wirtschaftsgüter in das nach R 5.4 EStR 2012 zu führende Bestandsverzeichnis aufzunehmen sind,
  • der Steuerpflichtige von dieser Annahme auch abweichen kann,
  • die Anwendung anderer Abschreibungsmethoden grundsätzlich möglich ist.
Die Regelung findet gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 S. 1 EStG auch für Überschusseinkünfte Anwendung.
Es wird nicht beanstandet, wenn abweichend zu § 7 Abs. 1 S. 4 EStG die Abschreibung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Hohe vorgenommen wird.
 
 
 
 

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