Rechtsprechung KW 07 - 2022

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Rückwirkendes Ereignis beim Realsplitting
Die Stellung des Antrags auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2007 durch den Geber samt Einreichung der Zustimmungserklärung des Empfängers ist bereits das rückwirkende Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2 AO, das zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung des Empfängers der Unterhaltsleistung nach § 22 Nr. 1a EStG 2007 führt. Auf die tatsächliche Anerkennung der Leistungen als Sonderausgaben beim Geber kommt es nicht an.

BFH v. 28.07.2021, X R 15/19

Hinweis
Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis), § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1a EStG bei der Ehefrau, der Klägerin: Die Klägerin wurde im September 2007 von ihrem Ehemann (E) geschieden. In einem zivilrechtlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen verpflichtete sich E zur Zahlung eines Abgeltungsbetrags in Höhe von 10.000 € an die Klägerin. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 gab sie keine Unterhaltsleistungen i. S. d. § 22 Nr. 1a EStG an. E reichte die Anlage U zur Einkommensteuererklärung, die auch die Zustimmung der Klägerin zum Antrag auf Abzug von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben enthielt, am 12.02.2010 bei dem für ihn zuständigen FA ein. Eine Berücksichtigung der Zahlung des Abgeltungsbetrags von 10.000 € als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG war zunächst umstritten. Die Zahlung wurde letztendlich mit Änderungsbescheid vom 15.09.2015 als abziehbare Unterhaltsleistung anerkannt. Anschließend änderte das FA mit Bescheid vom 26.11.2015 die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin für das Streitjahr 2007 gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO und berücksichtigte die Zahlung als Unterhaltsleistung nach § 22 Nr. 1a EStG. Einspruch und Klage der Klägerin, die sowohl auf eine Feststellung der Nichtigkeit als auch auf die Aufhebung dieses Bescheids gerichtet waren, blieben erfolglos.

Der BFH hat entschieden, dass die Stellung des Antrags auf Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch den Geber samt Einreichung der Zustimmungserklärung des Empfängers bereits das rückwirkende Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 AO ist, das zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung des Empfängers der Unterhaltszahlung nach § 22 Nr. 1a EStG führt. Auf die tatsächliche Anerkennung der Leistungen als Sonderausgaben beim Geber kommt es nicht an.

Maßgebendes rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2 AO ist im Streitfall die Stellung des Antrags auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen durch E samt Einreichung der Zustimmungserklärung der Klägerin beim FA am 12.02.2010. Auf die spätere Anerkennung der Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben im Änderungsbescheid des E v. 15.09.2015 kommt es nicht an. Damit ist bereits mit der Einreichung der Einkommensteuererklärung des E samt Anlage U und Zustimmung der Klägerin am 12.02.2010 das Ereignis eingetreten, welches zur Steuerbarkeit der Unterhaltsleistungen bei der Klägerin als Unterhaltsberechtigte nach § 22 Nr. 1a EStG führte. Eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin für 2007 im Jahr 2015 scheidet aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bereits eingetretenen Festsetzungsverjährung aus.
 

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