Rechtsprechung KW 03 - 2022

 

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Fristbeginn bei einem privaten Veräußerungsgeschäft im Fall der Selbstbenennung aufgrund eines befristeten Benennungsrechts
Ist der Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Erwerberbenennungsrecht ausgestattet, kommt es zur Anschaffung i. S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG im Zeitpunkt der Selbstbenennung (Selbsteintritt), selbst wenn der Benennungsberechtigte das Grundstück mit dem späteren Fristablauf ohnehin „automatisch“ (Annahmefiktion) erworben hätte.

BFH v. 26.10.2021, IX R 12/20

Hinweis
Gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin schloss am 21.09.2000 einen notariellen Grundstückskaufvertrag, an dem das Bundesland X als „Veräußerer“, die Klägerin als „Benenner“, Herr … (E) als „Erwerber“ und zwei „weitere Beteiligte“ beteiligt waren. Danach verkauft das Bundesland X Grundstücksteilflächen an sechs Erwerber, und zwar an E und fünf weitere noch zu benennende Erwerber. Diese erwerben jeweils einen bestimmten Miteigentumsanteil am Grundstück, haben einen Teil des Grundstückskaufpreises zu tragen und verpflichten sich zur Begründung von Wohnungseigentum sowie zur Errichtung von Einfamilienreihenhäusern. § 2 des Grundstückskaufvertrags enthält folgende Regelung: „Die Benennung hat bis zum 31.06.2002 [sic!] zu erfolgen. Nach Ablauf der vorgenannten Frist gilt der Benenner als Erwerber der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benannten Miteigentumsanteile.“ Die Klägerin benannte am 20.08.2001 sich selbst und den Kläger für das Reihenmittelhaus …. Die notarielle Urkunde weist die Klägerin als „Benenner und Erwerber“ und den Kläger als „Erwerber“ aus. Den Kaufpreis in Höhe von 63.706,24 DM entrichteten die Kläger am 26.02.2002. Das von den Klägern errichtete Haus diente der Erzielung von Vermietungseinkünften. Mit notariellem Vertrag vom 25.02.2011 veräußerten die Kläger das Objekt zum Kaufpreis von 190.000 €. Streitig ist der Fristbeginn nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, wenn der Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Benennungsrecht ausgestattet ist und der Steuerpflichtige sich vor Ablauf der Benennungsfrist selbst als Käufer benennt.

Der BFH hat entschieden, dass es bei einem Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Erwerberbenennungsrecht im Zeitpunkt der Selbstbenennung (Selbsteintritt) zu einer Anschaffung kommt. Dies gilt selbst dann, wenn der Benennungsberechtigte das Grundstück mit dem späteren Fristablauf ohnehin „automatisch“ erworben hätte.

In dem Abschluss eines Käuferbenennungsvertrags ist noch keine Annahme des Kaufangebots zu sehen. Eine Bindung besteht zunächst nur für den Verkäufer. Mit der Benennung eines Käufers kommt es zur Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot. Dementsprechend kommt der Kaufvertrag mit dem vom Benennungsberechtigten Benannten zustande, wenn dieser das Angebot annimmt. Vorliegend ist der Kaufvertrag durch die Annahme des Kaufangebots durch den Kläger („Erwerber“) zwischen dem Bundesland X und dem Kläger wirksam zustande gekommen. Vor diesem Hintergrund hat aber auch die Klägerin das Kaufangebot des Bundeslandes X erst mit ihrer Benennung in der notariellen Urkunde am 20.08.2001 bindend angenommen. Durch die Selbstbenennung (Selbsteintritt) ist es zwar im Gegensatz zur Situation beim Kläger nicht zu einer Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot als Zwischengeschäft gekommen. Erst durch den Selbsteintritt hat sie aber die erforderliche rechtsgeschäftliche Annahmeerklärung abgegeben und damit bindend zum Ausdruck gebracht, dass sie das Angebot annehmen und das Grundstück erwerben wolle. Vorher fehlte es an der für die Fristbestimmung in § 23 EStG maßgebenden rechtlichen Bindungswirkung.

Bis zur Selbstbenennung hätte sie sich durch die einseitige Benennung eines Dritten als Erwerber einseitig von dem Kaufvertrag lösen können. Die Motive der Klägerin für ihre Selbstbenennung sind unerheblich. Dieses Ergebnis wird durch den Umstand bestätigt, dass der Kaufpreis (vertragsgemäß) erst am 26.02.2002 gezahlt worden ist. Dies verdeutlicht, dass die Beteiligten das Rechtsgeschäft erst weit nach dem Grundstückskaufvertrag vom 21.09.2000, aber in zeitlicher Nähe zum Vertrag vom 20.08.2001 vollzogen haben.


Veräußerung der Beteiligung i. S. des § 17 EStG nach Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht - Wertzuwachs vor Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht (Zuzugsfall) - Niederländische Kapitalgesellschaft (B.V.)
Der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG entstandene Vermögenszuwachs hat nicht i. S. von § 17 Abs. 2 S. 3 EStG aufgrund gesetzlicher Bestimmungen des Wegzugsstaats im Wegzugsstaat einer der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen, wenn dort keine Steuer festgesetzt worden ist.

BFH v. 26.10.2021, IX R 13/20

Hinweis
Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 Abs. 1 S. 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war. Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind Aktien, Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Genussscheine oder ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften auf solche Beteiligungen (§ 17 Abs. 1 S. 3 EStG). Veräußerungsgewinn i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 S. 1 EStG). Weist der Veräußerer nach, dass ihm die Anteile bereits im Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG zuzurechnen waren und dass der bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Vermögenszuwachs aufgrund gesetzlicher Bestimmungen des Wegzugsstaats im Wegzugsstaat einer der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen hat, tritt an die Stelle der Anschaffungskosten der Wert, den der Wegzugsstaat bei der Berechnung der der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer angesetzt hat, höchstens jedoch der gemeine Wert (§ 17 Abs. 2 S. 3 EStG). § 17 Abs. 2 S. 3 EStG ist in den Fällen des § 6 Abs. 3 AStG nicht anzuwenden (§ 17 Abs. 2 S. 4 EStG).

Die Kläger werden im Streitjahr 2016 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist niederländischer Staatsbürger, lebte im Königreich der Niederlande (Niederlande) und gründete im Jahr 1998 eine Kapitalgesellschaft (B.V.) mit einem Stammkapital von 18.000 € mit Sitz in den Niederlanden, deren Alleingesellschafter er war. Im Jahr 2006 zog er in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und veräußerte mit Vertrag vom 04.05.2016 seine im Privatvermögen gehaltene Beteiligung an der B.V. für 1.419.956 €. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ermittelten die Kläger den Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG. Dabei wurden vom Veräußerungspreis Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2 S. 3 EStG i. H. v. 1.112.240 € abgezogen. Die Kläger führten zur Begründung aus, bei dem Betrag von 1.112.240 € handele es sich um den von den niederländischen Steuerbehörden festgestellten Wert der Beteiligung für Besteuerungszwecke in den Niederlanden. Mit den niederländischen Steuerbehörden habe es Streit über den Status der inaktiven Gesellschaft gegeben. Nach Art. 13 Abs. 6 DBA BRD-NL hätte der Besteuerungswert bei Wegzug in einem Steuerbescheid (sog. Konservierungsbescheid) festgestellt und die darauf entfallende Steuer festgesetzt werden müssen. Es wäre jedoch nicht zu einer sofortigen Besteuerung, sondern zu einer Stundung der Steuer gekommen, und nach Ablauf von zehn Jahren hätte die Steuer erlassen werden können. Dieses Verfahren und insbesondere die Festsetzung in einem Konservierungsbescheid seien durch ein Versehen der niederländischen Steuerbehörden unterblieben. Im Streitjahr habe man sich dahin geeinigt, dass die niederländische Finanzverwaltung den Kläger so behandele, als ob der Konservierungsbescheid ergangen wäre.

Die niederländische Steuerbehörde habe deshalb bescheinigt, dass die Gesellschaft bei Wegzug mit einem Wert von 1.112.240 € der Besteuerung unterlegen habe. Die Kläger verweisen dazu auf ein auf den 28.12.2015 datiertes Schreiben der niederländischen Finanzbehörden, worin der Vortrag des Klägers bestätigt wurde. Das FA setzte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr als Anschaffungskosten insoweit lediglich das Stammkapital an und ermittelte unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 773.626 €. Es führte zur Begründung an, Voraussetzung für die Anwendung des § 17 Abs. 2 S. 3 EStG sei die tatsächliche Steuerzahlung. Zwar habe die niederländische Steuerbehörde den Wert der Beteiligung festgestellt; sie habe auf diesen aber weder Steuern festgesetzt noch erhoben.

Der BFH hat entschieden, dass der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG entstandene Vermögenszuwachs nicht i. S. v. § 17 Abs. 2 S. 3 EStG aufgrund gesetzlicher Bestimmungen des Wegzugsstaats im Wegzugsstaat einer der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterliegt, wenn dort keine Steuer festgesetzt worden ist.

Der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht entstandene Wertzuwachs der Beteiligung hat in den Niederlanden aber nicht einer der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen. Anders als das FG und das FA meinen, spricht der Wortlaut „unterlegen“ im Ausgangspunkt gegen die Auslegung, dass die Steuer festgesetzt und tatsächlich bezahlt worden sein muss. Dieser Begriff ist nicht in dem Sinne eindeutig, dass der Gesetzestext es von vornherein ermöglicht, auf die dem Kläger gegenüber festgesetzte und von ihm entrichtete Steuer abzustellen. Denn der Gesetzgeber verwendet ihn z. B. in § 1 Abs. 3 S. 2 EStG, in § 1 Abs. 1 ErbStG in § 1 Abs. 1 UStG zweifelsfrei in dem Sinne, dass hiermit die nach dem Gesetz zu besteuernden („steuerbaren“) und nicht (nur) die tatsächlich besteuerten Vorgänge bezeichnet werden. Da im Rahmen der Rechtsfolge des § 17 Abs. 2 S. 3 EStG (Anknüpfung an den „Entstrickungswert“) jedoch maßgebend eine „Berechnung“ der der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer vorausgesetzt wird, tritt insoweit eine Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals „einer … Steuer unterlegen hat“ in dem Sinne ein, dass zumindest ein Steuerbescheid des Wegzugsstaats mit Berechnung und Festsetzung der Steuer ergangen sein muss.

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