Auswertung Aufsätze 11 - 2021

1.Verfahrensrecht

1.1.DStR

Lässt § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 AO eine Änderung bei einer Tatsache mit gegenläufiger Auswirkung zu? - Anmerkung zum BFH-Urteil v. 10.09.2020 – IV R 6/18, DStR 2021, 31
Dinger, DStR 47/2021, S. 2.713

Anmerkung
Mit Urteil v. 10.09.2020, IV R 6/18 hat der BFH zur Unbeachtlichkeit des Verschuldens bei Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheids nach § 181 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO entschieden.

§ 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 AO ist gem. § 181 Abs. 1 S. 1 AO sinngemäß auf einen Gewinnfeststellungsbescheid für eine Personengesellschaft auch dann anzuwenden, wenn sich eine gegenläufige Änderung (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) aus einem anderen Bescheid (z. B. dem Einkommensteuerbescheid für einen feststellungsbeteiligten Gesellschafter) ergibt.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Nach Satz 2 der Vorschrift ist das Verschulden unbeachtlich, wenn die Tatsachen in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen i. S. v. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO - also mit nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen, die zu einer höheren Steuer führen - stehen. § 173 Abs. 1 AO ist sinngemäß auch auf Feststellungsbescheide anzuwenden (§ 181 Abs. 1 S. 1 AO). Unter den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 AO kommt es auch bei Änderungen aufgrund der Auswertung von Gewinnfeststellungsbescheiden auf ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von „steuermindernden“ Tatsachen i. S. v. § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AO nicht an.
 

2.Umsatzsteuer

2.1.DStR

Die umsatzsteuerliche Behandlung von Sachspenden an gemeinnützige Organisationen im Lichte der BMF-Schreiben v. 18.03.2021 - Einordnung und kritische Würdigung
Meyering, Hintzen, Keitel, DStR 45/2021, S. 2.614

Anmerkung
Mit dem BMF-Schreiben v. 18.03.2021, BStBl. 2021 I, S. 734 hat das BMF zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Sachspenden Stellung genommen.

Eine Sachspende aus dem Unternehmensvermögen stellt eine unentgeltliche Zuwendung dar, die einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt ist. Sachspenden unterliegen als sog. „unentgeltliche Wertabgabe“ nach § 3 Abs. 1b UStG der Umsatzsteuer, sofern der (später gespendete) Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Die Umsatzbesteuerung dient der Kompensation des vorangegangenen Vorsteuerabzugs und verhindert einen systemwidrigen unversteuerten Letztverbrauch. Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie sieht keine Möglichkeit vor, bei Sachspenden aus einem Unternehmensvermögen aus Billigkeitsgründen abweichend von diesen Grundsätzen auf eine Umsatzbesteuerung zu verzichten.

Die Bemessungsgrundlage einer Sachspende bestimmt sich nicht nach den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sondern nach dem fiktiven Einkaufspreis im Zeitpunkt der Spende. Das gilt auch für im Unternehmen selbst hergestellte Gegenstände (Abschn. 10.6 Abs. 1 S. 3 UStAE).
 
Das BMF hat Sonderregelungen für die umsatzsteuerliche Behandlung von Sachspenden geschaffen.

Abschnitt 10.6 UStAE wurde um einen Abs. 1a ergänzt, welcher die Reduzierung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage bei Sachspenden auf 0 € vorsieht, wenn Gegenstände im Zeitpunkt der (unentgeltlichen) Abgabe aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt verkehrsfähig sind. Dies ist nach Auffassung der Finanzverwaltung der Fall bei Lebensmitteln, die kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen oder deren Verkehrsfähigkeit als Frischware (bspw. Obst und Gemüse) wegen Mängeln nicht mehr gegeben ist, gelte aber auch für Non-Food-Artikel mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum (bspw. Drogerieartikel), Blumen und andere verderbliche Waren.

Danach wird bei Waren, die von Einzelhändlern, die durch die Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffen sind, an steuerbegünstigte Organisationen gespendet werden, auf die Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe verzichtet. Diese Regelung gilt nur für Spenden zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.12.2021.
 

3.Einkommensteuer

3.1.NWB

AfA bei Wirtschaftsgebäuden: Abgrenzung von Leichtbau- und Massivbauweise - Steuerrechtlich maßgebliche Kriterien der Gebäudequalifizierung
Urban, NWB 44/2021, S. 3.256

Anmerkung
Bei Gebäuden ist die AfA grds. mit den gesetzlich vorgegeben Prozentsätzen gem. § 7 Abs. 4 S. 1 EStG vorzunehmen. Beträgt die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes in den Fällen des S. 1 Nr. 1 weniger als 33 Jahre, in den Fällen des S. 1 Nr. 2 Bst. a weniger als 50 Jahre, in den Fällen des S. 1 Nr. 2 Bst. b weniger als 40 Jahre, so können anstelle der Absetzungen nach Satz 1 die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechenden Absetzungen für Abnutzung vorgenommen werden.

Problematisch ist die Abgrenzung zwischen Leicht- und Massivbauweise aufgrund der mangelhaften Begriffsbestimmungen der AfA-Tabellen. Unmittelbar aus den Definitionen ist abzuleiten, dass ein Leichtbau nicht nur Bauteile geringen Gewichts, sondern auch von einfacher Qualität und Bauausführung erfordert. Zweischalige wärmegedämmte Vorsatzwände oder Dacheindeckungen aus Metall gehören nach Auffassung des Verfassers nicht dazu.

Drittaufwand im Rahmen von Vermietungseinkünften - Differenzierung zwischen abgekürztem Vertragsweg und abgekürztem Zahlungsweg
Nacke, NWB 44/2021, S. 3.250
Anmerkung
Drittaufwand liegt vor, wenn ein Dritter die durch die Einkunftserzielung des Steuerpflichtigen veranlassten Kosten trägt.
Abkürzung des Zahlungswegs
Übernimmt der Dritte im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen die Zahlung auf die Schuld des Steuerpflichtigen, statt ihm den Geldbetrag unmittelbar zu geben (= Zahlung des Dritten auf die Schuld des Steuerpflichtigen), spricht die Rechtsprechung von einer Abkürzung des Zahlungswegs. Dies führt dazu, dass der Steuerpflichtige den Aufwandstatbestand erfüllt.
Abkürzung des Vertragswegs
In diesem Fall schließt der Dritte im eigenen Namen für den Steuerpflichtigen einen Vertrag und leistet auch selbst die geschuldeten Zahlungen. Wie bei der Abkürzung des Zahlungswegs bezwecken Vertrag und Leistung eine Zuwendung an den Steuerpflichtigen. In der Rechtsprechung des BFH und in der Literatur herrscht die Auffassung vor, dass in Fällen eines Dauerschuldverhältnisses (hierzu gehören Darlehensverträge) grundsätzlich kein anzuerkennender abgekürzter Vertragsweg angenommen werden kann. Die Schuldzinsen können jedoch abgezogen werden, wenn der Eigentümerehegatte sie aus eigenen Mitteln bezahlt, z. B. wenn er seine Mieteinnahmen mit der Maßgabe auf das Konto des anderen Ehegatten überweist, dass dieser daraus die Schuldzinsen entrichten soll. Eine weitere Ausnahme besteht dann, wenn der Steuerpflichtige im Wege des Schuldbeitritts die gesamtschuldnerische persönliche Mithaftung für das Darlehen des Nichteigentümerehegatten, das der Finanzierung der Vermietungsimmobilie des Steuerpflichtigen dient, zeitlich später übernimmt.

Kleine Photovoltaikanlagen und vergleichbare BHKW – Update zur fehlenden Gewinnerzielungsabsicht - BMF weitet Vereinfachungsregelung aus
Gragert, NWB 45/2021, S. 3.312

Anmerkung
Das BMF hat mit Schreiben v. 29.10.2021 die Vereinfachungsregelung für kleine PV-Anlagen (bis 10,0 KW/kWp) überarbeitet.

Eine Photovoltaikanlage (bis 10,0 kW/kWp installierte Leistung) oder ein BHKW (bis 2,5 kW elektrische Leistung) ist begünstigt, wenn sie/es nach dem 31.12.2003 oder vor mehr als 20 Jahren (sog. ausgeförderte Anlage) in Betrieb genommen wurde. Der erzeugte Strom darf nur zu eigenen Wohnzwecken genutzt oder in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden. Schädlich ist eine Nutzung des Stroms durch einen Mieter oder zu eigenbetrieblichen Zwecken.

Auch Anlagen, die sich auf Mehrfamilienhäusern befinden, können damit nunmehr begünstigt sein, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Auch für Anlagen, die im Eigentum eines Mieters (= nicht des Grundstückseigentümers) stehen, kann die Vereinfachungsregelung in Anspruch genommen werden.

Bei den ausgeförderten Anlagen kann frühestens nach 20 Jahren Betriebsdauer zur Liebhaberei übergangen werden, und zwar ab dem Veranlagungszeitraum, der auf den Veranlagungszeitraum folgt, in dem letztmalig die garantierte (= hohe) Einspeisevergütung gewährt wurde. Die stillen Reserven sind mit 0 € zu bewerten.

Versteuerung von Corona-Hilfen in Einzelfällen - Vermehrt Einsprüche – OFD NRW reagiert mit Verfügung
Dellner, NWB 46/2021, S. 3.372

Anmerkung
Die OFD NRW hat in einer Verwaltungsanweisung v. 28.06.2021 zur Versteuerung von Corona-Hilfen Stellung genommen.

Corona-Hilfen sind grundsätzlich als Betriebseinnahmen zu erfassen.

Eine Zusammenballung i. S. des § 34 Abs. 1 EStG wird häufig entfallen, wenn die Corona-Hilfen geringer sind als die entgangenen Betriebseinnahmen.

Bei der Bilanzierung kann es in extremen Fällen zur Aktivierung und Versteuerung kommen, bevor die Hilfen nach längerer Bearbeitung endlich ausgezahlt werden. Dies kann nach Ansicht des Verfassers durch eine Stundung abgefedert werden, für die man eine Zinslosigkeit analog zu § 111 Abs. 4 u. Abs. 6 EStG beantragen sollte.

Nacherklärte Kapitaleinkünfte als neue Tatsachen im Rahmen einer Günstigerprüfung - BFH-Rechtsprechung zur Änderungsmöglichkeit von bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden
Rukaber, NWB 47/2021, S. 3.444

Anmerkung
Im Rahmen der Veranlagung wird durch das Finanzamt auf Antrag überprüft, ob die Besteuerung der Kapitaleinkünfte mit dem Steuersatz von 25 % oder mit dem individuellen tariflichen Steuersatz des Steuerpflichtigen insgesamt günstiger ist. Der Antrag kann für den jeweiligen Veranlagungszeitraum nur einheitlich für sämtliche Kapitalerträge gestellt werden. Bei dem Antrag auf Günstigerprüfung handelt es sich um ein unbefristetes Wahlrecht, das bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung ausgeübt werden kann. Die Regelung des § 32d Abs. 6 EStG selbst ist keine Rechtsgrundlage für eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung. Nach Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung ist stets eine Korrekturvorschrift erforderlich, um eine Günstigerprüfung wirksam beantragen zu können. Bei nacherklärten Kapitalerträgen und dem Antrag auf Günstigerprüfung ist es fraglich, ob § 173 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO greift, wenn diese Einkünfte mit dem niedrigeren persönlichen Steuersatz besteuert werden und Steuerabzugsbeträge in Summe zu einer Steuererstattung führen.

Mit Urteil v. 25.03.2021, VIII R 7/18 hat der BFH zur Berücksichtigung nacherklärter Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 173 Abs. 1 AO im Rahmen einer Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG entschieden.
  • In den Vergleich, ob die nachträglich bekannt gewordene Tatsache der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen zu einer höheren (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder einer niedrigeren (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO) Steuer führt, ist im Rahmen der Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG nicht nur die festgesetzte Einkommensteuer, sondern auch die durch den Abzug vom Kapitalertrag abgegoltene Einkommensteuer einzubeziehen (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2015 - VIII R 14/13, BFHE 250, 64, BStBl. II 2015, 806).
  • In einen entsprechenden Vergleich sind auch anzurechnende Abzugsbeträge einzubeziehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Einbeziehung der nacherklärten Kapitalerträge in die Veranlagung und die damit verbundene erhöhte Steuerfestsetzung nicht das Ziel des Änderungsbegehrens, sondern eine notwendige Voraussetzung für die Erstattung der inländischen Abzugsbeträge ist. Eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids kann in diesen Fällen nur nach Maßgabe des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO erfolgen.
  • In einen entsprechenden Vergleich sind auch die mit den nacherklärten Kapitalerträgen in Zusammenhang stehenden, anrechenbaren ausländischen Steuerbeträge und EU-Quellensteuern einzubeziehen, deren Anrechnung und Erstattung erreicht werden soll. Auch in diesem Fall ist die begehrte Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids nur unter den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zulässig.
 

4.Sonstiges

4.1.NWB

Verkauf eines Grundstücks unter dem Verkehrswert - Auswirkungen auf die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage
Stenert, Eisenreich, NWB 46/2021, S. 3.377

Anmerkung
Gem. § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung gilt bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).

Nach der Rechtsprechung ist der vereinbarte Wert auch dann für die Gegenleistung gem. § 8 Abs. 1 GrEStG maßgeblich, wenn die vereinbarte Gegenleistung weit unter dem Verkehrswert liegt. Dies gilt gleichermaßen für den Verkauf zwischen einer Gesellschaft und ihrem Gesellschafter. Es gilt daher der Grundsatz der Vorrangigkeit der vereinbarten Gegenleistung.

Abweichend von § 8 Abs. 1 GrEStG kommt es jedoch bei Vorliegen der in § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 4 GrEStG normierten Voraussetzungen zur Besteuerung nach den Grundbesitzwerten; der Vorrang der vereinbarten Gegenleistung entfällt. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GrEStG regelt diesbezüglich, dass der Grundbesitzwert u. a. dann maßgeblich ist, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden ist. Hiervon geht die Rechtsprechung bei lediglich symbolischen Kaufpreisen aus. Symbolisch ist nach der Rechtsprechung regelmäßig ein Kaufpreis von lediglich 1 €. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann aber selbst ein so niedriger Kaufpreis steuerlich anzuerkennen sein. Unklar bleibt jedoch, wo genau die Grenze zu ziehen ist. Gestaltungssicher ist nach der Rechtsprechung des BFH der Verkauf eines Grundstücks zum Buchwert, und zwar selbst dann, wenn dieser lediglich wenige Prozent des Verkehrswerts ausmacht. Für die Fälle, in denen der Buchwert unterschritten wird, lässt sich der Rechtsprechung jedoch keine starre Grenze zur Abgrenzung entnehmen. Zutreffend sind dabei die Ansichten in der Literatur, die einen Kaufpreis anerkennen wollen, der 10 % bis 20 % des gemeinen Werts nicht unterschreitet. Risikolos sind entsprechende Kaufpreise unterhalb des Buchwerts aber nicht.
 

 

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