Rechtsprechung KW 41 - 2021

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Keine verlängerte Erklärungsfrist nach § 149 Abs. 3 AO für Angehörige der steuerberatenden Berufe in eigenen Angelegenheiten
Es ist nicht klärungsbedürftig, dass die verlängerte Erklärungsfrist des § 149 Abs. 3 AO i. d. F. des StModernG nicht für die eigene Steuererklärung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe und seines mit ihm nach §§ 26, 26b EStG zusammenveranlagten Ehegatten gilt.

BFH v. 27.08.2021, VIII B 36/21

Sofern Personen, Gesellschaften, Verbände, Vereinigungen, Behörden oder Körperschaften i. S. d. §§ 3 und 4 StBerG mit der Erstellung der in § 149 Abs. 3 AO genannten Erklärungen beauftragt sind (beratene Fälle), sind diese Steuer- und Feststellungserklärungen - vorbehaltlich einer Vorabanforderung nach § 149 Abs. 4 AO - grundsätzlich spätestens bis zum letzten Tag des Monats Februar, in den Fällen des § 149 Abs. 2 S. 2 AO grundsätzlich bis zum 31. Juli des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres abzugeben.

Die Kläger sind Eheleute und werden für das Streitjahr (2018) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt als Rechtsanwalt und Mitglied einer Rechtsanwaltssozietät Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Nach mehrfacher Aufforderung durch das FA reichten die Kläger ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr, an der der Kläger laut Erklärung als Angehöriger der steuerberatenden Berufe und Mitglied seiner Kanzlei mitgewirkt hatte, am 29.12.2019 beim FA ein. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 10.02.2020 setzte das FA einen Verspätungszuschlag in Höhe von 125 € wegen verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung gegen die Kläger fest. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg, ebenso die nachfolgend erhobene Klage.

Der BFH hat entschieden, dass für Angehörige der steuerberatenden Berufe in eigenen Angelegenheiten keine verlängerte Erklärungsfrist gem. § 149 Abs. 3 AO gilt.

Mit Urteil vom 29.01.2003, XI R 82/00, BStBl. 2003 II, 550 hat der BFH entschieden, dass das Finanzamt nicht verpflichtet ist, einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe die Frist zur Abgabe der eigenen Steuererklärung aufgrund der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder über Steuererklärungsfristen zu verlängern. Die in den Verwaltungsvorschriften auf der Grundlage des § 109 AO festgelegten Grundsätze seien nur für die von den Angehörigen der steuerberatenden Berufe im Rahmen ihrer Beratertätigkeit wahrzunehmenden Erklärungsfristen anwendbar. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung ergebe sich, dass die allgemeine Fristverlängerung und die Ermächtigung der Finanzämter, eine weitere Verlängerung der Frist in einem vereinfachten Verfahren zu gewähren, nur für Steuererklärungen gelte, die von Personen i. S. d. § 3 des Steuerberatungsgesetzes in Ausübung ihres Berufs für ihre Mandanten bearbeitet würden. Diese Grundsätze sind nach der Rechtsprechung des BFH auch dann anzuwenden, wenn ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe als Steuerpflichtiger die Einkommensteuererklärung für seinen mit ihm zusammenveranlagten Ehegatten abgibt. Denn nach § 25 Abs. 3 S. 2 EStG haben Ehegatten im Falle der Zusammenveranlagung eine gemeinsame Einkommensteuererklärung abzugeben.
 

1.2.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Abzugsfähigkeit von Zahlungen des Beschenkten zur Abwendung von Ansprüchen des beeinträchtigten Vertragserben bzw. Nacherben
Zahlungen des Beschenkten zur Abwendung etwaiger Herausgabeansprüche des Vertragserben bzw. des Nacherben sind als Aufwendung zur Erlangung und Sicherung des Erwerbs gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 ErbStG bei der Besteuerung der Schenkung erwerbsmindernd zu berücksichtigen.

Solche Zahlungen stellen rückwirkende Ereignisse i. S. von § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar.

BFH v. 06.05.2021, II R 24/19

Hinweis
lst der Erwerb steuerpflichtig - hier nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG - gilt bei einer Schenkung die Bereicherung des Erwerbers (§ 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG). Als Bereicherung gilt der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 - 9 ErbStG abzugsfähigen Verbindlichkeiten abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG). Nach § 10 Abs. 5 ErbStG sind die dort aufgeführten Schulden und Lasten vom steuerpflichtigen Erwerb abzuziehen, soweit sich nicht aus § 10 Abs. 6 - 9 ErbStG etwas anderes ergibt.

Im Streitfall hatten die Eltern des Klägers ihre Söhne als Nacherben nach dem letztversterbenden Elternteil eingesetzt. Nach dem Tod des Vaters schenkte die Mutter dem Kläger ein Grundstück aus dem Nachlassvermögen. Einer seiner Brüder machte nach dem Tod der Mutter deswegen gegen den Kläger zivilrechtliche Herausgabeansprüche geltend. Aufgrund eines Vergleichs leistete der Kläger zur Abgeltung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche eine Zahlung. Der Kläger begehrte rückwirkend die steuermindernde Berücksichtigung dieser Zahlung bei der Besteuerung der von der Mutter erhaltenen Schenkung. Das Finanzamt lehnte dies ab. Dagegen haben das Finanzgericht und der BFH dem Kläger Recht gegeben.

Der BFH hat entscheiden, dass Zahlungen des Beschenkten zur Abwendung etwaiger Herausgabeansprüche eines Erben oder Nacherben steuermindernd zu berücksichtigen sind.

Nach Auffassung des BFH handelt es sich bei den Zahlungen zur Abwendung von Herausgabeansprüchen von Erben oder Nacherben um Kosten, die dazu dienen, das Geschenkte zu sichern. Sie können daher steuermindernd rückwirkend berücksichtigt werden. Ein bereits ergangener Schenkungsteuerbescheid ist entsprechend zu ändern.
 

1.3.Einkommensteuer

Zuteilung von Aktien im Rahmen eines ausländischen „Spin-Off“- ertragsteuerliche Folgen für den inländischen Privatanleger
Teilt eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft inländischen Anteilseignern im Wege eines sog. „Spin-Off“ Aktien ihrer US-amerikanischen Tochtergesellschaft zu, kann dies grundsätzlich zu Kapitaleinkünften i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG führen, soweit keine Abspaltung i. S. des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG vorliegt.

Die Aktienzuteilung im Rahmen eines US-amerikanischen „Spin-Off“ ist nach § 20 Abs. 4a S .7 EStG steuerneutral, wenn die „wesentlichen Strukturmerkmale“ einer Abspaltung i. S. des § 123 Abs. 2 UmwG erfüllt sind. Die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV gebietet eine Erstreckung des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG auch auf ausländische Vorgänge.

Der Begriff der „Abspaltung“ i. S. des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG ist typusorientiert auszulegen. Danach ist in Drittstaatenfällen ein gesetzlicher Vermögensübergang durch partielle Gesamtrechtsnachfolge nicht erforderlich (entgegen BMF-Schreiben vom 18.01.2016, BStBl. I 2016, 85, Rz 115 i. V. m. BMF-Schreiben vom 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Rz 01.36).

Entscheidend bei einer „Abspaltung“ i. S. des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG ist, dass die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen „zeitlichen und sachlichen Zusammenhang“ mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt.

BFH v. 01.07.2021, VIII R 9/19

Hinweis
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u. a. Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien. Nach § 20 Abs. 4a S. 7 EStG gelten abweichend von § 20 Abs. 4a S. 5 EStG u. § 15 UmwStG die Sätze 1 und 2 des § 20 Abs. 4a EStG entsprechend, wenn Vermögen einer Körperschaft durch Abspaltung auf andere Körperschaften übergeht. Die Anwendung der Regelung hat im Streitjahr zur Folge, dass die Anteilszuteilung steuerneutral erfolgt.

Der Kläger hielt Aktien der Hewlett-Packard Company (HPC), einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware. Nachdem die HPC in Hewlett-Packard Inc. (HPI) umbenannt und das Unternehmenskundengeschäft der HPI auf ihre Tochtergesellschaft Hewlett-Packard Enterprise Company (HPE) übertragen worden war, erhielten die Aktionäre im Rahmen eines sog. „Spin-Off“ Aktien der HPE. Diese buchte die Bank des Klägers in dessen Depot ein. Der Kläger war nunmehr im selben Verhältnis an beiden Gesellschaften beteiligt. Das FA behandelte die Aktienzuteilung beim Kläger als steuerpflichtigen Kapitalertrag. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Der BFH hat entschieden, dass die Aktienzuteilung im Rahmen eines US-amerikanischen „Spin-Off“ an private Kleinanleger nicht zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag führt. § 20 Abs. 4a S. 7 EStG ist auch auf ausländische Vorgänge anwendbar, die bei einer rechtsvergleichenden Betrachtung der Abspaltung nach deutschem Recht entsprechen.

Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG und wies die Revision des FA zurück. Eine steuerneutrale Zuteilung von Aktien nach § 20 Abs. 4a S. 7 EStG sei auch bei einem US-amerikanischen „Spin-Off“ möglich. Voraussetzung sei, dass die „wesentlichen Strukturmerkmale“ einer Abspaltung i. S. d. § 123 Abs. 2 UmwG erfüllt seien. Die Kapitalverkehrsfreiheit gebiete eine Erstreckung des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG auf ausländische Vorgänge. Rechtsfolge der Anwendung des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG sei, dass die Einbuchung der aufgrund des „Spin-Off“ erhaltenen Aktien im Depot des Klägers nicht zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag führe. Erst im Zeitpunkt einer späteren Veräußerung der Aktien der HPE bzw. HPI seien etwaige Veräußerungsgewinne zu versteuern.
 

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