Auswertung Aufsätze 08 - 2021

 

1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

1.1.NWB

KöMoG: Optionsmodell und Erbschaft-/Schenkungsteuerrecht - Durchbrechung der einheitlichen Betrachtungsweise von Mitunternehmeranteilen
Winkler, Carlé, NWB 34/2021, S. 2.508
Anmerkung
Gem. § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG werden Gesellschaften i. S. § 1a KStG als Personengesellschaft behandelt. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift auch für die Wirtschaftsgüter, die im Eigentum eines Gesellschafters, mehrerer oder aller Gesellschafter stehen, und Schulden eines Gesellschafters, mehrerer oder aller Gesellschafter, soweit die Wirtschaftsgüter und Schulden bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen der Gesellschaft gehören (§ 95); diese Zurechnung geht anderen Zurechnungen vor.

Der Gesetzgeber nimmt durch die Bestimmung des KöMoG wissentlich eine Durchbrechung des Gleichklangs von Ertragsteuerrecht und Erbschaftsteuer-/Schenkungsteuerrecht in Kauf. Dies führt dazu, dass für Zwecke des ErbStG stets individuell zu prüfen ist, welche Wirtschaftsgüter (noch) den Charakter von Sonderbetriebsvermögen haben können und somit in den Anwendungsbereich der Betriebsvermögensprivilegierungen fallen können. Darüber hinaus ist für die Privilegierung eines Anteils an einem Familienunternehmen der Mitunternehmeranteil und nicht der ertragsteuerlich zu betrachtende fiktive Anteil an einer Kapitalgesellschaft maßgeblich.
 

2.Einkommensteuer

2.1.NWB

Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG bei gleichzeitiger Übertragung von (Sonder-)Betriebsvermögen - Anmerkungen zum BMF-Schreiben v. 05.05.2021
Kraft, NWB 31/2021, S. 2.262
Anmerkung
Nach § 16 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Aufgabe des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen ist. Wird hingegen der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind gem. § 6 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Mitunternehmers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Der Rechtsnachfolger ist nach § 6 Abs. 3 S. 3 EStG an diese Werte gebunden.

Mit Urteil v. 10.09.2020, IV R 14/18, BStBl. 2021 II S. 367 hat der BFH entscheiden, dass keine Buchwertfortführung bei unentgeltilcher Übertragung des Mitunternehmeranteils und zeitgleicher Veräußerung funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögens an Dritte möglich ist.
  • § 6 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 EStG greift nicht ein, wenn zeitgleich mit der Veräußerung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage des Sonderbetriebsvermögens der verbliebene Mitunternehmeranteil unentgeltlich auf eine andere Person übertragen wird.
Der BFH präzisiert durch das vorliegende Urteil, dass keine zeitraumbezogene – und damit auch keine tageweise − Prüfung (mehr) vorzunehmen ist, sondern auf das im Zeitpunkt der Übertragung vorhandene Betriebsvermögen abzustellen ist.

Mit BMF-Schreiben v. 05.05.2021, BStBl. 2021 I S. 696 hat das BMF die Rechtsprechung des IV. Senats übernommen und insoweit darüber hinaus, als diese Grundsätze nicht nur für die Veräußerung oder Entnahme von funktional wesentlichem Betriebs- oder Sonderbetriebsvermögen zur Anwendung kommen sollen, sondern für alle Ausgliederungen im zeitlichen Zusammenhang mit einer unentgeltlichen Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG. In allen Randziffern, in denen das BMF-Schreiben bisher den Terminus „zeitgleich oder taggleich“ verwendete, wird dieser durch den Begriff „zeitgleich“ ersetzt. Wenn vor der Übertragung des verbliebenen gesamten Mitunternehmeranteils eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage aus diesem durch Veräußerung an Dritte oder durch Überführung in das Privatvermögen ausgeschieden ist, ist dies für die Buchwertfortführung selbst dann unschädlich, wenn es sich nur um eine „juristische Sekunde“ handelt.


Nachgelagerte Besteuerung der Altersrente – abstrakt verfassungsgemäß und konkret berechenbar - Die Rentenurteile des BFH v. 19.05.2021
Nöcker, NWB 32/2021, S. 2.340
Anmerkung
Leibrenten gem. § 22 Nr. 1 S. 3 Bst. a Dbst. aa EStG unterliegen seit dem VZ 2005 der sog. nachgelagerten Besteuerung. Sie ist verfassungsgemäß, bedarf aber einer Prüfung in jedem Einzelfall, ob der Rentner mindestens den Teil der voraussichtlichen Altersrente steuerfrei erhält, der der Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen entspricht (sog. doppelte Besteuerung der Rente).

Mit Urteil v. 19.05.2021, X R 33/19 hat der BFH zur Ermittlung der Höhe des Betrags einer doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen entschieden.
  • Der Senat hält daran fest, dass sowohl der zum 01.01.2005 eingeleitete Systemwechsel zur grundsätzlich vollen Einkommensteuerpflicht von Leibrenten und anderen Leistungen der Basisversorgung als auch die Grundsystematik der gesetzlichen Übergangsregelung verfassungsgemäß ist.
  • Einem Steuerpflichtigen, der nachweisen kann, dass es in seinem konkreten Einzelfall zu einer doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen kommt, kann allerdings aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase zustehen. Eine solche doppelte Besteuerung ist nicht gegeben, wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen. Die erforderliche Vergleichs- und Prognoserechnung ist auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vorzunehmen.
  • Als steuerfrei bleibende Rentenzuflüsse sind in der Vergleichs- und Prognoserechnung die infolge der gesetzlichen Übergangsregelung zu beanspruchenden Rentenfreibeträge (§ 22 Nr. 1 S. 3 Bst. a Doppelbst. aa S. 4 EStG) für die Rente des Steuerpflichtigen sowie für eine etwaige Hinterbliebenenrente seines statistisch voraussichtlich länger lebenden Ehegatten anzusetzen. Weitere Beträge, die im Rahmen der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Rentners abziehbar sind oder steuerfrei gestellt werden, sind nicht einzubeziehen (z. B. Grundfreibetrag, Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, Beitragsanteile des Rentenversicherungsträgers zur Krankenversicherung der Rentner, Werbungskosten-Pauschbetrag, Sonderausgaben-Pauschbetrag).
  • Für die Ermittlung der in Veranlagungszeiträumen bis 2004 aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Altersvorsorgeaufwendungen sind die Beiträge zu den verschiedenen Sparten der gesetzlichen Sozialversicherung (einschließlich der ihnen gleichgestellten Teile der Vorsorgeaufwendungen nicht gesetzlich Versicherter) gleichrangig zu berücksichtigen.

Alle anderen nach damaliger Rechtslage dem Grunde nach abziehbaren Vorsorgeaufwendungen werden im Rahmen der retrospektiv vorzunehmenden Prüfung, in welchem Umfang Altersvorsorgeaufwendungen in früheren Veranlagungszeiträumen als aus versteuertem Einkommen geleistet gelten, lediglich nachrangig berücksichtigt. In Fällen der Zusammenveranlagung von Eheleuten, die jeweils eigene Vorsorgeaufwendungen getragen haben, werden die gemeinsamen Sonderausgaben-Höchstbeträge im Verhältnis der vorrangig zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen beider Eheleute aufgeteilt. Eine Kürzung um Beitragsanteile, die nach der Finanzierungs- und Ausgabenstruktur der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung kalkulatorisch nicht auf die Leistung von Alters- oder Hinterbliebenenrenten entfallen, ist nicht vorzunehmen.


Steuerliche Abzugsfähigkeit von Brillen - Großer Rechtsprechungsüberblick
Trinks, Trinks, NWB 33/2021, S. 2.445
Anmerkung
Ein Werbungskostenabzug gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG scheidet bei Brillen regelmäßig aus, da eine Brille auch privat genutzt werden kann. Etwas anderes kann nur gelten, wenn bereits die Sehschwäche berufliche Gründe hat, also Folge eines Arbeitsunfalls ist oder eine Berufskrankheit darstellt. Zudem können arbeitsschutzrechtlich vorgeschriebene Schutzbrillen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben geltend gemacht werden.

Möglich ist grundsätzlich der Ansatz als außergewöhnliche Belastung. Häufig wirken sich die Kosten jedoch nicht aus, da die zumutbare Eigenbelastung gem. § 33 Abs. 3 EStG nicht überschritten wird.

Der Verfasser weist weiterhin auf Sonderfälle hin. Ein Steuerabzug für Sonnenbrillen scheide aus, da es sich um Aufwendungen für die private Lebensführung handle. Gleiches gilt für Sportbrillen. Für Bildschirmarbeitsbrillen ist eine steuerfreie Kostenübernahme durch den Arbeitgeber möglich. Voraussetzung ist, dass ein ärztliches Attest im Vorfeld eingeholt wird. Sofern eine Abzugsfähigkeit der Kosten gegeben ist, gilt dies der Höhe nach nur für angemessene Aufwendungen. Der Verfasser spricht sich für eine Angemessenheitsgrenze für Brillenfassungen i. H. v. 300 € aus.
 

2.2.DStR

Besteuerung von Gold-ETC bei Privatanlegern - Die Entwicklung bis zum BMF-Schreiben v. 19.02.2021
Bachmann, Ertl, Seifert, DStR 34/2021, S. 1.969
Anmerkung
Mit BMF-Schreiben v. 19.02.2021, BStBl. 2021 I S. 296 hat das BMF die Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Behandlung von „Gold-ETC“ umgesetzt.

Werden Inhaberschuldverschreibungen veräußert oder eingelöst, die einen Lieferanspruch auf Gold oder einen anderen Rohstoff verbriefen und durch Gold oder einen anderen Rohstoff in physischer Form nicht gedeckt sind, sind die Einnahmen Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG.

Sehen die Vertrags-/Emissionsbedingungen hingegen vor, dass der Emittent das zur Verfügung gestellte Kapital nahezu vollständig in Gold oder einen anderen Rohstoff zu investieren hat, und besteht ausschließlich ein Anspruch auf Auslieferung des hinterlegten Rohstoffs oder ein Anspruch auf Auszahlung des Erlöses aus der Veräußerung des Rohstoffs durch den Emittenten, liegt keine Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, sondern ein Sachleistungsanspruch vor (BFH v. 12.05.2015, VIII R 35/14, BStBl. II 2015, 834, u. v. 16.06.2020, VIII R 7/17, BStBl. II 2021, 9); ggf. kommt eine Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG in Betracht. Für vor dem 01.01.2009 angeschaffte Inhaberschuldverschreibungen findet § 52 Abs. 28 S. 17 EStG Anwendung.

Wenngleich der Fiskus die Rechtsprechung nun in einem BMF-Schreiben berücksichtigt, ist nach Ansicht der Verfasser nicht auszuschließen, dass zukünftig erneut eine mögliche Gesetzesänderung zur Diskussion steht.
 

3.Körperschaftsteuer

3.1.NWB

KöMoG: Gesellschaftsrechtliche Anforderungen des Optionsmodells - Erforderliche Anpassungen des Gesellschaftsvertrags und der gesellschaftsbezogenen Vereinbarungen
Carlé, NWB 31/2021, S. 2.270
Anmerkung
Die Antragstellung nach § 1a KStG führt aus steuerlicher Sicht zu einem fiktiven Formwechsel. Gesellschaftsrechtlich vollzieht sich der Formwechsel nicht; für steuerliche Zwecke sind aber die bestehenden Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern – im Gesellschaftsvertrag – und der Gesellschaft auf die Steuerrechtslage einer Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter anzupassen.

Der Verfasser führt aus, dass insbesondere folgende Punkte gesellschaftsrechtlich ggf. angepasst werden müssen:
  • Regelung der Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter unter Beachtung der Grundsätze des Fremdvergleichs
  • Anpassung des Gesellschaftsvertrags im Hinblick auf die Kapitalkontenstruktur
  • Vorkehrungen gegen eine einseitige Auflösung der Rückoption
 
KöMoG: Das Optionsmodell im Umwandlungssteuerrecht - Praxisrelevante Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Wechsel des Besteuerungsregimes
Fuhrmann, NWB 32/2021, S. 2.356
Anmerkung
Die Antragstellung nach § 1a KStG hat zur Folge, dass aus steuerlicher Sicht ein fiktiver Formwechsel der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft unterstellt wird.

Ebene der Gesellschaft
  • Fiktive Einbringung der Mitunternehmeranteile in die Personengesellschaft, die fiktiv als Kapitalgesellschaft behandelt wird.
  • Vorgang gem. §§ 25 i. V. m. 20 UmwStG. Steuerneutral unter den Neutralitätsvoraussetzungen gem. § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG.
  • Erstellung einer Übertragungsbilanz sowie einer Eröffnungsbilanz auf den Beginn des Folgewirtschaftsjahres.
Ebene Gesellschafter
  • Behandlung nach Option wie die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft (§ 17 EStG u. § 6 AStG sind anwendbar.
  • Beachtung der siebenjährigen Sperrfrist gem. § 22 Abs. 1 UmwStG
  • Rückoption erfolgt nach den Regelungen der §§ 3 ff UmwStG. Die Rückumwandlung innerhalb von sieben Jahren kann eine Sperrfristverletzung nach § 22 Abs. 1 S. 6 UmwStG sein.

KöMoG: Betriebsaufspaltung und Optionsmodell - Anwendungsfragen aus der Praxis
Brill, NWB 33/2021, S. 2.420
Anmerkung
Da die Betriebsaufspaltung weitgehend rechtsformneutral ausgestaltet ist, d. h. sowohl mit Kapital- als auch mit Personengesellschaften möglich ist, ergeben sich regelmäßig keine Auswirkungen durch die Option.

Bezüglich des Sonderbetriebsvermögens weist der Verfasser darauf hin, dass sich zur Vermeidung einer Zwangsentnahme die Fortführung der Nutzungsüberlassung der bisher als Sonderbetriebsvermögen beurteilten Wirtschaftsgüter anbiete, da hier ggf. eine Betriebsaufspaltung entstehe. Zu beachten ist jedoch, dass die Steuerneutralität der Option gem. § 1a KStG voraussetzt, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen (also auch das wesentliche Sonderbetriebsvermögen) eingebracht werden. Somit müsste wesentliches SBV vor der Antragstellung in das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft übertragen werden.

Als Gestaltungsoption zur Vermeidung einer ungewollten Zwangsentnahme bei Wegfall der Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung führt der Verfasser die Option auf Ebene der Besitzpersonengesellschaft an. Aufgrund von § 8 Abs. 2 KStG werden durch die Option dauerhaft gewerbliche Einkünfte erzielt.

Finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft bei „unterjähriger“ Verschmelzung des Organträgers - Zugleich Kommentar zum Urteil des FG Rheinland-Pfalz v. 19.08.2020 - 1 K 1585/15
Brühl, Weiss, NWB 34/2021, S. 2.525
Anmerkung
Mit Urteil v. 19.09.2020, 1 K 1585/13 hat das FG Rheinland-Pfalz zum Fortbestand der finanziellen Eingliederung einer Organgesellschaft bei rückwirkender Verschmelzung des Organträgers auf einen unterjährigen Übertragungsstichtag entschieden.
  • Im Sinne der sog. Fußstapfentheorie genügt es für die Annahme einer ein Organschaftsverhältnis begründenden finanziellen Eingliederung, wenn die Mehrheitsbeteiligung nacheinander und ununterbrochen auf zwei Organträger verteilt ist.
Das Urteil des FG Rheinland-Pfalz bestätigt die h. M. im Schrifttum, nach der die finanzielle Eingliederung einer Organgesellschaft in den Organträger nach einer Umwandlung auf Ebene des Organträgers bereits infolge umwandlungssteuerrechtlicher Rechtsnachfolge vermittelt werden kann
 

4.Internationales Steuerrecht

4.1.DStR

Der Wegzug von Unternehmer und Unternehmensholding ins Ausland zur Begrenzung deutscher Ertrags- und zukünftig deutscher Substanzsteuern in Form einer deutschen Vermögensteuer
Von Oertzen, Bärsch, Kühn, Lindermann, DStR 32/2021, S. 1.841
Anmerkung
Am 21.05.2021 hat der Bundestag das ATAD-Umsetzungsgesetz beschlossen. Teil des Gesetzes ist eine tiefgreifende Reform des § 6 AStG (sog. Wegzugsbesteuerung/Besteuerung des Vermögenszuwachses), die einen Wegzug in EU/EWR-Staaten bei relevanten Kapitalgesellschaftsbeteiligungen steuerlich zum Teil deutlich erschweren wird. Ferner lassen die Wahlprogramme der SPD, der Grünen und der Linken die Einführung einer Vermögensteuer – nach der Bundestagswahl befürchten.
  • Der Wegzug von Unternehmer und Unternehmensholding noch in diesem Jahr unterliegt der aktuellen Fassung des § 6 AStG und bietet die Möglichkeit einer substanziellen Begrenzung deutscher Ertrag- und Substanzsteuern und insbes. einer Verhinderung nicht nur der (zu stundenden) Wegzugsbesteuerung, sondern auch der erwarteten Vermögensteuer.
  • Für die Begrenzung der beschränkten Vermögensteuerpflicht wird es erforderlich sein, dass es sich beim (auch über eine Unternehmensholding gehaltenen) Vermögen nicht um Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG handelt und/oder DBA-Abkommensschutz vor der Vermögensteuer abschirmt.
  • Der Wegzug des Unternehmers bietet bei Sitz/Ansässigkeit der Unternehmensholdinggesellschaft im Ausland nebst Abkommensberechtigung durch das Schachtelprivileg und abkommensrechtliche Verteilungsnormen eine effektive Abschirmung vor einer deutschen Vermögensteuer hinsichtlich der über die Holdinggesellschaft gehaltenen Anteile an deutschen Tochterkapitalgesellschaften.
  •  Durch eine hinreichende Substanz auf Ebene der dann ausländischen Holdinggesellschaft qualifizieren auch die über diese Holdinggesellschaft gehaltenen Beteiligungen nicht als Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG. Die Beteiligungen an deutschen Tochtergesellschaften unterliegen daher auch auf Ebene des Unternehmers nicht der beschränkten Vermögensteuerpflicht. Diese Abschirmwirkung kann auch in Bezug auf weitere Vermögenswerte genutzt werden.
 
Der § 6 AStG idF des ATAD-Umsetzungsgesetzes - Unionsrechtskonform trotz Wegfall des bisherigen § 6 Abs. 5 bzw. 6 AStG?
Jesic, Leuch, DStR 33/2021, S. 1.913
Anmerkung
Da sich der Anwendungsbereich der ATAD-Richtlinie lediglich auf körperschaftsteuerpflichtige Rechtssubjekte beschränkt, konnten die Änderungen des § 6 AStG nicht unmittelbar mit Art. 5 ATAD-Richtlinie begründet werden. Die Änderungen des § 6 AStG sind folglich nicht europäisch vorgegeben, sondern national motiviert.
  • Anders als bisher müssen Steuerpflichtige keine zehn Jahre mehr unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sein, um in den Anwendungsbereich der Wegzugsbesteuerung zu fallen. Nunmehr genügt es, wenn innerhalb eines Betrachtungszeitraumes von zwölf Jahren vor Wegzug bzw. Erfüllung eines der Ersatztatbestände in mindestens sieben Jahren eine unbeschränkte Steuerpflicht vorlag.
  • Abweichend von der bisherigen Gesetzesfassung sieht § 6 Abs. 4 AStG n.F. eine Erweiterung der Möglichkeit der ratierlichen Zahlungsweise auf nunmehr sieben statt bisher fünf Jahre vor.
  • Bisweilen wird die Wegzugssteuer in Fällen eines Wegzuges in EU/EWR-Staaten gemäß § 6 Abs. 5 AStG a.F. dauerhaft und zinslos gestundet. Mit der Neufassung fällt diese Begünstigung weg. Damit kommt dem Zuzugsort keine Bedeutung mehr zu, da nunmehr gleichermaßen für Dritt- als auch EU/EWR-Staaten eine zinslose Ratenstundung über sieben Jahre vorgesehen ist (One-Fits-All-Lösung). Anders als vorher wird jedoch die Ratenstundung nicht mehr an das Glaubhaftmachen erheblicher Härten gebunden, sondern ist grundsätzlich auf Antrag zu gewähren. Weiterhin soll der Finanzverwaltung nach pflichtgemäßem Ermessen das Recht zustehen, die Stundung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.
  • Des Weiteren fällt die aktuell vorzunehmende Verzinsung der Raten gemäß § 234 AO weg, die Rückkehroption wird nun auch auf bis zu sieben, statt der bisher vorgesehenen fünf Jahre erweitert. Auf Antrag kann diese Frist um fünf Jahre auf insgesamt zwölf Jahre verlängert werden. Den Erläuterungen zum ursprünglichen Regierungsentwurf kann entnommen werden, dass auf eine erhöhte Nachweispflicht bei der Glaubhaftmachung der Rückkehrabsicht zu verzichten ist.
  • In der zuletzt gültigen Fassung sieht § 6 Abs. 6 AStG in einigen Fallkonstellationen eine Berücksichtigung nachträglich aufgetretener Wertminderungen vor. Diese Regelung fällt ebenfalls im Zuge des ATADUmsG weg.
 

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