Rechtsprechung KW 38-2019

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Anforderungen an einen lohnsteuerpflichtigen Sachbezug in Form eines Frühstücks
Stellt der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern unbelegte Backwaren wie Brötchen und Rosinenbrot nebst Heißgetränken zum sofortigen Verzehr im Betrieb bereit, handelt es sich bei den zugewandten Vorteilen grundsätzlich nicht um Arbeitslohn, sondern um nicht steuerbare Aufmerksamkeiten.
Unbelegte Backwaren wie Brötchen und Rosinenbrot mit einem Heißgetränk stellen kein Frühstück i. S. von § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SvEV dar. Für die Annahme eines (einfachen) Frühstücks muss jedenfalls ein Aufstrich oder Belag hinzutreten.
BFH v. 03.07.2019, VI R 36/17
Hinweis:
Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG -neben Gehältern und Löhnen auch andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG). Zum steuerbaren Arbeitslohn zählen auch Sachbezüge i. S. d. § 8 Abs. 2 EStG. Gem. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, soweit er arbeitstäglich Mahlzeiten im Betrieb an die Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt abgibt.
Im Streitfall hatte der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern unbelegte Backwaren wie Brötchen und Rosinenbrot nebst Heißgetränken zum sofortigen Verzehr im Betrieb kostenlos bereitgestellt. Das Finanzamt sah dies als ein Frühstück an, das mit den amtlichen Sachbezugswerten zu versteuern sei.
Der BFH hat entschieden, dass unbelegte Backwaren mit einem Heißgetränk kein Frühstück im lohnsteuerrechtlichen Sinne sind.
Die unentgeltliche oder verbilligte Abgabe von Speisen und Getränken durch den Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer könne zu Arbeitslohn führen. Arbeitslohn liege grundsätzlich vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Mahlzeit, wie ein Frühstück, Mittagessen oder Abendessen, unentgeltlich oder verbilligt reiche. Davon abzugrenzen seien nicht steuerbare Aufmerksamkeiten, die lediglich der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und der Schaffung günstiger betrieblicher Arbeitsbedingungen dienten und denen daher keine Entlohnungsfunktion zukomme. Im vorliegenden Fall handele es sich bei den unentgeltlich zugewandten Lebensmitteln nicht um Arbeitslohn in Form kostenloser Mahlzeiten, sondern um nicht steuerbare Aufmerksamkeiten. Unbelegte Brötchen seien auch in Kombination mit einem Heißgetränk kein Frühstück i. S. v. § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung. Selbst für ein einfaches Frühstücks müsse jedenfalls noch ein Aufstrich oder ein Belag hinzutreten. Die Überlassung der Backwaren nebst Heißgetränken habe daher lediglich der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und der Schaffung günstiger betrieblicher Arbeitsbedingungen gedient.

Grundstücksenteignung kein privates Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
Eine Anschaffung bzw. Veräußerung i. S. d. § 23 EStG liegt nicht vor, wenn der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet. Ein Entzug des Eigentums durch Sonderungsbescheid nach dem Bodensonderungsgesetz ist danach keine Veräußerung i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG.
BFH v. 23.07.2019, IX R 28/18
Hinweis:
Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG) auch solche aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 EStG. Diese umfassen gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG u. a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
Im Streitfall hatte der Kläger an einem unbebauten Grundstück im Jahr 2005 einen zusätzlichen Miteigentumsanteil durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben. Hierdurch wurde er Alleineigentümer des Grundstücks. Im Jahr 2008 führte die Stadt, in der das Grundstück belegen war, ein Bodensonderungsverfahren durch und erließ einen dieses Grundstück betreffenden und an den Kläger gerichteten Sonderungsbescheid nach dem Bodensonderungsgesetz, mit dem das Eigentum an dem Grundstück auf die Stadt überging. Der Kläger erhielt eine Entschädigung i. H. v. 600.000 € für das gesamte Grundstück. Das Finanzamt sah in der Enteignung in Bezug auf den in der Zwangsversteigerung erworbenen Miteigentumsanteil ein Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 EStG und setzte entsprechend dem Zufluss der Entschädigungszahlungen für die Streitjahre einen Veräußerungsgewinn fest.
Der BFH hat entschieden, dass der Eigentumsverlust durch Enteignung keine Veräußerung i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ist.
Private Veräußerungsgeschäfte sind gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG u. a. Veräußerungs-geschäfte bei Grundstücken, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Die Begriffe „Anschaffung“ und „Veräußerung“ erfassen entgeltliche Erwerbs- und Übertragungsvorgänge, die wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen; sie müssen Ausdruck einer wirtschaftlichen Betätigung sein. An einer willentlichen Übertragung auf eine andere Person fehlt es, wenn – wie im Falle einer Enteignung – der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen (und ggf. auch gegen seinen Willen) stattfindet. Diese am Wortlaut orientierte Gesetzesauslegung entspricht, wie der BFH in seinem Urteil betonte, dem historischen Willen des Gesetzgebers; sie sei auch vor dem Hintergrund eines systematischen Auslegungsansatzes folgerichtig.

Vorbehaltsnießbrauch bei unentgeltlicher Übertragung eines verpachteten land- und fortwirtschaftlichen Betriebs
Bei den Einkünften aus Land- und Fortwirtschaft hat die Bestellung eines Nießbrauchs zur Folge, dass zwei Betriebe entstehen, nämlich ein ruhender Betrieb in der Hand des nunmehrigen Eigentümers (des Nießbrauchsverpflichteten) und ein wirtschaftender Betrieb in der Hand des Nießbrauchsberechtigten und bisherigen Eigentümers (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
Die Rechtsprechung zur unentgeltlichen Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unter Nießbrauchsvorbehalt gilt auch für die Übertragung eines Verpachtungsbetriebs.
Zahlungen für die Entlassung des Grundbesitzes aus der Pfandhaft eines zum Betriebsvermögen gehörenden Nießbrauchsrechts sind betrieblich veranlasst und erhöhen ihrerseits das Betriebsvermögen.
BFH v. 08.05.2019, VI R 26/17
Hinweis:
Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers (Mitunternehmers) die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist; dies gilt auch bei der unentgeltlichen Aufnahme einer natürlichen Person in ein bestehendes Einzelunternehmen sowie bei der unentgeltlichen Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils auf eine natürliche Person (§ 6 Abs. 3 S. 1 EStG).
Der Ehemann der Klägerin übertrug den Hof an seinen Sohn. Er behielt sich auf Lebensdauer das unentgeltliche Nießbrauchrecht an dem überlassenen Grundbesitz vor. Nach dem Tode des Überlassers ging das Nießbrauchrecht auf die Klägerin über. Im Streitjahr veräußerte der Sohn der Klägerin die Hofstelle und einen Teil des Grund und Bodens. Die Klägerin entließ den Erwerber gegen Zahlung eines Geldbetrages aus der Pfandhaft für ihr Nießbrauchrecht. Den Betrag erklärte die Klägerin nicht als Einnahme aus Land- und Forstwirtschaft, da sie insoweit von der Veräußerung von Privatvermögen ausging.
Der BFH hat entschieden, dass die Bestellung eines Nießbrauchs bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zur Folge hat, dass zwei Betriebe entstehen – nämlich ein ruhender Betrieb in der Hand des Eigentümers (Nießbrauchsverpflichteten) und ein wirtschaftlicher Betrieb in der Hand des Nießbrauchsberechtigten.
Die unentgeltliche Übertragung des ruhenden Verpachtungsbetriebs auf den Sohn unter Vorbehalt des Nießbrauchs führte nicht zu einer Betriebsaufgabe. Wird ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb unentgeltlich (im Wege der vorweggenommenen Erbfolge) übertragen, so liegt weder eine Entnahme noch eine Betriebsaufgabe vor. Der Betrieb wird vielmehr steuerrechtlich unverändert durch den Rechtsnachfolger fortgeführt. Bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft hat die Bestellung eines Nießbrauchs nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur Folge, dass zwei Betriebe entstehen, nämlich ein ruhender Betrieb in der Hand des nunmehrigen Eigentümers (des Nießbrauchsverpflichteten) und ein wirtschaftender Betrieb in der Hand des Nießbrauchsberechtigten und bisherigen Eigentümers. Da keine Aufgabe des Verpachtungsbetriebs erklärt wurde, ging dieser mit dem Tod des Ehemanns der Klägerin unentgeltlich auf die Klägerin über. Die Zahlung für die (teilweise) Ablösung des zum (notwendigen) Betriebsvermögen der Klägerin gehörenden (Zuwendungs-)Nießbrauchs war betrieblich veranlasst. Sie erhöhte folglich das land- und forstwirtschaftliche Betriebsvermögen der Klägerin.
 

1.2.Sonstiges

Keine Gewährung der erweiterten Kürzung bei Beteiligung einer grundstücksverwaltenden, nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegenden Gesellschaft an einer grundstücksverwaltenden, gewerblich geprägten Personengesellschaft
Das Halten einer Beteiligung an einer gewerblich geprägten, grundstücksverwaltenden Personengesellschaft verstößt gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG (Bestätigung der Rechtsprechung).
BFH v. 27.06.2019, IV R 44/16
Hinweis:
Nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung). An Stelle der Kürzung nach S. 1 tritt nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung).
Die Klägerin wurde als GmbH & Co. KG gegründet. Gesellschafter der Klägerin waren zunächst die X-GmbH als Komplementärin ohne eigene Kapitaleinlage sowie B und C als Kommanditisten. C und B legten als Kommanditeinlagen sämtliche Anteile an mehreren (Grundstücks-)GbR ein, an denen ausschließlich sie beteiligt waren. In ihren Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre beanspruchte die Klägerin bei der Ermittlung des Gewerbe­ertrags jeweils die erweiterte Kürzung für die Verwaltung eigenen Grundbesitzes nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Im Rahmen einer später durchgeführten Außenprüfung stellte sich das FA auf den Standpunkt, dass der Klägerin die erweiterte Kürzung nicht gewährt werden könne. Das Halten der Beteiligung an der gewerblich geprägten GbR verstoße nach der Rechtsprechung des BFH gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, weil insoweit kein eigener Grundbesitz der Klägerin verwaltet werde.
Der BFH hat entschieden, dass das Halten einer Beteiligung an einer gewerblich geprägten, grundstücksverwaltenden Personengesellschaft gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG verstößt.
Nach ständiger Rechtsprechung verstößt die Beteiligung eines grundstücksverwaltenden, dem Grunde nach gewerbesteuerpflichtigen Unternehmens an einer ebenfalls grundstücksverwaltenden, gewerblich geprägten Personengesellschaft gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Denn das Halten einer solchen Beteiligung gehört nicht zum Katalog der prinzipiell unschädlichen Tätigkeiten in § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestimmt sich der Begriff des „Unternehmens“ i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht nach § 7 i. V. m. §§ 8, 9 GewStG, sondern ist gleichbedeutend mit dem Begriff „Gewerbebetrieb“ i. S. d. § 2 GewStG. Auch aus § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG ergibt sich nichts Anderes. Auch die Beschränkung des Beteiligungsunternehmens auf eine grundstücksverwaltende Tätigkeit wirkt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf ein an ihr beteiligtes Unternehmen aus. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird ihr die erweiterte Kürzung nicht mit der Begründung verwehrt, sie verwalte und nutze auch fremden Grundbesitz, nämlich den, der den Untergesellschaften zuzurechnen ist. Was die Verwaltung und Nutzung von Grundbesitz betrifft, verwaltet und nutzt die Klägerin nur eigenen Grundbesitz. Neben dieser Tätigkeit übt sie aber mit dem Halten der Beteiligungen an den GbR noch eine weitere Tätigkeit aus, die, da sie nicht zu den in § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG abschließend aufgeführten unschädlichen Tätigkeiten gehört, schädlich ist.
 
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