Rechtsprechung KW 36-2018

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzsteuer

Insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot bei nachträglichem Verzicht auf Steuerfreiheit nach § 9 UStG
Da das Recht auf Vorsteuerabzug materiell-rechtlich bereits entsteht, wenn die betreffenden Gegenstände geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird, kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung des Erstattungsanspruchs auf den Besitz der Rechnung nicht an.
Auf den Zeitpunkt der dem Vorsteuerabzug zugrunde liegenden Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen ist auch dann abzustellen, wenn der Anspruch auf Vorsteuerabzug auf einem Verzicht auf Steuerfreiheit nach § 9 UStG beruht.
BFH v. 12.06.2018, VII R 19/16
Hinweis:
Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer GmbH, über deren Vermögen 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die GmbH mietete die für das Unternehmen notwendigen Betriebsanlagen von einer KG an. Die KG erteilte der GmbH erstmals im August 2011 eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis. Die daraufhin vom FA mit Bescheid v. 13.12.2012 geänderte Festsetzung der USt-Vorauszahlung für August 2011 wies zugunsten des Klägers einen Überschuss aus. Dieses Guthaben verrechnete das FA mit offenen Steuerforderungen gegen die GmbH aus Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2008. Der Kläger beantragte die Auszahlung des Guthabens, da der Anspruch erst in dem Veranlagungszeitraum entstanden sei, in dem die Anspruchsvoraussetzungen i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG insgesamt vorlägen.
Der BFH hat entschieden, dass das Recht auf Vorsteuerabzug materiell-rechtlich bereits entstehe, wenn die betreffenden Gegenstände geliefert oder die Dienstleistung erbracht sei. Auf den Besitz einer Rechnung komme es hierfür nicht an.
Ob ein Insolvenzgläubiger bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, bestimmt sich nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats danach, ob der Tatbestand, der den betreffenden Anspruch begründet, nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Entscheidend ist, ob sämtliche materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung eines Erstattungsanspruchs im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits erfüllt waren. Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht materiell-rechtlich, wenn die betreffende Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird. Auf den Besitz der Rechnung kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung des Erstattungsanspruchs nicht an. Auf den Zeitpunkt der dem Vorsteuerabzug zugrunde liegenden Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen ist auch dann abzustellen, wenn der Anspruch auf Vorsteuerabzug auf einem Verzicht auf die Steuerfreiheit nach § 9 UStG beruht; denn der Verzicht wirkt hinsichtlich der Entstehung des Anspruchs auf den Veranlagungszeitraum zurück, in dem der Umsatz ausgeführt wurde.
 

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