Rechtsprechung 37-2018

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzsteuer

Vorsteueraufteilung bei Schulsportanlagen
Bei einer zeitlich abwechselnden Nutzung desselben Gebäudes zu steuerfreien oder steuerpflichtigen Zwecken führt die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach den Nutzungszeiten zu einer präziseren wirtschaftlichen Zurechnung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG als der (unternehmensbezogene oder objektbezogene) Umsatzschlüssel.
BFH v. 26.04.2018, V R 23/16
Hinweis:
Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist gem. § 15 Abs. 4 S. 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann der Unternehmer die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. § 15 Abs. 4 S. 3 UStG regelt schließlich, dass eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig ist, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.
Die Klägerin ist eine in der Rechtsform einer GmbH tätige, als gemeinnützig anerkannte staatlich genehmigte Ersatzschule. Zunächst ging die Klägerin davon aus, dass die Vermietung des Sportplatzes und der Sporthalle an andere Vereine umsatzsteuerfrei sei. In geänderten Steuererklärungen ging die Klägerin aufgrund einer Jahresbetrachtung von einer steuerpflichtigen Verwendung von 77,34 % aus. Diesen Anteil berechnete sie, in dem sie einen täglichen Zeitraum von 8:00 Uhr bis 22:00 Uhr in eine vorsteuerschädliche Nutzung durch die Schule von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr in den Schulzeiten und die gesamte verbleibende Zeit (15:00 Uhr bis 22:00 Uhr in der Schulzeit und 8:00 Uhr bis 22:00 Uhr an Wochenenden und in den Ferienzeiten) für die Vermietung aufteilte. Das FA ging hingegen von einer außerschulischen Auslastung von 70 % abzüglich der Zeiten für schulische Sonderveranstaltungen aus, woraus sich insgesamt ein abziehbarer Vorsteueranteil von 55 % in allen Streitjahren ergab.
Der BFH hat entschieden, dass die Aufteilung nach Nutzungszeiten zu einer präziseren wirtschaftlichen Zurechnung nach § 15 Abs. 4 S. 2 UStG als der unternehmensbezogene oder objektbezogene Umsatzschlüssel führe.
Im Rahmen der wirtschaftlichen Zurechnung nach Zeitanteilen kommt es entscheidend auf die tatsächlichen Nutzungszeiten an. Die von der Klägerin favorisierte Aufteilung nach Nutzungsblöcken, in die sowohl die Zeiten der tatsächlichen Nutzung als auch die Leerstandszeiten eingehen, kommt im Streitfall nicht in Betracht. Eine solche Aufteilung könnte nur dann als sachgerechter Maßstab anzuerkennen sein, wenn die sich unterschiedlich auswirkenden Nutzungen zeitlich strikt getrennt werden und dies anhand substantiierter Aufzeichnungen - mindestens über einen repräsentativen Zeitraum - für das FA und das FG nachvollziehbar sind.

Kein ermäßigter Steuersatz für die Leistungen einer „Dinner-Show“
Ein Leistungsbündel aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste (sog. „Dinner-Show“) unterliegt jedenfalls dann dem Regelsteuersatz, wenn es sich um eine einheitliche, komplexe Leistung handelt.
BFH v. 13.06.2018, XI R 2/16
Hinweis:
Die Steuer beträgt gem. § 12 Abs. 1 UStG für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 % der Bemessungsgrundlage (Regelsteuersatz). Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Bst. a UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler.
Die Beteiligten streiten über die umsatzsteuerrechtliche Behandlung einer „Dinner-Show“.
Der BFH hat entschieden, dass eine „Dinner-Show“ dem Regelsteuersatz unterliegt, wenn es sich um eine einheitliche, komplexe Leistung handelt.
Eine Aufspaltung in eine kulinarische und eine künstlerische Einzel(haupt-)leistung ist angesichts der gewünschten Verbindung von Menü und Show ebenso lebensfremd wie die Annahme, das Menü ist eine Nebenleistung zur Show oder die Show Nebenleistung zum Menü. Show und Menü sind aufeinander abgestimmt und greifen in zeitlicher Hinsicht ineinander. Durch die Verflechtung kann die Leistung nur insgesamt in Anspruch genommen werden. Die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Bst. a UStG setzt voraus, dass die begünstigte Vorführung der Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung ist und den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht. Hieran fehlt es, wenn sich das Leistungsbündel aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste in der Gesamtschau als einheitlicher (komplexer) Umsatz darstellt. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Bst. a UStG findet auch dann keine Anwendung, wenn die Qualität der Darbietung höher ist als die Qualität der Speisen.

1.2.Einkommensteuer

Prämienzahlungen der gesetzlichen Krankenkassen aufgrund von § 53 Abs. 1 SGB V mindern Sonderausgabenabzug
Prämienzahlungen, die eine gesetzliche Krankenkasse ihren Mitgliedern gemäß § 53 Abs. 1 SGB V gewährt, stellen Beitragsrückerstattungen dar, die die wirtschaftliche Belastung der Mitglieder und damit auch ihre Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG reduzieren.
BFH v. 06.06.2018, X R 41/17
Hinweis:
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Bst. a EStG sind Beiträge zu Krankenversicherungen als Sonderausgaben abziehbar, soweit diese zur Erlangung eines durch das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind und auf die Leistungen ein Anspruch besteht.
Im Streitfall hatte der Kläger einen Wahltarif mit Selbstbehalten gewählt, aufgrund dessen er eine Prämie je Kalenderjahr bis zur Höhe von 450 € erhalten konnte. Die von ihm im Gegenzug zu tragenden Selbstbehalte waren auf 550 € begrenzt, so dass er seiner Krankenkasse in dem für ihn ungünstigsten Fall weitere 100 € zu zahlen hatte. Im Streitjahr 2014 erhielt der Kläger eine Prämie von 450 €, die er bei den von ihm geltend gemachten Krankenversicherungsbeiträgen nicht berücksichtigte. Das Finanzamt sah in der Prämienzahlung eine Beitragsrückerstattung und setzte dementsprechend geringere Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Bst. a S. 2 EStG an.
Der BFH hat entschieden, dass die Prämienzahlungen der Krankenversicherung Beitragsrückerstattungen darstellen.
Mit der Prämienzahlung wird die wirtschaftliche Belastung des Steuerpflichtigen reduziert. Diese ist wesentliche Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug. Die Prämie ist damit anders zu behandeln als Bonusleistungen, die gesetzliche Krankenkassen ihren Mitgliedern zur Förderung gesundheitsbewussten Verhaltens gem. § 65a SGB V gewähren. Diese mindern die als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge nicht. Den Unterschied sieht der BFH darin, dass der Bonus eine Erstattung der vom Versicherten selbst getragenen gesundheitsbezogenen Aufwendungen ist und damit nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Basiskrankenversicherungsschutzes steht. Demgegenüber beruhe die Prämie auf der Übernahme des Risikos, der Krankenkasse ggf. weitere, jedoch der Höhe nach begrenzte, Beitragszahlungen leisten zu müssen. Die Beurteilung der Prämie entspricht damit der einer Beitragsrückerstattung einer privaten Krankenversicherung. In beiden Fällen erhält der Versicherte eine Zahlung von seiner Krankenkasse, da diese von ihm nicht oder in einem geringeren Umfang in Anspruch genommen wurde. Dadurch werden im Ergebnis seine Beitragszahlungen reduziert. Im Falle der Beitragserstattungen erkauft der Versicherte dies mit selbst getragenen Krankheitskosten; im streitgegenständlichen Wahltarif ist der Preis des Klägers das Risiko, weitere Zahlungen in Höhe von maximal 100 € erbringen zu müssen.
BUNDESFINANZHOF Urteil vom 26.4.2018, VI R 39/16
ECLI:DE:BFH:2018:U.260418.VIR39.16.0


Vertrieb einer Ware oder Dienstleistung i. S. des § 8 Abs. 3 EStG
§ 8 Abs. 3 EStG gilt ausschließlich für solche Zuwendungen, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses gewährt. Bei der Zuwendung des Vorteils kann sich der Arbeitgeber aber Dritter bedienen, wenn sie in seinem Auftrag und für seine Rechnung tätig werden (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
Der Arbeitgeber vertreibt eine Ware oder Dienstleistung, wenn er sie als eigene am Markt anbietet, er die Ware oder Dienstleistung also am Markt als eigene verfügbar macht.
Daher vertreibt nicht nur derjenige eine Ware oder Dienstleistung, der sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegenüber Letztverbrauchern anbietet, sondern auch derjenige, der Waren und Dienstleistungen für einen Dritten entgeltlich auf dessen Rechnung am Markt vertreibt. Dementsprechend kann auch derjenige als die Ware oder Dienstleistung vertreibender Arbeitgeber i. S. des § 8 Abs. 3 EStG anzusehen sein, der die Ware oder Dienstleistung nach den Vorgaben seines Auftraggebers vertreibt.
BFH v. 26.04.2018, VI R 39/16
Hinweis:
Erhält ein Arbeitnehmer auf Grund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird, so gelten nach § 8 Abs. 3 S. 1 EStG als deren Werte abweichend von § 8 Abs. 2 EStG die um 4 % geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Die sich nach Abzug, der vom Arbeitnehmer gezahlten Entgelte, ergebenden Vorteile sind steuerfrei, soweit sie aus dem Dienstverhältnis insgesamt 1.080 EUR im Kalenderjahr nicht übersteigen (§ 8 Abs. 3 S. 2 EStG).
Streitig war, ob die Vorschrift des § 8 Abs. 3 EStG auf die den Arbeitnehmern unentgeltlich überlassenen Produkte eines mit dem Arbeitgeber konzernverbundenen Unternehmens Anwendung findet, wenn der Arbeitgeber gewichtige Beiträge zur Herstellung und zum Vertrieb dieser Produkte leistet. Außerdem war die Frage zu klären, ob für die Beurteilung der Hersteller- und Vertreibereigenschaft in den Fällen, in denen die unternehmerischen Aktivitäten des Arbeitgebers mehrere Tätigkeiten umfassen, auf das Schwergewicht abzustellen ist. Der Sachverhalt wurde aus Gründen des Steuergeheimnisses vom BFH nicht veröffentlicht.
Der BFH hat entschieden, dass auch derjenige als die Ware oder Dienstleistung vertreibende Arbeitgeber i. S. d. § 8 Abs. 3 EStG anzusehen sein kann, der die Ware oder Dienstleistung nach den Vorgaben seines Auftraggebers vertreibt.
Es entspricht der ständigen Senatsrechtsprechung, dass § 8 Abs. 3 EStG ausschließlich für solche Zuwendungen gilt, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses gewährt. Aus den Begriffen "hergestellt, vertrieben oder erbracht" ergibt sich, dass der Arbeitgeber hinsichtlich der Sachbezüge, die er an Arbeitnehmer verbilligt oder unentgeltlich abgibt, selbst Marktteilnehmer sein muss.

1.3.Sonstiges

Hinzurechnung von transaktionsbezogenen Zahlungen bei computerisierten Reiseinformations- und -vertriebssystemen
Wird eine Zahlung an einen Plattformbetreiber nur für einen Vermittlungserfolg geschuldet, so kann diese, auch wenn der Vertrag die Begriffe "Rechteübertragung" und "Softwarenutzung" enthält, wie die Provision eines Handelsvertreters oder eines Handelsmaklers als Vergütung einer Dienstleistung zu würdigen sein. Derartige Entgelte eines Reiseveranstalters an den Plattformbetreiber für die Buchung von Reiseleistungen sind mithin keine Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten.
BFH v. 26.04.2018, III R 25/16
Hinweis:
Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wird gem. § 8 Nr. 1 GewStG ein Viertel der Summe aus den dort unter den Bst. a bis f benannten Aufwendungen hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe den Betrag von 100.000 EUR übersteigt. Hinzugerechnet wird dabei auch ein Viertel eines Viertels der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten, insbesondere Konzessionen und Lizenzen, mit Ausnahme von Lizenzen, die ausschließlich dazu berechtigen, daraus abgeleitete Rechte Dritten zu überlassen (§ 8 Nr. 1 Bst. f S. 1 GewStG).
Die Klägerin ist eine GmbH, die Reisen vermittelt und damit im Zusammenhang stehende Dienstleistungen übernimmt. Der Vertrieb erfolgt einerseits über die Website der Klägerin, via Telefon oder E-Mail ("Direktbuchung") und andererseits über Computerreservierungssysteme (CRS). Das FA beurteilte die an die CRS-Portalbetreiber geleisteten transaktionsabhängigen Entgelte als zeiltlich befristete Überlassung von Rechten und nahm eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Bst. f GewStG vor.
Der BFH hat entschieden, dass die transkationsbezogene Zahlungen an die Portalbetrieber nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen.
Rechte i. S. d. § 8 Nr. 1 Bst. f S. 1 GewStG sind Immaterialgüterrechte, d. h. subjektive Rechte an unkörperlichen Gütern mit selbständigem Vermögenswert, die eine Nutzungsbefugnis enthalten und an denen eine geschützte Rechtsposition - ein Abwehrrecht - besteht. Ungeschützte Positionen, die gegenüber nicht berechtigten Personen kein Abwehrrecht gewähren, werden nicht vom Rechtebegriff des § 8 Nr. 1 Bst. f GewStG umfasst. Dienstleistungen sind von Rechten i. S. v. § 8 Nr. 1 Bst. f S. 1 GewStG zu unterscheiden; durch sie wird keine Nutzungs- und Abwehrbefugnis an einem unkörperlichen Gut mit selbständigem Vermögenswert überlassen. Das FG hatte als Tatsacheninstanz in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass es sich bei den Zahlungen an die Portalbetreiber um Entgelte für eine technische Vermittlungsleistung handelte, da sie nur bei einer konkreten Buchung anfielen und nur an den CRS-Betreiber entrichtet wurden, über den die Buchung erfolgt ist. Somit war keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung vorzunehmen.
 

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