Rechtsprechung KW 10-2018

 

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Verfassungsmäßigkeit von Nachforderungszinsen für Verzinsungszeiträume im Jahr 2013
Die Höhe der Nachforderungszinsen (§ 233a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) für in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume verstößt weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen das Übermaßverbot.
BFH  v. 09.11.2017, III R 10/16
Hinweis:
§ 233a AO regelt die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen (Grundsatz der Vollverzinsung). Die Verzinsung beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 S. 1 AO, § 36 Abs. 1 i. V. m. § 25 Abs. 1 EStG) und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (§§ 233a Abs. 2 S. 3, 124 Abs. 1 S. 1, 122 AO). Die Zinsen betragen für jeden Monat ein halbes Prozent (§ 238 Abs. 1 S. 1 AO). Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Betracht (§ 238 Abs. 1 S. 2 AO).
Im Streitfall gab der Kläger die Einkommensteuererklärung für 2011 im Dezember 2012 ab. Er erwartete eine Einkommensteuernachzahlung von 300.000 €, die er auf einem gesonderten Bankkonto bereithielt. Im Juli 2013 erbrachte der Kläger im Hinblick auf die drohende Nachzahlung eine freiwillige Zahlung in Höhe von 366.400 € an das FA. Aus dem im September 2013 ergangen Einkommensteuerbescheid ergab sich ein Nachforderungsbetrag von ca. 390.000 €. Hierfür setzte das FA Nachzahlungszinsen von 0,5 % monatlich fest, die sich für den Zinszeitraum April 2013 bis September 2013 auf ca. 11.000 € beliefen. Dem Antrag des Klägers, die Zinsen zu erlassen, entsprach das FA nur insoweit, als es wegen der im Juli 2013 erfolgten freiwilligen Zahlung einen Erlass der Zinsen für August und September 2013 aussprach.
Der BFH hat entschieden, dass die Höhe der Nachforderungszinsen für in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume verfassungsgemäß ist.
Da mit den Nachzahlungszinsen potentielle Liquiditätsvorteile abgeschöpft werden sollen, hielt der BFH eine umfassende Betrachtung der Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten der Steuerpflichtigen für erforderlich. Auf der Grundlage von Daten der Deutschen Bundesbank untersuchte der BFH die Zinssätze für verschiedene kurz- und langfristige Einlagen und Kredite. Hierbei ergaben sich für 2013 Zinssätze, die sich in einer Bandbreite von 0,15 % bis 14,70 % bewegten. Obwohl der Leitzins der Europäischen Zentralbank bereits seit 2011 auf unter 1 % gefallen war, konnte somit nicht davon ausgegangen werden, dass der gesetzliche Zinssatz die Bandbreite realitätsnaher Referenzwerte verlassen hat. Schließlich verneinte der BFH auch einen Anspruch auf einen Erlass der Zinsen. Es komme nicht auf die Ursachen einer späten oder verzögerten Steuerfestsetzung an.
 
 
 

1.2.Einkommensteuer

Einkünfte eines national und international tätigen Fußballschiedsrichters: Gewerblichkeit und abkommensrechtliche Behandlung
Fußballschiedsrichter sind selbständig tätig und nehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil.
Ein international tätiger Schiedsrichter begründet am jeweiligen Spielort keine Betriebsstätte.
Bei den von Schiedsrichtern erzielten Einkünften handelt es sich nicht um solche eines Sportlers.
BFH  v. 20.12.2017,  I R 98/15
Hinweis:
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 u. 2 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter einem Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht der Gewinnerzielung unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Außerdem muss als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hinzukommen, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet.
Der Kläger war in den Streitjahren (2001 bis 2003) als Fußballschiedsrichter sowohl im Inland als auch im Ausland tätig. Er leitete neben Spielen der Fußball-Bundesliga u. a. Spiele im Rahmen einer von der FIFA veranstalteten Weltmeisterschaft sowie - jeweils von der UEFA durchgeführt - der Qualifikation zu einer Europameisterschaft, der UEFA Champions-League und des UEFA Cup. Mit seiner Klage gegen die Festsetzung von Gewerbesteuer war er beim Finanzgericht erfolgreich.
Der BFH hat entschieden, dass der Kläger gewerbliche Einkünfte erzielte und dass diese mangels ausländischer Betriebsstätte vollständig der Gewerbesteuer unterliegen.
Die Schiedsrichtertätigkeit begründet steuerrechtlich einen Gewerbebetrieb, weil eine selbständige nachhaltige Betätigung vorliegt, die in Gewinnerzielungsabsicht und unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unternommen wird. Dabei folgt die Selbständigkeit daraus, dass ein Schiedsrichter bei der Einkünfteerzielung auf eigene Rechnung und Gefahr tätig ist und Unternehmerinitiative entfalten kann; ein „Anstellungsverhältnis“ liegt nicht vor, auch wenn (nach der Zusage, die Spielleitung zu übernehmen) die Tätigkeit hinsichtlich des Ortes und der Zeit im Rahmen der Ansetzung zu den einzelnen Spielen durch die Fußball-Verbände bestimmt wird. Jedenfalls besteht während des Fußballspiels (als Schwerpunkt der Tätigkeit) keine Weisungsbefugnis eines Verbands. Die Tätigkeit des Klägers entspricht auch ihrer Art und ihrem Umfang nach dem Bild einer unternehmerischen Marktteilnahme; die Anzahl der Vertragspartner ist hierbei unerheblich. Nach Ansicht des BFH unterhielt der Kläger nur eine einzige Betriebsstätte, nämlich in seiner inländischen Wohnung als Ort der „Geschäftsleitung“. An den Spielorten (in der jeweiligen Schiedsrichterkabine) unterhält er hingegen keine „feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient“ und damit auch keine Betriebsstätte. Schließlich ist das innerstaatliche (nationale) Besteuerungsrecht auch nicht nach einem DBA ausgeschlossen. Auch wenn sich der Fußballschiedsrichter (im Gegensatz zu Schiedsrichtern mancher anderer Sportarten) bei der Berufsausübung körperlich betätigt, übt er keine Tätigkeit „als Sportler“ aus; zwar wird seine Tätigkeit von den Zuschauern des Fußballspiels wahrgenommen, sie ermöglicht aber lediglich anderen Personen (den Spielern), diesen sportlichen Wettkampf zu bestreiten. Damit ist die Besteuerung abkommensrechtlich nicht dem (ausländischen) Tätigkeitsstaat vorbehalten.
Erhöhte Absetzungen nach § 7h EStG für Eigentumswohnung
Die Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde ist materiell-rechtliche Abzugsvoraussetzung für die Begünstigung nach § 7h EStG und Grundlagenbescheid. Sie ist objektbezogen auszustellen.
Die Bindungswirkung der Bescheinigung erstreckt sich auf die in § 7h Abs. 1 EStG genannten Tatbestandsmerkmale.
Der Regelungsinhalt der Bescheinigung ist im Wege der Auslegung unter ergänzender Heranziehung der Auslegungsregeln des BGB zu ermitteln.
Auch Aufwendungen für eine Eigentumswohnung, mit der neuer Wohnraum geschaffen wurde, können materiell-rechtlich begünstigt sein, wenn und soweit sie sich auf den Altbaubestand beziehen und die Voraussetzungen des § 7h Abs. 1, 2 EStG erfüllen. Es ist unerheblich, ob und mit welchem Anteil die begünstigten Aufwendungen das Sondereigentum oder das Gemeinschaftseigentum betreffen.
BFH  v. 10.10.2017, X R 6/16
Hinweis:
Bei einem im Inland belegenen Gebäude in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich kann der Steuerpflichtige nach Maßgabe des § 7h Abs. 1 S. 1 EStG und abweichend von § 7 Abs. 4 u. 5 EStG im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu neun Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu sieben Prozent der Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i. S. d. § 177 BauGB absetzen. § 7h Abs. 1 S. 1 EStG ist entsprechend anzuwenden auf Herstellungskosten für Maßnahmen, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes i. S. d. Satzes 1 dienen, das wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder städtebaulichen Bedeutung erhalten bleiben soll, und zu deren Durchführung sich der Eigentümer neben bestimmten Modernisierungsmaßnahmen gegenüber der Gemeinde verpflichtet hat (§ 7h Abs. 1 S. 2 EStG). Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Maßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Maßnahmen i. S. d. Sätze 1 und 2 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind (§ 7h Abs. 1 S. 3 EStG). Nach § 7h Abs. 3 EStG gilt dies entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume.
Der Kläger erwarb 2009 eine Eigentumswohnung nebst PKW-Stellplatz. Diese Wohnung war Teil eines umfassenden Modernisierungs- und Neubauprojekts einer Bauträgerin mit insgesamt 91 Wohneinheiten. Teilweise wurde die auf dem Grundstück befindliche denkmalgeschützte Altbausubstanz saniert. Die Wohnung des Klägers wurde als Penthouse auf die vorhandene Altbausubstanz neu aufgebaut. Das FA vertrat die Auffassung, dass die Eigentumswohnung nicht nach § 7h EStG begünstigt sei, da es sich um einen Neubau handele.
Der BFH hat entschieden, dass auch die Aufwendungen für die Neubauwohnung gem. § 7h Abs. 1, 2 EStG begünstigt waren, soweit sie sich auf die Altbausubstanz beziehen.
Hat die Bescheinigungsbehörde (im Streitfalle das Bezirksamt) eine bindende Entscheidung über eine der in § 7h Abs. 1 EStG genannten Voraussetzungen getroffen, hat das FA diese im Besteuerungsverfahren ohne weitere Rechtmäßigkeitsprüfung zugrunde zu legen, es sei denn, sie wäre nach § 125 AO nichtig und deshalb unwirksam. Es ist unschädlich, wenn Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i. S. d. § 177 BauGB ausschließlich im Gemeinschaftseigentum, nicht jedoch im Sondereigentum angefallen sind. Dasselbe gilt umgekehrt. Selbst in Fällen, in denen innerhalb eines bestehenden Gebäudes oder sogar, wie im Streitfall, auf einem bestehenden Gebäude Wohnraum neu geschaffen und dabei Wohnungseigentum nach dem WEG begründet wird, können Maßnahmen sich im Sinne dieser Vorschrift auf ein solches bereits bestehendes Objekt „Eigentumswohnung“ beziehen, wenn sie dem Grunde nach den Maßgaben des § 7h Abs. 1 S. 1, 2 EStG entsprechen, also insbesondere keine Neubaukosten sind.

2.Verwaltungsanweisungen

2.1.Umsatzsteuer

Umsatzsteuerliche Behandlung von virtuellen Währungen
Das BMF hat zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Bitcoins und anderen virtuellen Währungen Stellung genommen und den UStAE geändert.
BMF v. 27.02.2018
Hinweis:
Mit Urteil vom 22.10.2015, C-264/14, Hedqvist hat der EuGH entschieden, dass es sich bei dem Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der sog. virtuellen Währung Bitcoin und umgekehrt um eine Dienstleistung gegen Entgelt i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Bst. c MwStSysRL handelt, die unter die Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Bst. e MwStSysRL fällt.
Bitcoin und andere sog. virtuelle Währungen sind danach den gesetzlichen Zahlungsmitteln gleichgestellt, soweit diese Währungen von den an der Transaktion Beteiligten als Zahlungsmittel akzeptiert worden sind und keinem anderen Zweck als der Verwendung als Zahlungsmittel dienen.
  • Der Umtausch von konventionellen Währungen in virtuelle Währungen und umgekehrt ist umsatzsteuerfrei.
  • Die Verwendung virtueller Währungen zur bloßen Entgeltentrichtung ist nicht steuerbar.
  • Bei Zahlung mit virtueller Währung bestimmt sich das Entgelt beim Leistenden nach dem Gegenwert in der Währung des Mitgliedsstaates, in dem die Leistung erfolgt. Die Umrechnung erfolgt zum letzten veröffentlichten Verkaufskurs. Dieser muss vom leistenden Unternehmer dokumentiert werden.
Weiterhin hat das BMF auch zu Folgefragen hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung von Bitcoin in Bezug auf weitere Umsätze Stellung genommen.
  • „Bitcoin-Mining“ ist nicht umsatzsteuerbar; dies gilt für die sog. Transaktionsgebühr und auch für die Entlohnung in Form des Erhalts neuer Bitcoins durch das System selbst (insoweit fehlt es an einem identifizierbaren Leistungsempfänger).
  • Bei den Leistungen von Anbietern von sog. digitalen Wallets handelt es sich um auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen i. S. d. § 3a Abs. 5 S. 2 Nr. 3 UStG.
  • Das Bereitstellen einer Handelsplattform ist keine gem. § 4 Nr. 8 UStG steuerbefreite Leistung. Soweit der Betreiber der Plattform allerdings den Kauf und Verkauf von Bitcoin als Mittelsperson im eigenen Namen vornimmt, kommt die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 8 Bst. b UStG in Betracht.

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