Rechtsprechung KW 07-2018

 

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Verlängerte Festsetzungsverjährung bei Steuerhinterziehung eines Miterben
Der Erbe tritt sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein und schuldet die Einkommensteuer als Gesamtschuldner in der Höhe, in der sie durch die Einkünfteerzielung des Erblassers entstanden ist.
Auch eine wegen Demenz des Erblassers unwirksame Einkommensteuererklärung führt - ist sie unrichtig oder unvollständig - zu einer Berichtigungspflicht des Erben nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 AO, bei deren Verletzung eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO durch Unterlassen vorliegen kann.
Die Berichtigungspflicht des Erben nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 AO wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass er bereits vor dem Tod des Erblassers Kenntnis davon hatte, dass dessen Steuererklärung unrichtig ist.
Die Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 und 3 1. Halbsatz AO tritt auch dann ein, wenn der als Gesamtschuldner in Anspruch genommene Erbe keine Kenntnis von der Steuerhinterziehung eines Miterben hat.
Jedem Erben steht die Möglichkeit zu, sich nach Maßgabe des § 169 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz AO zu exkulpieren.
BFH v. 29.08.2017, VIII R 32/15
Hinweis:
Nach § 169 Abs. 1 S. 1 AO ist eine Änderung der Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt gem. § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO in der Regel vier Jahre und verlängert sich gemäß § 169 Abs. 2 S. 2 AO im Fall einer Steuerhinterziehung auf zehn Jahre. Sie beginnt nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung beim Finanzamt eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.
Im Streitfall war die Klägerin gemeinsam mit ihrer Schwester Erbin ihrer verstorbenen Mutter. Die Erblasserin hatte in den Jahren 1993 bis 1999 Kapitaleinkünfte im Ausland erzielt, die sie nicht in ihren Einkommensteuererklärungen angegeben hatte. Seit 1995 war sie aufgrund einer Demenzerkrankung nicht mehr in der Lage, wirksame Einkommensteuererklärungen abzugeben. Die Steuererklärungen der Erblasserin waren unter Beteiligung der Schwester der Klägerin (Miterbin) erstellt worden. Dieser war spätestens ab Eintritt des Erbfalls bekannt, dass die Mutter (Erblasserin) ihre Kapitaleinkünfte in den Einkommensteuererklärungen zu niedrig angegeben hatte. Das FA erließ gegenüber der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Erblasserin geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die Steuer für die nicht erklärten Zinsen nachforderte.
Der BFH hat entschieden, dass die Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre auch dann eintritt, wenn der als Gesamtschuldner in Anspruch genommene Erbe keine Kenntnis von der Steuerhinterziehung eines Miterben hat.
Die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers haften gem. § 1967 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten. Dies gilt gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 AO auch für die Steuerschulden. Auf die Kenntnis von der objektiven Steuerverkürzung des Erblassers kommt es nicht an, sondern nur auf die Höhe der entstandenen Steuerschuld. Mehrere Erben haften als Gesamtschuldner. Dies bedeutet, dass das FA im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens jeden Erben für die gesamte Steuerschuld des Erblassers in Anspruch nehmen kann. War der Erblasser zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung aufgrund einer Demenzerkrankung geschäftsunfähig i. S. d. § 104 Nr. 2 BGB, ist seine Steuererklärung zwar unwirksam, dies hat auf die Höhe der gesetzlich entstandenen Steuer jedoch keine Auswirkung. Erfährt ein Erbe vor oder nach dem Erbfall, dass die Steuern des Erblassers zu niedrig festgesetzt wurden, ist er auch in diesem Fall nach § 153 Abs. 1 S. 2 AO verpflichtet, die (unwirksame) Einkommensteuererklärung des Erblassers zu berichtigen. Unterlässt er dies, begeht er eine Steuerhinterziehung. Diese Steuerhinterziehung führt dazu, dass sich bei allen Miterben die Festsetzungsfrist für die verkürzte Steuer nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO auf zehn Jahre verlängert. Wie der BFH hervorhebt, trifft dies auch den Miterben, der weder selbst eine Steuerhinterziehung begangen hat noch von dieser wusste.

1.2.Bilanzsteuerrecht

Gewinnübertragung nach § 6b EStG: Veräußerung an Schwesterpersonengesellschaft, Kürzung um fiktive Wertaufholung
Veräußert eine Personengesellschaft ein Wirtschaftsgut des Gesamthandsvermögens an eine andere Personengesellschaft, an der einer ihrer Gesellschafter ebenfalls als Mitunternehmer beteiligt ist, kann der auf den Doppelgesellschafter entfallende Veräußerungsgewinn unter den Voraussetzungen des § 6b EStG im Umfang des Anteils des Doppelgesellschafters am Gesamthandsvermögen der Schwestergesellschaft auf die Anschaffungskosten des nämlichen Wirtschaftsguts übertragen werden.
Der nach § 6b EStG übertragbare Gewinn ergibt sich aus dem Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert übersteigt, mit dem das veräußerte Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Veräußerung anzusetzen gewesen wäre. Bei der danach erforderlichen Ermittlung des fiktiven Buchwerts auf den Zeitpunkt der Veräußerung sind alle Bewertungsregeln des § 6 EStG zu beachten, auch die Regelungen zur Wertaufholung.
Die Ausnahme von der teilweisen Steuerbefreiung nach einer voll gewinnmindernden Teilwertabschreibung gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. a Satz 2 EStG gilt auch für den Fall, dass der Anteil später veräußert wird.
BFH  v. 09.11.2017, IV R 19/14
Hinweis:
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG ist eine zu einem Betriebsvermögen gehörende Beteiligung grundsätzlich mit den Anschaffungskosten zu bewerten, es sei denn, der Steuerpflichtige weist nach, dass ein niedrigerer Teilwert angesetzt werden kann (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 i. V. m. Nr. 1 S. 4 EStG).
Die Klägerin ist eine KG, an der mit 1 % die R-GmbH als Komplementärin und mit 99 % R als Kommanditist beteiligt war. Die KG war zu 50 % an einer GmbH beteiligt. Im Jahr 1996 nahm die Klägerin eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung vor. Im Streitjahr 2006 wurde die E-KG gegründet, an der R vermögensmäßig zu 100 % beteiligt war. Die KG veräußerte die Beteiligung an der GmbH an die E-KG. Der Veräußerungsgewinn wurde durch Gegenüberstellung des Veräußerungspreises und des Buchwertes ermittelt. In einer Ergänzungsbilanz wurde für R in Höhe des anteiligen, auf ihn entfallenden Veräußerungsgewinns, eine § 6b-Rücklage gebildet. Die stillen Reserven wurden auf die Anschaffungskosten der E-KG für die Anteile an der GmbH übertragen. Das Finanzamt berücksichtigte hingegen einen Wertaufholungsgewinn in Höhe der vormals vorgenommenen Teilwertabschreibung und verminderte den nach § 6b EStG begünstigten Gewinn entsprechend.
Der BFH hat entschieden, dass bei Ermittlung des begünstigten § 6b-Gewinns zunächst eine Wertaufholung vorzunehmen ist, die nicht gem. § 6b EStG begünstigt ist.
Nach § 6b Abs. 10 S. 10 i. V. m. S. 1 EStG kann eine Personengesellschaft Gewinne aus der Veräußerung von zu ihrem Gesamthandsvermögen gehörenden Anteilen an Kapitalgesellschaften bis zu einem Betrag von 500.000 € u. a. auf die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder in den folgenden zwei Wirtschaftsjahren angeschafften Anteile an Kapitalgesellschaften übertragen, soweit an der Personengesellschaft keine Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen beteiligt sind. Wegen der gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise erlaubt § 6b EStG die Übertragung eines dem Gesellschafter zuzurechnenden Veräußerungsgewinns nicht nur betriebsbezogen, sondern auch auf Wirtschaftsgüter eines Einzel- oder Sonderbetriebsvermögens des Gesellschafters sowie in Höhe des auf den Gesellschafter entfallenden ideellen Anteils auf Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens einer anderen Personengesellschaft, an der der Gesellschafter ebenfalls als Mitunternehmer beteiligt ist. Das gilt selbst dann, wenn das Wirtschaftsgut an eine Schwestergesellschaft veräußert wird, so dass der Gewinn auf die Anschaffungskosten des nämlichen Wirtschaftsguts übertragen werden kann, soweit an dieser derselbe Mitunternehmer (hier: der Beigeladene) beteiligt ist. Gem. § 6b Abs. 10 S. 4, Abs. 2 EStG ist als Gewinn der Betrag abziehbar und übertragbar, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert übersteigt, mit dem das veräußerte Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Veräußerung anzusetzen gewesen wäre. Buchwert ist dabei der Wert, mit dem ein Wirtschaftsgut nach § 6 EStG anzusetzen ist. Bei der danach erforderlichen Ermittlung des fiktiven Buchwerts auf den Zeitpunkt der Veräußerung sind alle Bewertungsregeln des § 6 EStG zu beachten, auch die Regelungen in § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4, Nr. 2 S. 3 EStG zur Wertaufholung. Der fiktive Wertaufholungsgewinn war nicht gem. § 3 Nr. 40 Bst. a S. 1 EStG steuerbefreit. Die Steuerbefreiung  gilt gem.  § 3 Nr. 40 Bst. a S. 2 EStG nicht, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts – wie im vorliegenden Fall – in vollem Umfang zu einer Gewinnminderung  geführt hat.

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