Rechtsprechung KW 18-2017

1. Verfahrensrecht

Heilung eines nicht ausreichend begründeten Ermessensverwaltungsakts nach Erledigung und vor Einlegung des Einspruchs

Hat sich der Verwaltungsakt vor der Einlegung des Einspruchs durch Zeitablauf oder in sonstiger Weise gemäß § 124 Abs. 2 AO erledigt, ist eine Heilung nach § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO nicht mehr möglich.

Die Anwendung des § 102 Satz 2 FGO ist bei einer nach Erledigung des Verwaltungsakts nur noch in Betracht kommenden Fortsetzungsfeststellungsklage ausgeschlossen.

BFH  v. 17.01.2017, VIII R 52/14

Hinweis:

Gem. § 121 Abs. 1 AO ist ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. Gem. § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 125 AO nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderlche Begründung nachträglich gegeben wird. Gem. § 126 Abs. 2 AO kann die Begründung noch bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholgt werden.

Im Streitfall hatte das FA die Kläger aufgefordert, die Einkommensteuererklärung für 2010 bis zum 31.08.2011 (und damit vorzeitig) einzureichen. Begründet wurde die vorzeitige Anforderung mit dem Hinweis, dass die vorzeitige Anforderung im Interesse einer ordnungsgemäßen Durchführung des Besteuerungsverfahrens erfolgt. Die von einem Steuerberater angefertige Steuererklärung ging am 07.12.2011 beim FA ein. Das FA setzte daraufhin einen Verspätungszuschlag i. H. v. 880 € fest.

Der BFH hat entschieden, dass der Verspätungszuschlag aufzuheben ist.

Nach den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder über Steuererklärungsfristen verlängert sich die gesetzliche Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung (31. Mai) bis zum Ende des auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres, wenn die Steuererklärung durch eine Person i. S. d. §§ 3 und 4 des Steuerberatungsgesetzes (z.B. einen Steuerberater) angefertigt wird. Allerdings bleibt es dem FA vorbehalten, die Erklärung für einen Zeitpunkt vor Ablauf dieser Frist anzufordern. Es handelt sich hierbei um eine Ermessensentscheidung, die zu begründen ist.

Sowohl die Aufforderung zur vorzeitigen Abgabe der Steuererklärung als auch die Festsetzung des Verspätungszuschlags waren rechtswidrig. Zwar hätte der Begründungsmangel nach § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO durch das sog. Nachschieben einer Begründung beseitigt werden können. Eine solche Heilung des Verfahrensmangels kommt jedoch nach Auffassung des BFH nicht mehr in Betracht, wenn sich die Aufforderung zur termingebundenen Abgabe vor der Einlegung eines Einspruchs durch die Abgabe der Steuererklärung bereits erledigt hat. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Aufforderung war auch der vom FA festgesetzte Verspätungszuschlag rechtswidrig und aufzuheben, da die Kläger die Steuererklärung noch innerhalb der allgemein bis zum 31.12.2011 verlängerten Frist eingereicht hatten.

Im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens verlängern sich ab VZ 2018 die Fristen zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für unberatene Steuerpflichtige bis zum 31.07. des Folgejahres bzw. für beratene Steuerpflichtige bis zum 28./29.02. des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahrs. Nach § 152 Abs. 2 AO n. F. ist künftig u.a. dann ein Verspätungszuschlag festzusetzen, wenn eine Steuererklärung, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezieht, nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs oder nicht binnen 14 Monaten nach dem Besteuerungszeitpunkt abgegeben wurde. Insoweit ist keine Ermessensausübung mehr erforderlich. 

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