Rechtsprechung KW 15-2017

1. Verfahrensrecht

Beschwer bei sog. Nullbescheid; Bankenprivileg für Konzernfinanzierungsgesellschaft


Wegen der Bindungswirkung für den Verlustfeststellungsbescheid (§ 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG) löst auch eine Messbetragsfestsetzung von Null (sog. Nullbescheid) eine Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO) aus.

Auch Konzernfinanzierungsgesellschaften können Kreditinstitute i.S. des § 1 KWG sein und die Voraussetzungen des sog. Bankenprivilegs (§ 19 Abs. 1 GewStDV) erfüllen.

BFH  v. 06.12.2016, I R 79/15

Hinweis:

Nach § 35b Abs. 2 S. 2 GewStG sind bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (ebenso wie nach § 10d Abs. 4 S. 4 des EStG bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den Schluss eines Veranlagungszeitraums) die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der Festsetzung des Steuermessbetrags für den Erhebungszeitraum, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust festgestellt wird, zugrunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO gelten entsprechend. 

Die Klägerin gehört zu einer Unternehmensgruppe und nimmt dort die Funktion einer Finanzierungsgesellschaft wahr. Das FA setzte den Gewerbesteuermessbetrag i. H. v. 0 € fest, indem es Finanzierungsaufwendungen gem. § 8 Nr. 1 Bst. a GewStG hinzurechnete.

Der BFH hat entschieden, dass die Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Bst. a GewStG fehlerhaft vorgenommen wurden.

Zwar fehlt es für die Anfechtung eines auf Null lautenden Steuerbescheids regelmäßig an der für die Zulässigkeit einer Klage erforderlichen Beschwer; dies gilt aber nicht, wenn sich die Steuerfestsetzung nicht in der Konkretisierung des Steuerschuldverhältnisses erschöpft, etwa weil der zugrunde gelegte Gewinn eine verbindliche Entscheidungsgrundlage für andere Bescheide bildet. Diese Voraussetzungen hat das FG zutreffend als erfüllt angesehen, da die der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen inhaltlich für den (Verlust)Feststellungsbescheid Bindungswirkung entfalten.

Die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung der bei der Gewinnermittlung abgesetzten Entgelte für Schulden nach § 8 Nr. 1 Bst. a GewStG sind nicht erfüllt. Eine Hinzurechnung ist allerdings nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 GewStDV (sog. Bankenprivileg) im Streitfall ausgeschlossen. Bei Kreditinstituten sind nur Entgelte für Schulden und den Entgelten gleichgestellte Beträge anzusetzen, die dem Betrag der Schulden entsprechen, um den der Ansatz bestimmter zum Anlagevermögen gehörender Wirtschaftsgüter und bestimmter Beteiligungen das Eigenkapital überschreitet. Kreditinstitute sind gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 KWG Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig betreiben. Die Klägerin hat verzinsliche Darlehen an verschiedene Gesellschaften innerhalb der Unternehmensgruppe ausgereicht. Da die Geschäfte auf gewisse Dauer angelegt waren und mit Blick auf eine Marktüblichkeit der Zinssätze eine Gewinnerzielungsabsicht bestand, ist abzuleiten, dass die Klägerin Bankgeschäfte i. S. d. § 1 Abs. 1 KWG gewerbsmäßig betrieben hat.




2. Umsatzsteuer

Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung in Bauträgerfällen


Eine Umsatzsteuerfestsetzung kann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht.

Das FA hat eine Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG auch dann anzunehmen, wenn der Steueranspruch bereits durch Zahlung getilgt war. Auf das Vorliegen einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis kommt es nicht an.

BFH  v. 23.02.2017, V R 16, 24/16

Hinweis:

Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15.02.2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein. § 176 AO steht der Änderung nach § 27 Abs. 19 S. 1 UStG nicht entgegen, vgl. § 27 Abs. 19 S. 2 UStG.

Die Klägerin (eine GmbH) erbrachte Mauerarbeiten gegenüber einer Bauträger-GmbH. Jene wurde vom FA - entsprechend der allgemeinen Verwaltungsvorschrift - als steuerpflichtige Leistungsempfängerin in Anspruch genommen. Nach der einengenden BFH-Entscheidung beantragte die Bauträger-GmbH beim FA die Erstattung der Umsatzsteuer, die sie in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldnerin zu sein. Das FA setzte daraufhin die Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin fest. Hiergegen berief sich die Klägerin auf den Schutz ihres Vertrauens in die von der Finanzverwaltung praktizierte Rechtslage. Das Finanzgericht billigte die Umsatzsteuerfestsetzung, verpflichtete aber das FA dazu, das Angebot der Klägerin auf Abtretung ihres Anspruchs gegen die Bauträger-GmbH auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer anzunehmen.

Der BFH hat entschieden, dass eine Änderung gem. § 27 Abs. 19 S. 1 UStG grundsätzlich möglich ist, die Änderung jedoch voraussetzt, dass der Klägerin ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der festgesetzten Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht.

Die gesetzliche Übergangsregelung (§ 27 Abs. 19 UStG) schließt den allgemeinen Vertrauensschutz gegenüber einer belastenden Änderung (§ 176 Abs. 2 AO) aus. Die Rechtslage entspricht nach der Entscheidung des BFH aber nur dann den unionsrechtlichen Prinzipien des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Neutralität, wenn die Befugnis des FA zur Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung gegen den Leistenden voraussetzt, dass diesem ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger tatsächlich zusteht. Der Bauhandwerker wird auf diese Weise vollständig von der Umsatzsteuer auf seine Leistungen entlastet; er steht dann so, wie er stünde, wenn alles von vornherein richtig beurteilt worden wäre.

Ort der Lieferung in ein Konsignationslager

Für die Lieferortbestimmung nach § 3 Abs. 6 UStG muss der Abnehmer bereits bei Beginn der Versendung feststehen. Eine Versendungslieferung kann dann auch vorliegen, wenn der Liefergegenstand nach dem Beginn der Versendung für kurze Zeit in einem Auslieferungslager gelagert wird.

Vereinbaren die an einem Leistungsaustausch Beteiligten rechtsirrtümlich die Gegenleistung ohne Umsatzsteuer, ist der vereinbarte Betrag in Entgelt und darauf entfallende Umsatz-steuer aufzuteilen.

BFH  v. 16.11.2016, V R 1/16

Hinweis:

Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung gemäß § 3 Abs. 6 S. 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 7 S. 1 UStG).

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts (B.V.) mit Sitz in den Niederlanden. In den Streitjahren (2005 bis 2010) lieferte die Klägerin Waren (Bildschirme) an die Großhändlerin mit Sitz in Deutschland. Die Waren wurden dabei von der Klägerin aus den Niederlanden in ein auf dem Betriebsgelände der Beigeladenen befindliches Konsignationslager verbracht. Die Klägerin behandelte die Veräußerungen an die Großhändlerin als in Deutschland nicht steuerbar und erklärte diese in den Niederlanden als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Das FA behandelte die Lieferungen der Klägerin an die deutsche Großhändlerin hingegen als im Inland steuerbare und steuerpflichtige Vorgänge.

Der BFH hat entschieden, dass die Lieferungen im Inland steuerbar und steuerpflichtig sind.

Der Ort der streitigen Lieferungen befand sich am Ort des Konsignationslagers im Inland, weil bei Versendung der Waren der Abnehmer noch nicht feststand. Erst mit der Entnahme der Waren aus dem Konsignationslager war sicher, dass die Beigeladene die Gegenstände behalten werde und bereit war, hierfür den Kaufpreis zu entrichten.




3. Einkommensteuer

Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes bei mittelbarer Beteiligung setzt Beherrschung der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft voraus


Der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG ist bei einer Darlehensgewährung an eine Kapitalgesellschaft nicht schon deshalb nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG ausgeschlossen, weil der Gläubiger der Kapitalerträge mittelbar zu mindestens 10 % an der Schuldnerin beteiligt ist (entgegen BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016 IV C 1-S 2252/08/10004:017, 2015/0468306, BStBl I 2016, 85, Tz 137).

Sind Anteilseignerin und Schuldnerin der Kapitalerträge jeweils Kapitalgesellschaften, kann der Steuerpflichtige als Gläubiger der Kapitalerträge jedenfalls dann eine der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft nahestehende Person i. S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG sein, wenn er aufgrund seiner Beteiligung über die Mehrheit der Stimmrechte in deren Gesellschafterversammlung verfügt.

BFH  v. 20.10.2016, VIII R 27/15

Hinweis:

Gem. § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Bst. b S. 1 EStG ist der Abgeltungstarif ausgeschlossen, wenn u.a. Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist. Nach
S. 2 der Vorschrift gilt dies auch, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist.

Im Urteilsfall hatten die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann an eine Kapitalgesellschaft, an der sie nicht unmittelbar beteiligt waren (Enkelgesellschaft), ein Grundstück veräußert und die Kaufpreisforderung in ein verzinsliches Darlehen umgewandelt. An dieser Gesellschaft war zu 94 % eine weitere Kapitalgesellschaft (Muttergesellschaft) beteiligt, an der im Streitjahr 2011 die Klägerin zunächst Anteile in Höhe von 10,86 % und später dann in Höhe von 22,80 % des Stammkapitals hielt. Das FA hat die Zinsen dem progressiven Regeltarif gem. § 32a EStG unterworfen, da Das Finanzgericht hat die von der Enkelgesellschaft an die Klägerin gezahlten Darlehenszinsen in den gesonderten Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG einbezogen, da die Zinsen wie Zinsen auf Darlehen eines unmittelbaren Gesellschafters aus dem Abgeltungstarif ausgeschlossen seien.

Der BFH hat entschieden, dass die Zinsen dem Abgeltungstarif gem. § 32d Abs. 1 EStG unterliegen. 

Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Bst. b S. 1 EStG, die Zinsen aus Darlehen eines unmittelbaren Gesellschafters aus dem gesonderten Tarif ausschließt, findet weder nach ihrem Wortlaut für Darlehen eines mittelbaren Gesellschafters Anwendung noch ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift die Einbeziehung solcher Darlehen in die Regelung geboten. Auch die Anwendung der weiteren Ausnahmeregelung (§ 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Bst. b S. 2 EStG) kommt nicht in Betracht. Diese verlangt, dass der Gesellschafter der Muttergesellschaft als Darlehensgeber im Verhältnis zur Enkelgesellschaft als Darlehensnehmerin eine „nahe stehende Person“ sein muss. Das hierzu erforderliche Nähe- und Abhängigkeitsverhältnis zur Enkelgesellschaft liegt nach dem BFH jedenfalls dann vor, wenn der Darlehensgeber als Gläubiger der Kapitalerträge eine Beteiligung an der Muttergesellschaft innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in deren Gesellschafterversammlung durchzusetzen. Zusätzlich muss die Mutter- an der Enkelgesellschaft (Darlehensschuldnerin) zu mindestens 10 % beteiligt sein. Da die Klägerin im Streitjahr 2011 zu keinem Zeitpunkt über eine Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Muttergesellschaft verfügte, war sie im Verhältnis zur Enkelgesellschaft demnach keine nahe stehende Person gem. § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Bst. b S. 2 EStG.

Einkünfteerzielungsabsicht bei langjährigem Leerstand einer Wohnung - vergebliche und nicht durchsetzbare Bemühungen zur Herstellung der Betriebsbereitschaft

Kann ein Steuerpflichtiger eine in seinem Eigentum stehende Wohnung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauerhaft nicht in einen betriebsbereiten Zustand versetzen und zur Vermietung bereitstellen, ist es nicht zu beanstanden, wenn das FG nach einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen vom Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht ausgeht.

BFH  v. 31.01.2017, IX R 17/16

Hinweis:

Nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind nach § 9 Abs. 1 S. 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind.

Der Kläger erwarb 1993 eine Eigentumswohnung. Die Wohnung stand seit 1999 leer. Die Eigentümergemeinschaft beschloss eine umfassende Sanierung des maroden Hauses. Zu der Sanierung ist es aufgrund von diversen Vorkommnissen nicht gekommen. 2008 beauftragte der Kläger einen Makler mit der Vermietung der Wohnung. Der Makler teilte 2012 mit, dass alle Bemühungen, die Wohnung zu vermieten, aufgrund des Gesamtzustands der Anlage und der nicht abgeschlossenen Sanierung gescheitert seien. Das FA erkannte die Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung nicht an.

Der BFH hat entschieden, dass ein Abzug der Werbungskosten für die Wohnung nicht mehr in Betracht kam.

Der Kläger war offenbar nicht in der Lage, eine Vermietung des Objekts zu erreichen. Denn zum Erreichen dieses Ziels war der Kläger auf die anderen Miteigentümer angewiesen, deren tatsächliche und finanzielle Mitwirkung in den Streitjahren nicht vorlag. Nach den Feststellungen des FG waren die über Hausverwaltungen und Makler vorgenommenen Vermietungsbemühungen in den Streitjahren nicht ernsthaft und nachhaltig gemeint. Sie konnten aufgrund des Zustands der Anlage nur ins Leere laufen.

Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung - Berechnung der Opfergrenze

Hat der Steuerpflichtige nur einen Teil des Jahres Anspruch auf Freibeträge für Kinder nach § 32 Abs. 6 EStG, Kindergeld oder eine andere Leistung für Kinder (§ 65 EStG), ist dies bei der Berechnung der Opfergrenze durch eine monatsbezogene Kürzung der anzusetzenden kinderbezogenen 5 %-Pauschale zu berücksichtigen.

BFH  v. 14.12.2016, VI R 15/16

Hinweis:

Erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen (im Streitjahr) bis zu 8.004 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 S. 1 EStG).

Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung Unterhaltsleistungen für seine beiden Söhne i. H. v. 16.008 € geltend. Das FA. ließ nach Anwendung der Opfergrenze nur 9.612 € zum Abzug zu.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH können Unterhaltsaufwendungen im Allgemeinen nur dann als zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs verbleiben.

Wo die steuerliche Opfergrenze im Einzelfall liegt, hängt von der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und damit seinem Vermögen ab, Unterhalt zu leisten. Maßgröße ist insoweit das verfügbare Nettoeinkommen. Dann wird bemessen, welcher Anteil des verfügbaren Nettoeinkommens für Unterhaltsleistungen steuererheblich "geopfert" werden kann. Denn die geleisteten Unterhaltsaufwendungen müssen in einem "vernünftigen Verhältnis zu den Einkünften stehen" (BMF- Schreiben v. 07.06.2010 - IV C 4 - S 2285/07/0006 : 001, BStBl I 2010, 582, Tz 11). Dieser beträgt 1 % je volle 500 EUR des verfügbaren Nettoeinkommens, höchstens 50 %, und ist um je 5 % für den (ggf. auch geschiedenen) Ehegatten und für jedes Kind, für das der Steuerpflichtige Anspruch auf Freibeträge für Kinder nach § 32 Abs. 6 EStG, Kindergeld oder eine andere Leistung für Kinder (§ 65 EStG) hat, zu kürzen, höchstens um 25 % (BMF- Schreiben v. 07.06.2010 - IV C 4 - S 2285/07/0006 : 001). Für alle in § 33a Abs. 1 und Abs. 2 EStG genannten Beträge kommt abweichend vom Jahressteuerprinzip das Monatsprinzip zur Anwendung. Entsprechendes gilt für den Anspruch auf Freibeträge für Kinder nach § 32 Abs. 6 EStG, Kindergeld oder eine andere Leistung für Kinder (§ 65 EStG). Auch insoweit ist eine dem Monatsprinzip folgende Betrachtungsweise angezeigt. Folglich ist das verfügbare Nettoeinkommen nicht pauschal um 5 % im Jahr für jedes Kind, sondern nur insoweit zu kürzen, als der Steuerpflichtige Anspruch auf Freibeträge für Kinder nach § 32 Abs. 6 EStG, Kindergeld oder eine andere Leistung für Kinder (§ 65 EStG) hat.




4. Internationales Steuerrecht

Ausnahmsweise Zulässigkeit der Klage gegen sog. Nullbescheid – Gewerblichkeitsfiktion des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder Veräußerung inländischen Grundbesitzes


Nach der Neukonzeption des Verhältnisses zwischen Steuerfestsetzung und Verlustfeststellung durch das Jahressteuergesetz 2010 kann der Steuerpflichtige gegebenenfalls auch gegen die Festsetzung der Körperschaftsteuer auf 0 € klagen, wenn der Festsetzung ein aus seiner Sicht zu hoher Gesamtbetrag der Einkünfte zugrunde liegt, der zur Feststellung eines zu niedrigen Verlustvortrags führt.

Zu den bei ausländischen Körperschaften nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG als gewerblich fingierten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder Veräußerung inländischen Grundbesitzes gehört nicht der Ertrag aus einem gläubigerseitigen Verzicht auf die Rückzahlung eines Darlehens, mit dem die Körperschaft den Erwerb der Immobilie finanziert hatte.

BFH  v. 07.12.2016, I R 76/14

Hinweis:

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. f S.1 EStG sind gewerbliche Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Dbst. aa) oder Veräußerung (Dbst. bb) u.a. von inländischem unbeweglichem Vermögen beschränkt steuerpflichtig, soweit sie nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a EStG fallen.

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg. Die Klägerin kaufte im Jahr 2007 ein im Inland belegenes Grundstück, aus dem sie steuerpflichtige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte. Den Kaufpreis finanzierte sie überwiegend durch Bankdarlehen sowie durch ein Darlehen einer Konzerngesellschaft. Das Grundstück wurde u.a. durch ein Darlehen einer in Großbritannien ansässigen Gesellschaft, die mittelbar 100 % der Anteile an der Klägerin hielt, finanziert. Im Jahr 2011 verkaufte die Klägerin das im Inland belegene Grundstück. Der Erlös aus dem Grundstücksverkauf reichte nicht aus, um das Konzerndarlehen vollständig zu tilgen. Die britische Konzerngesellschaft verzichtete daraufhin auf einen Teilbetrag ihrer Darlehensforderung. Die Klägerin verfügte im Inland weder über eine Betriebsstätte noch über einen ständigen Vertreter. Das FA berücksichtigte den Ertrag aus dem Forderungsverzicht als beschränkt steuerpflichtige Einkünfte.

Der BFH hat entschieden, dass der Ertrag aus dem Darlehensverzicht nicht der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegt.

Zwar sind die im Streitjahr erzielten Einkünfte der Klägerin aus der Vermietung und der Veräußerung des inländischen Grundstücks gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. f EStG inländische Einkünfte i. S. d. beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Nr. 1 KStG). Der durch den Forderungsverzicht verursachte Ertrag ist jedoch im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte des sonach fiktiven Gewerbebetriebs nicht gewinnwirksam zu berücksichtigen. Denn es handelt sich dabei weder um Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung noch um solche aus der Veräußerung des inländischen Grundstücks. Die gesetzliche Umqualifizierung der Vermietungs- und Veräußerungseinkünfte in gewerbliche Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. f S. 2 EStG ändert daran nichts. Insbesondere wird durch die Fiktion der Gewerblichkeit keine inländische Betriebsstätte fingiert.

Neueste Einträge