Auswertung aktueller Aufsätze - Februar 2017

1. Verfahrensrecht

1.1. NWB

Anmerkungen zur Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung - Aussagen des BFH in der Information der OFD Karlsruhe vom 31.10.2016


Nöcker, NWB 07/2016, S. 492

Anmerkung:

Die OFD Karlsruhe hat am 31.10.2016 Informationen zum Thema „Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung“ veröffentlicht.

Einzelaufzeichnungspflicht

Mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen wurde in § 146 Abs. 1 S. 1 AO geregelt, dass Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen einzeln vorzunehmen sind (Einzelaufzeichnungspflicht). Gem. § 146 Abs. 1 S. 3 AO besteht die Einzelaufzeichnungspflicht aus Zumutbarkeitsgründen beim Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegeben Barzahlung nicht. Dies gilt jedoch gem. § 146 Abs. 1 S. 4 AO nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem gem. § 146a AO verwendet.

Nicht aufrüstbare Registrierkassen

Wird ein Kassensystem eingesetzt, bei dem eine dauerhaften Datenspeicherung technisch nachweislich nicht möglich ist, darf die Kasse längstens bis zum 31.12.2016 eingesetzt werden (BMF-Schreiben v. 26.11.2010, BStBl 2010 I S. 1342. Registrierkassen, die nach dem 25.11.2010 angeschafft worden sind und die den Anforderungen des BMF-Schreibens v. 26.11.2010, a.a.O., entsprechen, können bis zum 31.12.2022 verwendet werden, wenn sie bauartbedingt nicht aufgerüstet werden können.

Offene Ladenkassen

Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung muss nur dann nicht erfüllt werden, soweit nachweislich Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden. Für die Erstellung eines Kassenberichts ist der gesamte geschäftliche Bargeldendbestand täglich zu zählen. Hierzu sollte nach der Information der OFD Karlsruhe ein Zählprotokoll erstellt werden.

Schätzungsbefugnis bei Mängeln der Kassenbuchführung

Ist die Kassenbuchführung nicht ordnungsgemäß, hat dies den Verlust der Ordnungsmäßigkeit der gesamten Buchführung zur Folge. Das FA hat die Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO zu schätzen. Bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Löschen von Daten bzw. bei Manipulationen in der Programmierung liegt ein Straftatbestand vor.

1.2. DStR

Gesetzliche Neuregelung zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen


Schwenker, DStR 05/2017, S. 225

Anmerkung:

Zum 31.12.2016 lief die Übergangsfrist des BMF-Schreibens vom 26.11.2010, BStBl 2010 I S. 1342 zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei Bargeschäften aus. Ab dem 01.01.2017 müssen Unterlagen im Sinne des § 147 Abs. 1 AO die mittels elektronischer Registrierkassen, Waagen mit Registrierkassenfunktion, Taxametern und Wegstreckenzähler erstellt worden sind, für die Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar, unverzüglich lesbar und maschinell auswertbar aufbewahrt werden. Mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen v. 28.12.2016, BGBl 2016 I S. 3152  soll die Steuerhinterziehung durch manipulierte Kassenaufzeichnungen wirksam bekämpft werden.
  • Einführung einer zertifizierten Sicherheitseinrichtung
Elektronische Aufzeichnungssysteme sind durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung zu schützen. Die zertifizierte Sicherheitseinrichtung besteht aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer einheitlichen digitalen Schnittstelle. Die digitalen Grundaufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzuzeichnen (Einzelaufzeichnungspflicht) und müssen auf einem Speichermedium gesichert und verfügbar gehalten werden. In einer Verordnung (Kassensicherungs-Verordnung) wird präzisiert, welche elektronischen Aufzeichnungssysteme durch eine zertifizierte Sicherheitseinrichtung zu schützen sind und wie die Protokollierung und Speicherung zu erfolgen haben. Die Regelungen zur sog. Fiskalkasse gelten ab dem 01.01.2020.
  • Meldepflicht für elektronische Aufzeichnungssysteme ab dem 01.01.2020
Ab 01.01.2020 sind umfassende Meldepflichten bezüglich elektronischer Aufzeichnungssysteme zu beachten, insbesondere: Art der zertifizierten Sicherheitseinrichtung, Art des verwendeten elektronischen Aufzeichnungssystems, Anzahl der verwendeten elektronischen Aufzeichnungssysteme, Seriennummer des Aufzeichnungssystems und Datum der Anschaffung/Außerbetriebnahme. Die Meldung muss spätestens einen Monat nach Anschaffung oder Außerbetriebnahme erfolgen. Für Kassen, die bereits vor dem 01.01.2020 angeschafft wurden, ist spätestens bis zum 31.01.2020 eine Meldung abzugeben.
  • Einführung einer Kassennachschau
Die Kassennachschau (§ 146b AO) soll der zeitnahen Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Kassenaufzeichnungen und der ordnungsgemäßen Übernahme der Kassenaufzeichnungen in die Buchführung dienen. Insbesondere wird von der Finanzverwaltung vor allem die tägliche Kassensturzfähigkeit geprüft werden. Die Kassenschau wird bereits ab dem 01.01.2018 eingeführt. Die Kassennachschau ist vergleichbar mit den bestehenden Regelungen der Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG) und der Lohnsteuer-Nachschau (§ 42g EStG). Eine Kassennachschau erfolgt ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung. Geprüft wird die Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben. Prüfungsort: Geschäftsgrundstück oder Geschäftsräume. Die Prüfung erfolgt zu den üblichen Geschäfts- oder Arbeitszeiten. Ein Übergang zu einer Außenprüfung ohne vorherige Prüfungsanordnung ist möglich.
  • Belegausgabepflicht
Wenn eine elektronische Kasse eingesetzt wird, muss ab dem 01.01.2020 jedem Kunden ein Beleg ausgehändigt werden. Unternehmen, die Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen verkaufen, können sich von der Belegausgabepflicht befreien lassen.
  • Sanktionierung von Verstößen
Der Steuergefährdungstatbestand des § 379 Abs. 1 AO wurde ergänzt. Folgende neue Steuergefährdungstatbestände sind zu beachten:
  • Einsatz eines technischen Systems, das nicht den Anforderungen des
    § 146a Abs. 1 AO entspricht,
  • Fehlen oder nicht richtige Verwendung einer zertifizierten Sicherheitseinrichtung in elektronischen Systemen,
  • Bewerben oder Inverkehrbringen eines Kassensystems, das nicht jeden einzelnen Geschäftsvorfall vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet erfasst oder welches mit einer Manipulationssoftware versehen ist.
Verstöße gegen eine ordnungsmäßige Kassenführung können ab dem 01.01.2020 mit einem Bußgeld bis zu 25.000 € belegt werden.
  • Übergangsregelung
Das Gesetz sieht eine Übergangsregelung für alle Kassen, die nach dem 25.11.2010 und vor dem 01.01.2020 angeschafft wurden. Möglichkeit der Weiterverwendung einer solchen Kasse, wenn alle technischen Erweiterungen und Softwareupdates, die verfügbar sind, vorgenommen werden, um die Kassen auf den technischen Stand zum 01.01.2020 zu bringen.




2. Umsatzsteuer

2.1. NWB

Reform der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand - Zur Anwendung des § 2b UStG nach dem BMF-Schreiben vom 16.12.2016


Burret, NWB 06/2017, S. 410

Anmerkung:

Durch das Steueränderungsgesetz 2015 wurden die Regelungen zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR)  neu gefasst.

§ 2 Abs. 3 UStG wurde aufgehoben und § 2b UStG in das UStG eingefügt. Die Neuregelung ist grds. zum 01.01.2017 in Kraft getreten; es ist allerdings eine Übergansregelung in § 27 Abs. 22 UStG zu beachten.


Mit BMF-Schreiben v. 16.12.2016, BStBl 2016 I S. 1451 hat das BMF zur Anwendung des § 2b UStG Stellung genommen.

JPöR gelten gem. § 2b Abs. 1 S. 1 UStG nicht als Unternehmer, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Dies gilt jedoch gem. § 2b Abs. 1 S. 2 UStG nicht, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. 
  • Handelt die jPöR nicht auf öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundlage, mithin wie ein Privater in zivilrechtlicher Form, ist § 2b UStG nicht anwendbar. Die Umsatzsteuerbarkeit ergibt sich dann aus § 2 UStG.
  • Die jPöR übt immer dann öffentliche Gewalt aus, wenn sie im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung tätig ist (z.B. Satzung eines Abwasserzweckverbands, Verwaltungsvereinbarung, öffentlich rechtlicher Vertrag).
In § 2b Abs. 2 u. 3 UStG gibt der Gesetzgeber Fälle vor, in denen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen gegeben sind.
  • Das BMF nimmt zu den Ausnahmen in § 2b Abs. 2 u. 3 UStG Stellung.
    • § 2b Abs. 2 UStG schließt Wettbewerb aus, wenn die jPöR aus gleichartigen Tätigkeiten voraussichtlich nicht mehr als 17.500 € im Jahr erzielt.
    • § 2b Abs. 3 UStG gilt für die vertikale und horizontale Zusammenarbeit zweier jPöR untereinander.
  • Nach Auffassung des BMF stehen zwei Leistungen dann miteinander im Wettbewerb, wenn sie aus Sicht des Verbrauchers dieselben Bedürfnisse befriedigen. Derart vergleichbare Leistungen müssen potenziell von Privaten erbracht werden können. Dabei besteht grundsätzlich keine Beschränkung auf den lokalen Markt.
Jede jPöR, für die die Anwendung der bisherigen Rechtslage günstiger ist, musste bis 31.12.2016 die Optionserklärung gem. § 27 Abs. 2 UStG abgeben. Wenn dies unterblieben ist, muss die jPöR ab 01.01.2017 § 2b UStG anwenden. Die Ausübung der Option bewirkt, dass auf alle nach dem 31.12.2016 und vor dem 01.01.2021 ausgeführten Leistungen der jPöR weiterhin § 2 Abs. 3 UStG a. F. angewandt wird. Ein rückwirkender Widerruf der Optionserklärung ist nach dem BMF-Schreiben möglich. 

Berichtigung von Rechnungen im Umsatzsteuerrecht - Oder: Rückwirkende Rechnungskorrektur endlich zulässig

Sikorski,  NWB 08/2017, S. 564

Anmerkung:

Mit Urteil v. 20.10.2016, V R 25/16 (Nachfolgeurteil zu EuGH-Urteil v 15.09.2016, Rs. C 518/14, Senatex und Rs. C 516/14, Barlis 06) hat der BFH entschieden, dass eine Umsatzsteuerberichtigung nach § 31 Abs. 5 UStDV auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem die Rechnung erstmals ausgestellt wurde.

Eine berichtigungsfähige Rechnung liegt jedenfalls dann vor, wenn sie Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Die Rechnung kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigt werden.

Die Entscheidung ist von großer Bedeutung für Unternehmer, die trotz formaler Rechnungsmängel den Vorsteuerabzug aus bezogenen Leistungen in Anspruch nehmen. Sie hatten bislang bei späteren Beanstandungen selbst im Fall einer Rechnungsberichtigung Steuernachzahlungen für das Jahr des ursprünglich in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs zu leisten. Die Steuernachzahlung war zudem im Rahmen der sog. Vollverzinsung mit 6 % jährlich zu verzinsen. Beides entfällt nunmehr.

Hat der Rechnungsaussteller dagegen eine Rechnung i. S. d. § 14c UStG erteilt, kann er zwar ebenfalls die Rechnung berichtigen, um diese zusätzliche Steuerschuld bei ihm zu korrigieren. Da aber bei einer derartigen Rechnungsberichtigung aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung § 17 Abs. 1 S. 7 UStG entsprechend gilt, vgl. § 14c Abs. 1 S.  2 UStG), kann ein derartiger Fehler nicht mit Rückwirkung beseitigt werden. Somit entstehen in diesen Fällen weiterhin ggf. Zinsen nach § 233a AO, die Änderung der Rechtsprechung umfasst diese Fälle nicht.

BFH konkretisiert Maßstäbe zur Vorsteueraufteilung bei einem Blockheizkraftwerk - Analyse des BFH-Urteils vom 16.11.2016 - V R 1/15
Becker, NWB 09/2017, S. 638

Anmerkung:

Mit Urteil v. 16.11.2016, V R 1/15 hat der BFH zur Vorsteueraufteilung für ein Strom und Wärme produzierendes Blockheizkraftwerk entschieden.

Unterhält der Unternehmer einen der Vorsteuerpauschalierung unterliegenden landwirtschaftlichen Betrieb und einen weiteren der Regelbesteuerung unterliegenden Gewerbebetrieb, richtet sich die Aufteilung der Vorsteuerbeträge für gemischt genutzte Eingangsleistungen (hier: BHKW) nach § 15 Abs. 4 UStG. Sachgerecht i. S. v. § 15 Abs. 4 S. 2 UStG ist dabei - entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung in Abschn.  2.5 Abs. 20 S. 1 i. V. m. Abs. 12 S. 3 UStAE - die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Marktpreise der produzierten Strom- und Wärmemenge (objektbezogener Umsatzschlüssel).

Im Urteilsfall erwarb ein Gartenbaubetreiber ein Blockheizkraftwerk. Den erzeugten Strom speiste er entgeltlich in das Netz ein. Die daneben erzeugte Wärme nutzte er ausschließlich im Rahmen seines Gartenbaubetriebs, für den er § 24 UStG anwendete. Das FA ermittelte die insoweit nicht abzugsfähige VoSt aus dem Erwerb des Kraftwerks nach der erzeugten Leistung. Der BFH stellte hingegen auf den Umsatzschlüssel ab. Wärme und Strom seien als zu vergleichende Produkte des BHKW weder hinsichtlich ihrer Nutzbarkeit noch ihrer Verwertbarkeit miteinander vergleichbar.

Mit dem Urteil verallgemeinert der BFH seine bisher zur Vorsteueraufteilung von Gebäuden ergangene Rechtsprechung zum Verhältnis zwischen Flächen- und Umsatzschlüssel.

2.2 DStR

Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung vom 16.12.2016 zur Neuregelung des § 2b UStG


Sterzinger, DStR 05/2017, S. 233

Anmerkung:

Vgl. Anmerkung zu Burret, NWB 06/2017, S. 410

Konsignationslager auf dem Prüfstand

Langer, DStR 05/2017, S. 242

Anmerkung:

Mit Urteil v. 20.10.2016, V R 31/15 hat der BFH entscheiden, dass für die Lieferbestimmung nach § 3 Abs. 6 UStG der Abnehmer bereits bei Beginn der Versendung feststehen muss. Eine Versendungslieferung kann auch dann vorliegen, wenn der Leistungsempfänger nach dem Beginn der Versendung für kurze Zeit in einem Auslieferungslager gelagert wird.

Eine Einlagerung für den beim Beginn der Versendung bereits feststehenden Abnehmer für nur kurze Zeit, um den produktionsbedingt beim Abnehmer für die nächsten Tage und Wochen benötigten Warenbedarf zu decken, unterbricht noch nicht die begonnene Versendungslieferung.

Damit widerspricht der BFH der Sichtweise der Finanzverwaltung, die in allen Fällen von Konsignationslagern ein innergemeinschaftliches Verbringen in das ausländische Lager durch den Lieferanten und eine anschließende inländische Lieferung an den Abnehmer annimmt (vgl. hierzu auch OFD FFM v. 15.12.2015). Nach Ansicht des Verfassers sollte sich für deutsche Abnehmer, die in der Vergangenheit einen VoSt-Abzug geltend gemacht haben, kein Risiko ergeben. Nach dem BFH-Urteil steht die Finanzverwaltungsauffassung (Abschn. 1a.2 Abs. 6 S. 1 UStAE und Abschn. 3.12 Abs. 3 S. 7 UStAE) nicht mit dem geltenden Recht in Einklang. Daher besteht ein Vertrauensschutz für den Abnehmer gem. § 176 Abs. 2 AO). Es ist damit zu rechnen, dass die Finanzverwaltung eine Übergansregelung verfügen wird.

Vorsteuerabzug auch bei Leistungen für unentgeltliche Wertabgabe an Arbeitnehmer oder zu Werbezwecken

Teufel, DStR 06/2017, S. 293

Anmerkung:

Mit Urteil v. 09.12.2010, V R 17/10, BStBl 2012 II S. 53 hat der BFH entschieden, dass ein Unternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wenn er bereits bei Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i. S. v. § 3 Abs. 9a UStG  zu verwenden beabsichtigt.

Der Verfasser gelangt zum Ergebnis, dass die Verwendung von Eingangsleistungen für Zuwendungen an Arbeitnehmer einem VoSt-Abzug nicht entgegensteht. Auch die Verwendung von Gegenständen für Zuwendungen im Rahmen von Tombolas ermögliche einen VoSt-Abzug aus solchen Aufwendungen. Begründet wird dies mit dem Neutralitätsgebot der USt. Entscheidet sich der Unternehmer nach Leistungsbezug, aber vor Zuwendung an den Arbeitnehmer, die Leistung doch für die besteuerte wirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden, wäre ein VoSt-Abzug ausgeschlossen, da ausschließlich die Verwendungsabsicht bei Leistungsbezug ausschlaggebend ist. Dies führt dazu, dass aus einer Eingangsleistung, die unternehmerisch verwendet wird, ein Vorsteuerabzug nicht möglich ist, der Unternehmer mit Umsatzsteuer belastet wird und die erforderliche Neutralität eingeschränkt wird.




3. Einkommensteuer

3.1. NWB

Atypischer Unterbeteiligungsvertrag: Mindestanforderung an die Stimmrechtsregelung - Mitunternehmerinitiative als Voraussetzung


Hohage, Schäfer, NWB 06/2017, S. 423

Anmerkung:

Bei einer Unterbeteiligung beteiligt sich der Unterbeteiligte an einem Gesellschaftsanteil und nicht unmittelbar an der Gesellschaft. Vergleichbar der stillen Gesellschaft ist bei der Unterbeteiligung zwischen stiller Unterbeteiligung und atypisch stiller Unterbeteiligung zu unterscheiden.
  • Bei der typischen Unterbeteiligung hat der Unterbeteiligte nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf einen Anteil am Jahresgewinn des Hauptbeteiligten und im Fall der Beendigung der Unterbeteiligungsgesellschaft einen Anspruch auf Rückzahlung der Einlage.
  • Eine atypische Unterbeteiligung liegt vor, wenn der Unterbeteiligte ein Mitspracherecht bei der Verwaltung der Hauptbeteiligung hat (Mitunternehmerinitiative) und an den Wertveränderungen des Gesellschaftsanteils sowie an den offenen und stillen Reserven der Gesellschaft teilhaben soll (Mitunternehmerrisiko).
Das Mitunternehmerrisiko umfasst einerseits die Chance, Betriebsvermögen zu vermehren, um so Gewinne zu erzielen, und andererseits aber auch die Gefahr, Betriebsvermögen zu verlieren und somit Verluste zu erleiden. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist hier in erster Linie die Beteiligung an den stillen Reserven.

Mitunternehmerinitiative bedeutet die Teilhabe an den unternehmerischen Entscheidungen zumindest in dem Umfang der Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte eines Kommanditisten nach den Regelungen der §§ 164 ff. HGB oder der gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechte nach § 716 Abs. 1 BGB.

Rückkauf von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds - Zugleich Anmerkung zu den BFH-Urteilen vom 6.9.2016 - IX R 44/14, IX R 45/14 und IX R 27/15

Fink, NWB 09/2017, S. 643

Anmerkung:

Mit Urteilen v. 06.09.2016, IX R 44/14, IX R 45/14 und IX R 27/15 hat sich der BFH mit der Problematik des Rückkaufs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds auseinandergesetzt.

Nach der Entscheidung können Zahlungen bei der Rückabwicklung von Immobilienfonds mit "Schrottimmobilien" in ein steuerpflichtiges Veräußerungsentgelt und eine nicht steuerbare Entschädigungsleistung aufzuteilen sein.

Für den Fall, dass die als Kaufpreis bezeichnete Gegenleistung teilweise auch für andere Verpflichtungen des Veräußerers erbracht worden ist (Verzicht auf Schadensersatzansprüche, Rücknahme von Klagen), die nicht den Tatbestand des § 23 EStG erfüllen, ist der vereinbarte Kaufpreis aufzuteilen. Für Zwecke der Aufteilung ist das veräußerte Wirtschaftsgut zu bewerten; übersteigt die Gegenleistung den Wert des veräußerten Wirtschaftsguts, spricht dies dafür, dass der übersteigende Teil der Gegenleistung nicht zum Veräußerungspreis gehört, sondern dass insoweit eine andere Verpflichtung entgolten oder ein Teil der Gegenleistung unentgeltlich zugewendet werden soll.

Der Teil des Kaufpreises, der auf die Schadensersatzleistung entfällt, ist nach Auffassung des BFH nicht steuerbar.

Einführung in die Tarifglättung für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft - Grundstruktur der gesetzlichen Regelungen und Hintergründe zur Tarifglättung mit Berechnungsbeispiel

Wiegand, NWB 09/2017, S. 649

Anmerkung:

Mit dem Milchmarktsondermaßnahmengesetz v. 20.12.2016, BGBl 2016 I S. 3045 wurde eine Regelung geschaffen, um auf der Grundlage der sog. Delegierten Verordnung (EU) 2016/1613 v. 08.09.2016, Finanzmittel für die Krise der Milcherzeuger bereitzustellen. In diesem Zusammenhang wurde als steuerliche Entlastungsmaßnahme eine Tarifglättung für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft eingeführt. Mit der gesetzlichen Neuregelung sollen Einkommensverluste durch Ernteausfälle infolge des globalen Klimawandels sowie die im Bereich der Tierhaltung besonders dramatische Verschlechterung der Ertragslage für land- und forstwirtschaftliche Betriebe abgemildert werden.

Zur Reduzierung der Gewinnschwankungen wird ein 3-jähriger Betrachtungszeitraum eingeführt, anhand dessen eine individuelle Steuerermäßigung ermittelt wird. Die luf Einkünfte werden wie bisher vollständig der Besteuerung unterworfen und die Steuer darauf ggf. nachträglich korrigiert, wenn innerhalb eines Betrachtungszeitraums von drei Jahren die auf die steuerpflichtigen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft entfallende tarifliche Einkommensteuer höher ist als eine fiktiv ermittelte tarifliche Einkommensteuer auf diese Einkünfte. Die Steuerermäßigung nach § 34e EStG wird im Rahmen der Steuerfestsetzung für den letzten Veranlagungszeitraum des 3-jähriger Betrachtungszeitraums relationsgerecht gemindert („Tarifglättung“). Die Steuerermäßigung gibt es erstmals für den Veranlagungszeitraum 2016, der Betrachtungszeitraum umfasst hierzu die Jahre 2014-2016.

3.2. DStR

Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen (§ 35a EStG) -   Überarbeitung des BMF-Schreibens v. 10.1.2014 durch Schreiben v. 9.11.2016


Körper, DStR 05/2017, S. 238

Anmerkung:

Vgl. Anmerkung zu Nolte, NWB 02/2017, S. 121

Werbungskostenabzug von Beteiligungsverlusten bei Arbeitnehmern – zugleich Anmerkung zum BFH-Beschluss v. 10.03.2016, VI B 132/15

Kramer, DStR 07/2017, S. 366

Anmerkung:

Mit Beschluss v. 10.03.2016, VI B 132/15 hat der BFH entschieden, dass ein Verlust aus der Veräußerung einer Kapitalbeteiligung am Arbeitgeber nicht bereits deshalb als Erwerbsaufwand bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen ist, weil ein Beteiligungserwerb Voraussetzung für das Arbeitsverhältnis war.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können allerdings private Vermögensverluste unter Beachtung des objektiven Nettoprinzips als Erwerbsaufwand berücksichtigt werden, wenn besondere Umstände den Schluss rechtfertigen, dass die Gründe für die unfreiwilligen (völligen oder teilweisen) Verluste in der Berufs- bzw. Erwerbssphäre liegen. So wurde Erwerbsaufwand anerkannt, wenn der Verlust bei der beruflichen Verwendung eintritt oder die Einwirkung auf das betreffende Wirtschaftsgut aus in der Berufssphäre liegenden Gründen erfolgt. Daraus ergibt sich, dass allenfalls der Verlust privater Wirtschaftsgüter, nicht jedoch bloße Wertveränderungen infolge von Verwertungsmaßnahmen zu Werbungskosten führen können. Die Gründe, die zu einer Verwertung geführt haben, spielen dabei grundsätzlich keine Rolle.

Endlich: „Leaver-Regelungen“ bei Management-Beteiligungsprogrammen führen nicht zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit – zugleich Besprechung des BFH-Urteils v. 04.10.2016, IX R 43/15

Rödding, DStR 08/2017, S. 437

Anmerkung:

Mit Urteil v. 04.10.2016, IX R 43/15 hat der BFH entschieden, dass der Veräußerungsgewinn aus einer Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen nicht allein deshalb zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führt, weil die sog. „Managementbeteiligung“ von einem Arbeitnehmer der Unternehmensgruppe gehalten und nur leitenden Mitarbeitern angeboten worden war. Bestehende Abschluss- oder Kündigungsrechte hinsichtlich der Kapitalbeteiligung im Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind Ausdruck und Folge der Mitarbeiterbeteiligung und rechtfertigen für sich allein noch nicht die Annahmen, dass dem Arbeitnehmer durch die Gewährung einer Möglichkeit zur Beteiligung Lohn zugewendet werden soll.

Bei Management-Beteiligungsprogrammen sind häufig sog. „Leaver-Regelungen“ vorzufinden. Danach sind im Grundsatz „Good-Leaver“ Manager, die unverschuldet aus dem Unternehmen ausscheiden (z. B. Berufsunfähigkeit, Tod, Kündigung durch Manager aus wichtigem Grund, Pensionierung) während ein „Bad-Leaver“ jemand ist, der aufgrund eigenen Verhaltens ausscheidet (z. B. Eigenkündigung des Managers, ordentliche Kündigung durch die Gesellschaft, Kündigung durch Gesellschaft aus wichtigem Grund).

Der BFH hat bestätigt, dass die Vereinbarung eines Leaver Schemes für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und auch das insofern vorgesehene Vesting unschädlich für die steuerliche Qualifizierung der Mitarbeiterbeteiligung sind. Dies ist deshalb von großer Bedeutung für die Beratungspraxis, weil die Finanzverwaltung das Bestehen eines Leaver Schemes als Grundlage für die Beteuerung von Arbeitslohn herangezogen hatte. 




4. Körperschaftsteuer

4.1. NWB

Fortführungsgebundener Verlustvortrag nach § 8d KStG (Teil 1) – Ausnahme von der Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften


Dörr, Reisich, Plum, NWB 07/2017, S. 496

Anmerkung:

Mit Wirkung ab dem 01.01.2016 hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften einen neuen § 8d KStG eingefügt. Hintergrund für die gesetzliche Neuregelung ist  es, steuerliche Hemmnisse bei der Unternehmensfinanzierung zu beseitigen, die sich bislang aus der Anwendung von § 8c KStG ergeben haben.

§ 8d KStG ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen und auf Antrag, nicht genutzte Verluste i. S. d. § 8c KStG trotz schädlichem Beteiligungserwerb zu erhalten.  Hierzu muss in einem dreijährigen Beobachtungszeitraum ausschließlich derselbe Geschäftsbetrieb betrieben worden sein und es darf keines der in § 8d Abs. 2 KStG aufgezählten schädlichen Ereignisse eingetreten sein. Bei Tatbestandserfüllung gehen die nicht genutzten Verluste in einen fortführungsgebundenen Verlustvortrag ein. Tritt ein schädliches Ereignis i. S. d. § 8d Abs. 2 KStG ein, geht ein noch bestehender fortführungsgebundener Verlustvortrag unter.

Fortführungsgebundener Verlustvortrag nach § 8d KStG (Teil 2) - Ausnahme von der Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften

Dörr, Reisich, Plum, NWB 08/2017, S. 573

Anmerkung:

Vgl. Anmerkung zu: Dörr, Reisich, Plum, NWB 07/2017, S. 796




5. Internationales Steuerrecht

5.1. DStR 

Die Lizenzschranke – Überblick über den Regierungsentwurf zu § 4j EStG


Schneider, Junior, DStR 08/2017, S. 417

Anmerkung:

Die Bundesregierung hat am 25.01.2017 den Entwurf eines Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen beschlossen. Demnach soll verhindert werden, dass multinationale Unternehmen Gewinne durch Lizenzzahlungen in Staaten mit besonderen Präferenzregelungen (sog. Lizenzboxen, Patenboxen) verschieben, die nicht den Anforderungen des BEPS-Projekts entsprechend.

Nach dem nun vorliegenden Gesetzesentwurf sind grenzüberschreitende Zahlungen für die Überlassung von Rechten (beispielsweise für Lizenzen) ab 2018 unter bestimmten Voraussetzungen nur noch eingeschränkt in Deutschland steuerlich abzugsfähig. Dies soll dann gelten, wenn die korrespondierende Einnahme im Ausland im Rahmen eines Präferenzregimes („Patentbox“) abweichend vom dortigen Regelsteuersatz effektiv mit weniger als 25 Prozent besteuert wird. Erfasst werden nur Zahlungen zwischen nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG. Dagegen greift die Lizenzschranke nicht, wenn das Präferenzregime die steuerliche Förderung an reale FuE-Aktivitäten knüpft und damit dem OECD „Nexus Approach“ entspricht.
Folgende Voraussetzungen müssen für das Eingreifen der Lizenzschranke kumulativ erfüllt sein:
  • Zahlung zwischen nahestehenden Personen
  • Nahestehende Person ansässig in einem Staat mit Präferenzregime
  • Keine den IP-Einnahmen zugrundeliegende substanzielle Geschäftstätigkeit bzw. Überlassung von Markenrechten
  • Effektive Ertragsteuerbelastung beim Empfänger < 25 %
  • Keine Hinzurechnungsbesteuerung in Bezug auf die Lizenzaufwendungen
Nach derzeitiger Planung soll die Lizenzschrankenregelung erstmals für Aufwendungen grei-fen, die nach dem 31.12.2017 entstehen, § 52 Abs. 8b, 16a EStG-E. Sie soll damit noch vor Auslaufen der im BEPS-Projekt vorgesehenen Übergangsregelung bis 2021 gegen ausländi-sche Präferenzregime wirksam sein.




6. Sonstiges

6.1. DStR

Zweifelsfragen zum mittelbaren Gesellschafterwechsel in § 1 Abs. 2a GrEStG


Lange, Broemel, DStR 07/2017, S. 360

Anmerkung:

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft, vgl. § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG.

Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften werden durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt. Eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft gilt in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 95 vom Hundert der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. Bei mehrstufigen Beteiligungen gilt dies auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft entsprechend.

Mit dem Steueränderungsgesetz 2015 hat der Gesetzgeber § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen einer rechtsprechungsändernden Gesetzgebung ergänzt. Zuvor hatte der BFH entschieden, dass bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft nur dann eine neue Gesellschafterin der grundstücksführenden Personengesellschaft vorliegt, wenn 100 % ihrer Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen sind (BFH v. 24.04.2013, II R 17/10, BStBl 2013 II S. 833).

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