Rechtsprechung KW 52-2016

1. Erbschaft-/Schenkungsteuer

Keine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG bei einem nach ausländischem Recht steuerfreien Vorerwerb


Bei einem nach ausländischem Recht besteuerten Vorerwerb ist für einen nachfolgenden Erwerb desselben Vermögens von Todes wegen durch Personen der Steuerklasse I keine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG zu gewähren.

BFH v. 27.09.2016, II R 37/13

Hinweis:

Fällt Personen der Steuerklasse I von Todes wegen Vermögen an, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist und für das nach diesem Gesetz eine Steuer zu erheben war, ermäßigt sich der auf dieses Vermögen entfallende Steuerbetrag in Abhängigkeit von dem Zeitraum zwischen den beiden Zeitpunkten zwischen 50% und 10%, § 27 Abs. 1 ErbStG.

Der Kläger ist Alleinerbe seiner verstorbenen Mutter (M). M hatte zusammen mit ihrer Tochter (T) bis zu deren Ableben in Österreich gewohnt und danach ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegt. M war Miterbe der T. Für den Vorerwerb der M wurde in Österreich Erbschaftsteuer festgesetzt. Der Kläger machte in der Erbschaftsteuererklärung für seinen Erwerb nach M die österreichische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit geltend und beantrage wegen des mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I eine Steuerermäßigung gem. § 27 ErbStG.

Der BFH hat entschieden, dass keine Steuerermäßigung gem. § 27 ErbStG zu gewähren ist.

Bei einem nach ausländischem Recht besteuerten Vorerwerb für einen nachfolgenden Erwerb desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I ist die Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG nicht zu gewähren. Die Steuerermäßigung setzt nach dem Wortlaut des
§ 27 Abs. 1 ErbStG voraus, dass für den Vorerwerb "nach diesem Gesetz" eine Steuer zu erheben war. Sie ist deshalb nicht zu gewähren, wenn für den Vorerwerb keine Erbschaftsteuer nach dem ErbStG, sondern eine Erbschaftsteuer nach ausländischem Recht festzusetzen war. Eine ausländische Steuer ist keine Steuer "nach diesem Gesetz".

Zwar führt § 27 ErbStG zu einer Beschränkung der unionsrechtlich gewährleisteten Kapitalverkehrsfreiheit. Diese Beschränkung ist aber durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren.




2. Umsatzsteuer

EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug aus Anzahlung für nicht geliefertes Blockheizkraftwerk


Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Nach dem EuGH-Urteil FIRIN vom 13. März 2014 C-107/13 (EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240, Rz 39, Satz 1) scheidet der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung aus, wenn der Eintritt des Steuertatbestands zum Zeitpunkt der Anzahlung unsicher ist. Beurteilt sich dies nach der objektiven Sachlage oder aus der objektivierten Sicht des Anzahlenden?

Ist das EuGH-Urteil FIRIN (EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240, Leitsatz und Rz 58) dahingehend zu verstehen, dass nach dem Unionsrecht eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs, den der Anzahlende aus seiner auf eine Lieferung von Gegenständen ausgestellten Anzahlungsrechnung vorgenommen hat, nicht die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung voraussetzt, wenn diese Lieferung letztlich nicht bewirkt wird?

Falls die vorstehende Frage zu bejahen ist: Ermächtigt Art. 186 MwStSystRL, der es den Mitgliedstaaten gestattet, die Einzelheiten der Berichtigung nach Art. 185 MwStSystRL festzulegen, den Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland dazu, in seinem nationalen Recht anzuordnen, dass es erst mit der Rückgewähr der Anzahlung zur Minderung der Bemessungsgrundlage für die Steuer kommt, und dementsprechend Umsatzsteuerschuld und Vorsteuerabzug zeit- sowie bedingungsgleich zu berichtigen sind?

BFH  v. 21.09.2016, XI R 44/14

Hinweis:

Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 UStG). Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 UStG).

Der Kläger bestellte am 03.08.2010 ein Blockheizkraftwerk bei der A, dessen Lieferung voraussichtlich 14 Wochen nach Geldeingang vorgesehen war. Nach Zahlung per Vorkasse erhielt der Kläger eine Rechnung über die Lieferung eines Blockheizkraftwerks. Anschließend schloss er mit dem Verkäufer einen Pachtvertrag über das Blockheizkraftwerk ab. In seiner Umsatzsteuervoranmeldung für August 2010 machte der Kläger den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Blockheizkraftwerks geltend und zeigte gegenüber dem FA an, dass er beabsichtige, das Blockheizkraftwerk an den Verkäufer zu verpachten. Zur Lieferung, Verpachtung und zum Betrieb des Blockheizkraftwerks kam es nicht. Im März 2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verkäufers eröffnet. Das FA ließ den Vorsteuerabzug aus der geleisteten Anzahlung nicht zu.

Der BFH beabsichtigt, die Vorentscheidung aufzuheben und den streitigen Vorsteuerabzug aus der Vorauszahlung für das Blockheizkraftwerk zu versagen.

Allerdings ist für den BFH fraglich, ob die Versagung des Vorsteuerabzugs im vorliegenden Fall gegen Unionsrecht verstößt und hat daher dem EuGH die oben aufgeführten Fragen vorgelegt.

Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung; Voraussetzungen der Rechnungsberichtigung

Berichtigt der Unternehmer eine Rechnung nach § 31 Abs. 5 UStDV, wirkt dies auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung erstmals ausgestellt wurde (Änderung der Rechtsprechung).

Eine berichtigungsfähige Rechnung liegt jedenfalls dann vor, wenn sie Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält.

Die Rechnung kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigt werden.

BFH  v. 20.10.2016, V R 26/15

Hinweis:

Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Eine Rechnung kann nach § 31 Abs. 5 S. 1 UStDV berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a des Gesetzes enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind.

Im Streitfall hatte die Klägerin den Vorsteuerabzug aus Rechnungen eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen, die nur auf einen nicht näher bezeichneten „Beratervertrag“ Bezug nahmen. Weitere Rechnungen hatte ihr eine Unternehmensberatung ohne weitere Erläuterung für „allgemeine wirtschaftliche Beratung“ und „zusätzliche betriebswirtschaftliche Beratung“ erteilt. Das Finanzamt versagte der Klägerin den Vorsteuerabzug aus den in den Streitjahren 2005 bis 2007 erteilten Rechnungen. Es ging davon aus, dass die Rechnungen keine ordnungsgemäße Leistungsbeschreibung enthielten. Dagegen erhob die Klägerin Klage und legte während des Klageverfahrens im Jahr 2013 berichtigte Rechnungen vor, die die Leistungen ordnungsgemäß beschrieben. Das FG wies die Klage gleichwohl ab. Nach dem Urteil des FG ermöglichten die berichtigten Rechnungen einen Vorsteuerabzug erst in 2013 und wirkten nicht auf die erstmalige Rechnungserteilung in den Streitjahren zurück.

Der BFH hat entschieden, dass der Klägerin für die Streitjahre 2005 bis 2007 ein Vorsteuerabzug zu gewähren ist.

Die Entscheidung beruht maßgeblich auf dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Senatex vom 15.09.2016, C-518/14. Danach wirkt eine Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsausstellung zurück. Der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung ist formelle, aber nicht materielle Voraussetzung für das Recht auf Vorsteuerabzug. Der EuGH missbilligt zudem das pauschale Entstehen von Nachzahlungszinsen. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG ist richtlinienkonform auszulegen. Gleiches gilt für § 31 Abs. 5 UStDV. Eine Berichtigung nach dieser Vorschrift wirkt daher auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.

An seiner früheren Rechtsprechung, wonach die Vorsteuer aus einer berichtigten Rechnung erst im Besteuerungszeitraum der Berichtigung abgezogen werden konnte (Senatsurteil vom 24.08.2006, V R 16/05, unter II.3.c), hält der Senat infolge der EuGH-Rechtsprechung nicht mehr fest.

Damit der Rechnungsberichtigung Rückwirkung zukommt, muss das Ausgangsdokument allerdings über bestimmte Mindestangaben verfügen, die im Streitfall vorlagen. Berichtigungsfähig ist eine Rechnung dann, wenn sie Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält.

Die Rechnung kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigt werden. 




3. Einkommensteuer

Fremdvergleich bei Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen


Ein Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen entspricht nicht den Kriterien des Fremdvergleichs, wenn es in zahlreichen Punkten von den zwischen fremden Dritten üblichen Vertragsinhalten abweicht.

BFH  v. 04.10.2016, IX R 8/16

Hinweis:

Die steuerliche Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahe stehenden Personen ist u.a. davon abhängig, dass die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen.

Der Kläger war Eigentümer einer Doppelhaushälfte. Das Haus bewohnte der Kläger zunächst selbst. Im Juni 2002 schloss der Kläger mit seiner Mutter eine privatschriftliche Schenkungsvereinbarung. Danach schenkte die Mutter dem Kläger einen Betrag in Höhe von 115.000 €. Der Kläger schloss mit seiner Mutter im Oktober 2002 einen schriftlichen Mietvertrag über das Haus. Darin war vereinbart, dass der Mietzins von 400 € zum dritten Werktag eines Monats auf das Konto des Klägers zu zahlen sei. Im Dezember 2002 erfolgte ein Nachtrag zum Mietvertrag. Darin war abweichend von der Zahlungsbestimmung im Mietvertrag vereinbart, die Miete und die Nebenkosten einmal jährlich durch Widerruf der Schenkung und Aufrechnung zu leisten. Dies sollte gelten, solange noch Schenkungsbeträge vorhanden sind.

Der BFH hat entschieden, dass das Mietverhältnis nicht anzuerkennen ist.

Ein fremder Mieter wird im Hinblick auf den Abschluss eines Mietverhältnisses dem Vermieter in zeitlichem Zusammenhang mit der beabsichtigten Nutzung der Immobilie gewöhnlich keinen Geldbetrag unter Widerrufsvorbehalt schenken. Eine derartige Kombination aus Mietvertrag und Schenkungsversprechen wird allenfalls zwischen Angehörigen vereinbart und umgesetzt. Sie dokumentiert die private Veranlassung der gewählten Vertragsgestaltung.

Schadensersatzleistungen als Erwerbsaufwendungen

Auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen, können Erwerbsaufwendungen begründen (Anschluss an das Senatsurteil vom 9. Dezember 2003 VI R 35/96, BFHE 205, 56, BStBl II 2004, 641).

Die Annahme von Erwerbsaufwendungen setzt allerdings auch in diesen Fällen voraus, dass die - die Aufwendungen auslösenden - schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der betrieblichen oder beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den betrieblichen oder beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen.

Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird aufgehoben, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat.

BFH  v. 20.10.2016, VI R 27/15

Hinweis:

Im Streitfall war der Kläger Vorstandsmitglied einer AG und war an dieser beteiligt. Aus dieser Aktienbeteiligung floss ihm für das Geschäftsjahr 1997 eine Dividendenzahlung zu. Nach der Veräußerung der Beteiligung und dem Ausscheiden aus dem Vorstand wurde der Kläger wegen des Erstellens einer falschen Bilanz zum 31.12.1997 strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Überdies machte die AG zivilgerichtlich Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend. Der Zivilrechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr wollte der Kläger Zahlungen von über 1,2 Mio. € als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt wissen. Finanzamt und Finanzgericht lehnten dies ab. Die Zahlungen seien nicht beruflich, sondern privat veranlasst, weil der Kläger aus der schädigenden Handlung - insbesondere der unrichtigen Darstellung der Vermögensverhältnisse der AG - einen wirtschaftlichen Vorteil gezogen habe.

Der BFH hat entschieden, dass dem Kläger bezüglich der streitigen Schadensersatzleistungen kein Werbungskostenabzug zusteht.

Die Gewinnausschüttung, an der der Kläger teilhatte, wäre ohne den überhöhten Gewinnausweis, den der Kläger als Vorstand der AG zu verantworten hatte, nicht möglich gewesen. Zudem hat der Kläger dadurch den Wert seiner Beteiligung verfälscht und bei der Veräußerung seiner Aktien einen ansonsten am Markt nicht zu erzielenden Kaufpreis erlangt. In einem solchen Fall wird der Erwerbsbezug von Schadensersatzleistungen an den geschädigten Arbeitgeber und beruflichem Fehlverhalten aufgehoben. Ein Werbungskostenabzug entsprechender Aufwendungen ist damit ausgeschlossen.
 

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