Rechtsprechung KW 05-2017

1. Umsatzsteuer

Umsatzsteuerrechtliche Organschaft: Zur organisatorischen Eingliederung und eigenständigen Unternehmenstätigkeit des Organträgers

Eine organisatorische Eingliederung ist auch ohne Personenidentität in den Leitungsgremien des Organträgers und der Organgesellschaft gegeben, wenn nach dem Anstellungsvertrag zwischen der Organgesellschaft und ihrem nominell bestellten Geschäftsführer dieser die Weisungen der Gesellschafterversammlung sowie eines angestellten Dritten zu befolgen hat, der auf die Willensbildung der Gesellschafterversammlung einwirken kann und der zudem alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer des Organträgers ist.

Eine Organschaft setzt u.a. voraus, dass der Organträger eine eigenständige Unternehmenstätigkeit ausübt.

BFH  v. 12.10.2016, XI R 30/14

Hinweis:

Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

Die F-GmbH war im Streitjahr Alleingesellschafterin der Klägerin – einer GmbH. An der F-GmbH waren als deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer V zu 90% und zu 10% M beteiligt. S war durch einen „Anstellungsvertrag für Geschäftsführer“ zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Klägerin bestellt worden. Nach dem Vertrag hatte S die Weisungen der Gesellschafterversammlung sowie des V zu befolgen. Strittig war, ob zwischen der Klägerin und der F-GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht. Fraglich war insbesondere das Vorliegen einer organisatorischen Eingliederung.

Der BFH hat entschieden, dass zwischen der Klägerin und der F-GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht.

Die Voraussetzungen einer organisatorischen Eingliederung lagen im Streitfall vor. In Ausnahmefällen kann eine organisatorische Eingliederung auch ohne personelle Verflechtung in den Leitungsgremien des Organträgers und der Organgesellschaft vorliegen. Voraussetzung dafür ist, dass institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft gegeben sind. Nach dem vom FG festgestellten Gesamtbild der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nahm die F-GmbH aufgrund institutionell abgesicherter unmittelbarer Eingriffsmöglichkeiten mittels V die mit der finanziellen Eingliederung der Klägerin verbundene Möglichkeit der Beherrschung in der laufenden Geschäftsführung war, indem sie die Klägerin durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschte. Entgegen der Auffassung des FG können weder die Tatsache, dass V nicht personenidentisch mit der F-GmbH ist, noch die Feststellung, dass V von der Klägerin ein Gehalt bezog, zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Denn V war Geschäftsführer der F-GmbH. Besteht danach Personenidentität in der Geschäftsführung, muss von der organisatorischen Eingliederung ausgegangen werden. 




2. Einkommensteuer

Überentnahmen wegen der Entnahme von Wirtschaftsgütern, die bereits vor dem 1. Januar 1999 zum Betriebsvermögen gehörten


Bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG sind auch Entnahmen von Wirtschaftsgütern zu berücksichtigen, die bereits vor der Einführung der Vorschrift in den Betrieb eingelegt worden sind.

Die Ausnahmeregelung in § 52 Abs. 11 Satz 3 EStG ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar.

Bringt ein Einzelunternehmer seinen Betrieb zum Buchwert in eine Personengesellschaft ein, gehen die in dem Einzelunternehmen entstandenen Über- oder Unterentnahmen auf die Personengesellschaft über und sind von dem Einbringenden fortzuführen.

BFH  v. 24.11.2016, IV R 46/13

Hinweis:

Gemäß § 4 Abs. 4a S. 1 EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahrs übersteigen (§ 4 Abs. 4a S. 2 EStG). Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahrs zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt (§ 4 Abs. 4a S. 3 EStG). Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 € verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen (§ 4 Abs. 4a S. 4 EStG).

Der Kläger betreibt in der Rechtsform einer GbR einen landwirtschaftlichen Betrieb. An der GbR sind der Vater zu 67 %, seine Ehefrau zu 12 % und die drei Kinder zu 7 % beteiligt. Der Vater hatte den landwirtschaftlichen Betrieb gem. § 24 UmwStG zum Buchwert in die GbR eingebracht. In Zeiten des bestehenden Einzelunternehmens übertrag der Vater landwirtschaftliche Flächen unentgeltlich auf seine Kinder. Die Grundstücke gehörten bereits seit 1822 zu dem landwirtschaftlichen Betrieb. Im Rahmen einer Außenprüfung bei der GbR ermittelte der Prüfer nicht abziehbare Schuldzinsen gem. § 4 Abs. 4a EStG. Dabei ging der Prüfer davon aus, dass die im Einzelunternehmen ermittelten Überentnahmen aufgrund der Buchwerteinbringung fortzuführen waren. Das FG hatte entschieden, dass die Entnahmen der Grundstücke nicht nach § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen sind, da § 4 Abs. 4a EStG teleologisch dahingehend auszulegen sei, dass eine Entnahme eines vor 1999 in das Betriebsvermögen eingelegten Wirtschaftsguts nur insoweit vorliege, als dadurch stille Reserven aufgedeckt worden seien.

Der BFH hat entschieden, dass bei der Ermittlung von Überentnahmen i. S. d. § 4 Abs. 4a EStG auch Entnahmen von Wirtschaftsgütern zu berücksichtigen sind, die bereits vor der Einführung der Vorschrift in den Betrieb eingelegt worden sind. Weiterhin sind bei Buchwerteinbringung eines Betriebs vorhandene Über- oder Unterentnahmen fortzuführen.

Eine Entnahme bzw. eine Einlage i. S. d. § 4 Abs. 4a EStG liegt indes nicht vor, soweit ein Betrieb oder Mitunternehmeranteil gemäß § 6 Abs. 3 EStG unentgeltlich übertragen worden ist. Denn bei der unentgeltlichen Übertragung wird der nämliche Betrieb vom Rechtsnachfolger fortgeführt. Diese Grundsätze gelten entsprechend, soweit ein Einzelunternehmer seinen Betrieb gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten zum Buchwert in eine Personengesellschaft einbringt (§ 24 Abs. 1 UmwStG, § 24 Abs. 2 S. 2 UmwStG).

Die Regelung in § 52 Abs. 11 S. 3 EStG ist über ihren eindeutigen Wortlaut hinaus nicht dahingehend auszulegen, das diese Norm auch auf Entnahmen von Wirtschaftsgütern Anwendung findet, die bereits vor dem 01.01.1999 in den Betrieb eingelegt worden sind.

Veräußerungsgewinn aus einer Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder als sonstige Einkünfte

Der Veräußerungsgewinn aus einer Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen führt nicht allein deshalb zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, weil die sog. "Managementbeteiligung" von einem Arbeitnehmer der Unternehmensgruppe gehalten und nur leitenden Mitarbeitern angeboten worden war.

Bestehende Ausschluss- oder Kündigungsrechte hinsichtlich der Kapitalbeteiligung im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind Ausdruck und Folge der Mitarbeiterbeteiligung und rechtfertigen für sich allein noch nicht die Annahme, dass dem Arbeitnehmer durch die Gewährung einer Möglichkeit zur Beteiligung Lohn zugewendet werden soll.

BFH  v. 04.10.2016, IX R 43/15

Hinweis:

Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Vorteile werden "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind.

Der Kläger war für verschiedene Unternehmen einer Unternehmensgruppe im mittleren Management tätig und erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger war über eine Beteiligungsgesellschaft mittelbar an der A-Holding GmbH beteiligt. 2004 erwarb eine Investorengruppe sämtliche Anteile an der A-Holding GmbH. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr wurde der Veräußerungsgewinn des Klägers nicht angegeben, da der Kläger aufgrund des Ablaufs der Spekulationsfrist von einem steuerfreien Veräußerungsgeschäft ausging. Das FA gelangt nach einer Steuerfahndungsprüfung zum Ergebnis, dass der Veräußerungsgewinn Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstelle.

Der BFH hat entschieden, dass der Verkauf der Kapitalbeteiligung nicht zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führte.

Beteiligt sich ein Arbeitnehmer kapitalmäßig an seinem Arbeitgeber, kann die Beteiligung eigenständige Erwerbsgrundlage sein, so dass damit in Zusammenhang stehende Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung, die daraus erzielten laufenden Erträge sind dann keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen.

Der Veräußerungsgewinn aus einer Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen führt insbesondere nicht allein deshalb zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, weil die Beteiligung von einem Arbeitnehmer des Unternehmens gehalten und veräußert wurde und auch nur Arbeitnehmern im Allgemeinen oder sogar nur bestimmten Arbeitnehmern angeboten worden war.

Bestehende Ausschluss- oder Kündigungsrechte hinsichtlich der Kapitalbeteiligung im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind Ausdruck und Folge der Mitarbeiterbeteiligung und rechtfertigen für sich allein noch nicht die Annahme, dass dem Arbeitnehmer durch die Gewährung einer Möglichkeit zur Beteiligung Lohn zugewendet werden soll. 

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