Einkommensteuer (KW 49-2016)

Anwendung des Abzugsverbots gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG bei sog. „Herrenabenden“

Betriebsausgaben, die für die Unterhaltung von Geschäftsfreunden aufgewendet werden, unterliegen als Aufwendungen für „ähnliche Zwecke“ nur dann dem Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG, wenn sich aus der Art und Weise der Veranstaltung und ihrer Durchführung ableiten lässt, dass es sich um Aufwendungen handelt, die für eine überflüssige und unangemessene Unterhaltung und Repräsentation getragen werden.

BFH  v. 13.07.2016, VIII R 26/14

Hinweis:

Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 EStG dürfen Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen den Gewinn nicht mindern.

Im Streitfall hatte eine Rechtsanwaltskanzlei in mehreren Jahren sog. „Herrenabende“ im Garten des Wohngrundstücks des namensgebenden Partners veranstaltet, bei denen jeweils bis zu 358 Gäste für Gesamtkosten zwischen 20.500 € und 22.800 € unterhalten und bewirtet wurden. Das FG hatte das Abzugsverbot bejaht, weil die Veranstaltungen "Eventcharakter" gehabt hätten, ein geschlossener Teilnehmerkreis vorgelegen habe und die Gäste sich durch die Einladung in ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung bestätigt fühlen durften.

Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Nach Ansicht des BFH muss sich aus der Veranstaltung und ihrer Durchführung ergeben, dass Aufwendungen für eine überflüssige und unangemessene Unterhaltung und Repräsentation getragen werden. Die bloße Annahme eines Eventcharakters reicht hierfür nicht aus, da die unter das Abzugsverbot fallenden Aufwendungen für „ähnliche Zwecke“ wie bei den Regelbeispielen "unüblich“ sein müssen. Dies kann aufgrund eines besonderen Ortes der Veranstaltung oder der Art und Weise der Unterhaltung der Gäste der Fall sein. Das FG hat im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die Art und Durchführung der „Herrenabende“ den Schluss zulässt, dass diese sich von „gewöhnlichen Gartenfesten“ abheben und mit der Einladung zu einer Segelregatta oder Jagdgesellschaft vergleichbar sind.




Außerordentliche Einkünfte aus einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit; keine Tarifbegünstigung bei Teilzahlungen

Eine Nachzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung, die insgesamt mehrere Jahre betrifft, ist eine mehrjährige Vergütung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.

Erfolgt die Auszahlung der Gesamtvergütung in zwei Veranlagungszeiträumen in etwa gleich großen Teilbeträgen, kommt eine Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG nicht in Betracht.

Die Tarifbegünstigung des § 34 EStG knüpft an die Progressionsbelastung durch zugeflossene Einnahmen und grundsätzlich nicht daran an, ob die Modalitäten des Zuflusses vereinbart oder dem Zahlungsempfänger aufgezwungen wurden.

BFH  v. 02.08.2016, VIII R 37/14

Hinweis:

Nach § 34 Abs. 1 EStG sind außerordentliche Einkünfte ermäßigt zu besteuern. Als außerordentliche Einkünfte kommen gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht. Mehrjährig ist eine Tätigkeit, wenn sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.

Klägerin ist eine GbR, die eine psychotherapeutische Praxis betreibt. Die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit ermittelt die Klägerin durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG in der für die Streitjahre 2005 und 2006 geltenden Fassung. Die Kassenärztliche Vereinigung zahlte der Klägerin in den Streitjahren zusätzliche Honorare für die Tätigkeit der Gesellschafter in dem Zeitraum 2000 bis 2004 in vier fast gleich hohen Raten nach. Im Jahr 2005 floss der Klägerin hieraus insgesamt ein Betrag in Höhe von 60.600 € und im Jahr 2006 insgesamt ein Betrag in Höhe von 61.931 € zu. 

Diese Nachzahlungen gab die Klägerin in ihren Feststellungserklärungen als tarifbegünstigte Einkünfte aus Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG an. Das FA versagte den begehrten Ansatz der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG.

Der BFH hat entschieden, dass die Tarifbegünstigung gem. § 34 Abs. 1 EStG nicht in Betracht kommt.

Bei der Nachzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung für die Jahre 2000 bis 2004 handelt es sich um Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Der Umstand, dass sich die zugeflossene Vergütung aus mehreren Beträgen zusammensetzt, die jeweils einem bestimmten Einzeljahr zugerechnet werden können, steht der Annahme einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit nicht entgegen.

Die Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung stellen jedoch keine außerordentlichen Einkünfte i. S. d. § 34 EStG dar. Es fehlt an der erforderlichen Zusammenballung von Einkünften, da die Vergütung für die mehrjährige Tätigkeit nicht in einem Jahr zugeflossen ist. Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem VZ zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Keine außerordentlichen Einkünfte liegen vor, wenn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in zwei VZ gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt. Auch der Umstand, dass der Klägerin die ratenweise Auszahlung der Vergütung in zwei statt in einem VZ von der Kassenärztlichen Vereinigung aufgezwungen wurde, führt zu keiner anderen Beurteilung.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist § 34 Abs. 1 EStG trotz des Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen ausnahmsweise auch dann anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhält und die ganz überwiegende Leistung in einem Betrag ausgezahlt wird, vgl. BFH v. 13.10.2015, IX R 46/14, BStBl 2016 II S. 214. Ein solcher Ausnahmefall war vorliegend jedoch nicht gegeben, da die Nachzahlung in den Streitjahren in nahezu gleich großen Beträgen erfolgte. Als geringfügig wäre eine Teilleistung anzusehen, wenn sie niedriger ist als die tarifliche Steuerbegünstigung der Hauptleistung.




Verrechnung von dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Veräußerungsverlusten nach Einführung der Abgeltungsteuer; Bindungswirkung des Verlustfeststellungsbescheids als Grundlagenbescheid

Dem Feststellungsbescheid über Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG nach der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Rechtslage (sog. Altverluste) kommt als Grundlagenbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bei einer Verlustverrechnung im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG sowohl hinsichtlich des Bestehens als auch der Höhe der Altverluste Bindungswirkung zu.

Durch das Nichtbeachten eines Grundlagenbescheids bei der erstmaligen Festsetzung der Steuer oder einer Folgeänderung wird der Grundlagenbescheid nicht „verbraucht“. Er ist nach wie vor geeignet, eine spätere nochmalige Änderung des Folgebescheids zu rechtfertigen.

Die Verrechnung von Altverlusten aus der Veräußerung von Wertpapieren mit nach der Verrechnung i.S. des § 43a Abs. 3 EStG verbleibenden positiven Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG ist zwingend, wenn gemäß § 32d Abs. 4 EStG die Einbeziehung der Kapitaleinkünfte in die Steuerfestsetzung beantragt wurde und keine Ausgleichsmöglichkeit der Altverluste mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG besteht.

BFH  v. 09.08.2016, VIII R 27/14

Hinweis:

Gemäß § 23 Abs. 3 S. 10 EStG a.F. mindern Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Maßgabe des § 10d EStG auch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus § 20 Abs. 2 EStG erzielt.

Das FA erließ einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2008, in dem es den Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG a.F. (sog. Altverluste) für die Kläger feststellte. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2009) stellten die Kläger sowohl einen Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG 2009 als auch einen Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Das FA setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Einbeziehung der nach § 32d Abs. 1 EStG zu besteuernden Kapitaleinkünfte bestandskräftig fest. Eine Verrechnung des Verlustvortrags aus privaten Veräußerungsgeschäften zum 31. Dezember 2008 mit den im Streitjahr erzielten Kapitalerträgen i.S. des § 20 Abs. 2 EStG nahm es dabei nicht vor. 

Der BFH hat entschieden, dass die festgestellten Altverluste mit den Kapitaleinkünften i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG zu verrechnen sind.

Gemäß § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Bst. d AO darf ein formell bestandskräftiger Steuerbescheid, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, geändert werden, soweit dies gesetzlich zugelassen ist. Dies ist nach der Korrekturvorschrift des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO der Fall, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Bei dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2008 über Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG a.F. handelt es sich um einen solchen Grundlagenbescheid. Gemäß § 23 Abs. 3 S. 10 EStG mindern diese Verluste nach Maßgabe des § 10d EStG auch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus § 20 Abs. 2 erzielt. Dem Verlustfeststellungsbescheid über die Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften kommt danach sowohl hinsichtlich des Bestehens als auch der Höhe der Altverluste Bindungswirkung bei der Verrechnung mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG zu.

Die Kläger haben im Streitfall rechtzeitig einen Antrag auf Einbeziehung der Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuerfestsetzung nach § 32d Abs. 4 EStG gestellt. Die Verrechnung von Altverlusten mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG gemäß § 20 Abs. 6 S. 1, § 23 Abs. 3 S. 9 EStG kann auch bei einer Korrektur gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO nur erfolgen, wenn die Kapitaleinkünfte aufgrund einer Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG in die Einkommensteuerfestsetzung miteinbezogen werden. Bei dem Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG handelt es sich um ein unbefristetes Veranlagungswahlrecht.

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