Einkommensteuer

Anwendung des § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG bei unterjährigem Gesellschafterwechsel einer Personengesellschaft

Der Anteil eines Mitunternehmers am Gewerbesteuermessbetrag richtet sich auch bei unterjährigem Gesellschafterwechsel selbst dann nach seinem Anteil am Gewinn der Mitunternehmerschaft nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels, wenn sich der aus der Gesellschaft ausgeschiedene Veräußerer eines Mitunternehmeranteils zivilrechtlich zur Übernahme der auf einen Veräußerungsgewinn entfallenden Gewerbesteuer verpflichtet hat.

Auch nach unterjährigem Gesellschafterwechsel ist der Anteil am Gewerbesteuermessbetrag nur für diejenigen Gesellschafter festzustellen, die zum Zeitpunkt der Entstehung der Gewerbesteuer Mitunternehmer der fortbestehenden Personengesellschaft als Schuldnerin der Gewerbesteuer sind (entgegen den BMF-Schreiben vom 19. September 2007 IV B 2-S 2296-a/0, BStBl I 2007, 701, Rz 28, und vom 24. Februar 2009 IV C 6-S 2296-a/08/10002, BStBl I 2009, 440, Rz 30).

BFH  v. 14.01.2016, IV R 5/14

Hinweis:

Der Anteil eines Mitunternehmers am Gewerbesteuermessbetrag richtet sich nach seinem Anteil am Gewinn der Mitunternehmerschaft nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels, § 35 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 EStG.

Auch Veräußerungsgewinne werden von der vorgenannten Typisierung erfasst. Die Personengesellschaft ist gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG Schuldnerin der Gewerbesteuer unabhängig davon, ob und inwieweit der Gewerbeertrag als Bemessungsgrundlage dieser Steuer (§ 6 GewStG) auch Veräußerungs- oder Aufgabegewinne i.S. des § 7 Satz 2 GewStG umfasst. Auch insoweit kann deshalb typisierend davon ausgegangen werden, dass die Gewerbesteuer den Gesamthandsgewinn der Personengesellschaft mindert.

Auch bei einem unterjährigen Ausscheiden von Gesellschaftern aus einer Personengesellschaft richtet sich der Anteil des Gesellschafters am Gewerbesteuermessbetrag nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel, denn auch in dieser Situation bleibt Schuldner der Gewerbesteuer die Personengesellschaft.

Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die Gewerbesteuer nach § 18 GewStG erst mit Ablauf des Erhebungszeitraums entsteht, für den die Festsetzung vorgenommen wird. Insoweit trifft der Aufwand nur die zu diesem Zeitpunkt an der Personengesellschaft beteiligten Mitunternehmer auf der Grundlage des gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsschlüssels, nicht hingegen die im Laufe des Erhebungszeitraums ausgeschiedenen Gesellschafter.

Der Senat sieht keine gesetzliche Grundlage für die Auffassung, dass auch für die unterjährig ausgeschiedenen Gesellschafter einer Personengesellschaft Anteile am Gewerbesteuermessbetrag festzustellen seien. Nach Ansicht des BFH erfolgt die Verteilung des Gewerbesteuermessbetrags ausschließlich nach dem zum Ende des Geschäftsjahres geltenden allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel.





Nutzungsausfallentschädigung für Kfz - Investitionsabzugsbetrag - Gewinngrenze

Die Entschädigung für den Nutzungsausfall eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens ist eine Betriebseinnahme.

Bei Ermittlung der für einen Investitionsabzugsbetrag maßgebenden Gewinngrenze ist die gewinnwirksame Auflösung früherer Ansparabschreibungen einzubeziehen (Anschluss an VIII. Senat).

BFH  v. 27.01.2016, X R 2/14

Hinweis:

Der Kläger, ein selbständiger Versicherungsagent, hielt ein Fahrzeug im Betriebsvermögen, das er auch privat nutzte. Für einen Nutzungsausfall aufgrund eines Unfalls erhielt er von der Versicherung des Unfallverursachers eine Entschädigung. Das Finanzamt behandelte diese uneingeschränkt als Betriebseinnahme. Der Kläger machte demgegenüber geltend, dass der Unfall sich auf einer Privatfahrt ereignet habe und er außerdem für die Zeit des Nutzungsausfalls kein Ersatzfahrzeug angemietet, sondern Urlaub genommen habe.

Der BFH gab dem Finanzamt Recht. Bewegliche Wirtschaftsgüter sind selbst dann, wenn sie gemischt genutzt werden, ungeteilt entweder Betriebsvermögen oder Privatvermögen. Vereinnahmt der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit Schäden am Wirtschaftsgut Ersatzleistungen, richtet sich die steuerliche Beurteilung nach der Zuordnung des Wirtschaftsguts. Das gilt unabhängig davon, bei welcher Gelegenheit der Schaden entstanden ist und wie der Steuerpflichtige auf den Schaden reagiert.

Damit setzt der BFH die Rechtsprechung zu Schadenersatzleistungen fort, die als Ausgleich für Substanzverluste oder Substanzschäden vereinnahmt werden. Diese sind stets Betriebseinnahmen, wenn sie an die Stelle eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens treten. Für den Verlust der Nutzungsmöglichkeit gilt nichts anderes. Auch der Gebrauchsvorteil eines Wirtschaftsguts ist ausschließlich dem Betrieb zuzuordnen, wenn das Wirtschaftsgut zum Betriebsvermögen gehört.





Ansparabschreibung nach Buchwerteinbringung in eine Personengesellschaft

Ist die Durchführung der Investition in einem Einzelunternehmen, mit der ein Finanzierungszusammenhang bestanden hat, nach dessen Einbringung in eine Personengesellschaft objektiv nicht mehr möglich, so ist eine Ansparrücklage aufzulösen, da die beiden Betriebe selbständig und nicht als Einheit zu betrachten sind.

BFH  v. 27.01.2016, X R 31/11

Hinweis:

Der Große Senat des BFH hat bereits entschieden, dass eine Ansparabschreibung nach
§ 7g EStG nicht mehr vorgenommen werden darf, wenn im Zeitpunkt der Geltendmachung beim Finanzamt bereits feststeht, dass der Betrieb zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft eingebracht wird (BStBl 2015 II S. 1007). Zur Begründung hat er ausgeführt, für Fälle der Betriebsveräußerung und -aufgabe sei bereits entschieden, dass eine Ansparabschreibung nicht mehr vorgenommen werden könne, wenn die Investition im Betrieb nicht mehr möglich sei. Nichts anderes könne in Fällen der Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft gelten, weil es sich dabei um einen veräußerungs- und tauschähnlichen Vorgang handele. Der Rechtsträger des Betriebs wechselt infolge eines entgeltlichen Vorgangs ebenso wie bei einer Veräußerung. An dieser Einordnung als veräußerungsähnlichen Vorgang ändere sich nichts dadurch, dass die übernehmende Kapitalgesellschaft die Buchwerte des eingebrachten Betriebsvermögens ansetze. Der in § 22 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 S. 1 UmwStG angeordnete Eintritt der übernehmenden Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers bedeute keine Gesamtrechtsnachfolge.

Der Eintritt in die Rechtsstellung beschränke sich vielmehr auf objektbezogene Besteuerungsmerkmale. Der Förderzweck des § 7g EStG könne durch die Vornahme einer An-sparabschreibung im Einzelunternehmen nicht mehr erreicht werden.

Der X. Senat wendet die Urteilsgrundsätze des Großen Senats sinngemäß auf die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft gem. § 24 UmwStG an. Es ist entscheidend darauf abzustellen, dass es sich bei der Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft – ungeachtet der Möglichkeit der Buchwertfortführung – um einen tauschähnlichen Vorgang und damit um einen Spezialfall der Betriebsveräußerung handelt. Im Streitfall stand bei Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrags fest, dass das Einzelunternehmen in die KG eingebracht würde. Die streitige Ansparabschreibung wurde aber erst nach diesem Zeitpunkt beim FA geltend gemacht.





Kindergeld: Erstausbildung bei Aufnahme eines Studiums nach Berufstätigkeit

Nimmt ein Kind nach Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung ein Studium auf, welches eine Berufstätigkeit voraussetzt, stellt sich das Studium nicht mehr als integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung dar.

Setzt der zweite Ausbildungsabschnitt eine Berufstätigkeit voraus oder nimmt das Kind vor Beginn der zweiten Ausbildung eine Berufstätigkeit auf, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, liegt regelmäßig mangels notwendigen engen Zusammenhangs keine einheitliche Erstausbildung vor.

BFH  v. 04.02.2016, III R 14/15

Hinweis:

Der BFH hat mit Urteil v. 04.02.2016, II R 14/15 entschieden, dass ein Studium nicht integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung ist, wenn ein Kind nach Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung ein Studium aufnimmt, das eine Berufsausbildung voraussetzt.

Im Streitfall hatte die Tochter des Klägers nach ihrer Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen als Angestellte in einer Klinik gearbeitet und sich dann für ein berufsbegleitendes Studium an einer Verwaltungsakademie beworben, das eine kaufmännische Berufsausbildung und eine einjährige Berufstätigkeit voraussetzte. Die Tochter strebte eine Tätigkeit im mittleren Management im Gesundheitswesen an.

Da sie nach Ansicht der Familienkasse eine Ausbildung abgeschlossen hatte und weiterhin 30 Wochenstunden arbeitete, wurde die Kindergeldfestsetzung aufgehoben.

Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind zwischen 18 und 25 Jahren, das sich in einer zweiten oder weiteren Ausbildung befindet, nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 S. 2 u. 3 EStG).

Da aber die Tochter die zulässige Wochenarbeitsgrenze überschritten hatte, kam der Frage, ob es sich bei dem berufsbegleitenden Studium um eine Erst- oder Zweitausbildung handelte, entscheidungserhebliche Bedeutung zu.

Der BFH bestätigte das kindergeldschädliche Vorliegen einer Zweitausbildung. Zwar gilt nach der Rechtsprechung des BFH ein erster berufsqualifizierender Abschluss nicht als Erstausbildung, wenn sich dieser Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt.

Das hatte der BFH z.B. zur Prüfung als Steuerfachangestellter im Rahmen eines dualen Bachelorstudiums im Steuerrecht, zur Prüfung als Fachinformatikerin im Rahmen einer dualen Ausbildung zum Bachelor in Wirtschaftsinformatik sowie zum Bachelor-Abschluss im Rahmen eines Masterstudiums entschieden.

Eine solche einheitliche Erstausbildung liegt - so auch im hier vom BFH entschiedenen Streitfall - mangels notwendigen engen Zusammenhangs regelmäßig aber nicht mehr vor, wenn der zweite Ausbildungsabschnitt eine Berufstätigkeit voraussetzt. Ist Bedingung für ein berufsbegleitendes Studium an einer Verwaltungsakademie eine berufspraktische Erfahrung von regelmäßig einem Jahr, handelt es sich um einen die berufliche Erfahrung berücksichtigenden Weiterbildungsstudiengang und damit um eine Zweitausbildung.





Eigene Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts-GbR kein Arbeitslohn

Die eigene Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts-GbR führt nicht zu Arbeitslohn bei den angestellten Rechtsanwälten.

BFH  v. 10.03.2016, VI R 58/14

Hinweis:

Die Beiträge einer Rechtsanwalts-GbR zu ihrer eigenen Berufshaftpflichtversicherung führen bei den angestellten Rechtsanwälten nach dem BFH-Urteil v. 10.03.2016, VI R 58/14 nicht zu Arbeitslohn.

Die Klägerin, eine Rechtsanwaltssozietät, die in den Streitjahren in der Rechtsform einer GbR tätig war, hatte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Die bei ihr angestellten Rechtsanwälte unterhielten darüber hinaus eigene Berufshaftpflichtversicherungen. Das Finanzamt sah die Versicherungsbeiträge der Rechtsanwalts-GbR für ihre eigene Berufshaftpflichtversicherung als Arbeitslohn der angestellten Rechtsanwälte an. Dem ist der BFH entgegengetreten.

Dies beruht auf der ständigen Rechtsprechung, nach der Vorteile, die sich lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen des Arbeitgebers erweisen, bei den Arbeitnehmern nicht zu Arbeitslohn führen.

Daher hat der BFH die Beiträge der Rechtsanwalts-GbR zu ihrer eigenen Berufshaftpflichtversicherung nicht als Arbeitslohn angesehen. Dies gilt auch, soweit sich der Versicherungsschutz auf Ansprüche gegen die angestellten Rechtsanwälte erstreckt. Denn insoweit handelt es sich um eine bloße Reflexwirkung der eigenbetrieblichen Betätigung der Rechtsanwalts-GbR. Die Erweiterung des Versicherungsschutzes dient dazu, der Rechtsanwalts-GbR einen möglichst umfassenden Schutz für alle bei ihr beschäftigten Rechtsanwälte zu gewähren, weil sie nur so erreichen kann, ihre Haftungsrisiken möglichst umfassend auf den Versicherer abzuwälzen.

Das Urteil des BFH bezieht sich allerdings nur auf die eigene Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwalts-GbR. Übernimmt die GbR Beiträge für eine Berufshaftpflichtversicherung, die ein bei ihr angestellter Rechtsanwalt selbst abgeschlossen hat, liegt nach der Rechtsprechung des BFH lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn vor.

Das Urteil gilt nicht nur für Sozietäten in der Rechtsform der GbR, sondern z.B. auch für Einzelkanzleien mit angestellten Rechtsanwälten. Die Entscheidung des BFH kann auch für andere Berufsgruppen wie Steuerberater von Bedeutung sein.





Kindergeld: Persönliche Anspruchsberechtigung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

Die Fiktion des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009, wonach bei der Anwendung von Art. 67 und 68 der VO Nr. 883/2004 die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle Beteiligten —insbesondere was das Recht zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt— unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats (hier: Deutschland) fallen und dort wohnen, kann dazu führen, dass der Anspruch auf Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG nicht dem in Deutschland, sondern dem im EU-Ausland lebenden Elternteil zusteht (EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2015 C-378/14, EU:C:2015:720, DStRE 2015, 1501). Kann wegen der —nicht nur räumlichen— Trennung der Eltern nicht fingiert werden, dass diese in Deutschland in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG der Elternteil kindergeldberechtigt, der das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat.

In einem derartigen Fall steht der Kindergeldanspruch auch dann nicht dem in Deutschland lebenden Elternteil zu, wenn der im EU-Ausland lebende Elternteil keinen Antrag auf Kindergeld gestellt hat.

BFH  v. 04.02.2016, III R 17/13

Hinweis:

Lebt ein Kind im EU-Ausland bei der geschiedenen Ehefrau, ist sie, nicht aber der in Deutschland lebende Vater kindergeldberechtigt, wie der BFH mit Urteil vom 04.02.2016, III R 17/13 entschieden hat.

Im Streitfall beantragte ein in Deutschland wohnender deutscher Staatsangehöriger Kindergeld für seinen Sohn. Der Sohn lebte in Polen im Haushalt seiner Mutter, der geschiedenen polnischen Ehefrau des Klägers. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil sie der Ansicht war, der Anspruch auf Kindergeld stehe nicht dem Kläger zu. Kindergeldberechtigt sei die geschiedene Ehefrau. Dem stehe nicht entgegen, dass sie in Deutschland über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt habe. Vor dem FG hatte der Kläger Erfolg. Demgegenüber hob der BFH das Urteil des FG auf und wies die Klage ab.

Entscheidend ist hierfür die unionsrechtliche Vereinheitlichung der nationalen Regelungen zur sozialen Sicherheit (Art. 60 Abs. 1 S. 2 der ab dem 01.05.2010 geltenden VO Nr. 987/2009). Danach ist bei Ansprüchen auf Familienleistungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten die gesamte Familie so zu behandeln, als würde sie in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Familienleistungen beansprucht werden (Wohnsitzfiktion).

Da das deutsche Kindergeldrecht nicht danach unterscheidet, ob die Eltern eines Kindes verheiratet sind oder nicht, ist auch die geschiedene Ehefrau Familienangehörige. Somit gilt sie als mit dem Kind in Deutschland lebend. Damit steht ihr der Anspruch auf Kindergeld zu, da nach deutschem Recht das Kindergeld bei getrennt lebenden Eltern vorrangig an den Elternteil ausgezahlt wird, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.

Da der BFH Zweifel hatte, ob das Unionsrecht tatsächlich eine solch weitgehende Fiktion beabsichtigte, richtete er ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, in dem der EuGH (Urteil vom 22.10.2015, C-378/14 in der Rechtssache Trapkowski) entschied, dass die Wohnsitzfiktion zu einem Wechsel der persönlichen Anspruchsberechtigung von dem in Deutschland lebenden Elternteil zu dem im EU-Ausland lebenden anderen Elternteil führen kann. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der im EU-Ausland lebende Elternteil keinen Antrag auf deutsches Kindergeld gestellt hat.

In seinem Urteil folgte der BFH der Beurteilung durch den EuGH. Damit war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage des Vaters abzuweisen. Die Entscheidung des BFH ist von allgemeiner Bedeutung für Fälle, in denen die Eltern eines Kindes in unterschiedlichen EU-Staaten leben und in keinem EU-Staat ein gemeinsamer Haushalt der Eltern und des Kindes besteht. In Bezug auf den Sohn, für den das Kindergeld beansprucht wurde, hat die Familienkasse nunmehr über den Kindergeldanspruch der geschiedenen Ehefrau zu entscheiden.

Inhaltsgleich hat der BFH in einem zweiten Urteil vom 10.03.2016, III R 62/12 entschieden. Hier lebten die beiden Töchter des in Deutschland wohnenden Klägers bei ihrer in Griechenland lebenden Großmutter. Nach deutschem Recht kann ein Anspruch auf Kindergeld auch einem Großelternteil zustehen, der sein Enkelkind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Der BFH folgte auch hier dem EuGH-Urteil Trapkowski. Somit war auch hier zu fingieren, dass die Großmutter mit ihren beiden Enkelinnen in Deutschland lebte. Ein Anspruch auf Kindergeld steht somit ihr zu und nicht dem Kläger.





Kindbezogene Berechnung des Differenzkindergeldes - Keine familienbezogene Betrachtungsweise

Die Berechnung des Differenzkindergeldes hat nach dem EStG kindbezogen zu erfolgen. Eine Kürzung des Differenzkindergeldes bei einzelnen Kindern durch Verrechnung eines übersteigenden Betrages bei anderen Kindern ist mangels gesetzlicher Grundlage ausgeschlossen.

Art. 68 der VO Nr. 883/2004 enthält im Hinblick auf eine Berechnungsmethode, bei der die Beträge der Familienleistungen eines primär und eines sekundär zuständigen Mitgliedstaates miteinander verglichen werden, keine Regelung.

Räumt die Verordnung den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum ein, obliegt die Befugnis zur Letztkonkretisierung dem Gesetzgeber. Das EStG hat die Gewährung und Festsetzung des Kindergeldes kindbezogen ausgestaltet.

BFH  v. 04.02.2016, III R 9/15

Hinweis:

Die Klägerin wohnt mit ihrem Ehemann und vier Kindern im Inland. Ihr ältestes Kind ist volljährig und macht eine Ausbildung, die drei weiteren Kinder sind minderjährig. Der Ehemann der Klägerin erhält als Arbeitnehmer in der Schweiz für die Kinder Familienzulagen. Die Schweiz ist unter Berücksichtigung von Verordnungen der EU und des Freizügigkeitsabkommens zwischen Deutschland und der Schweiz vorrangig für die Gewährung von Familienleistungen zuständig, weil der Kindsvater in der Schweiz beschäftigt ist.

Die Schweizer Familienzulagen waren für die zwei jüngsten Kinder geringer als das deutsche Kindergeld; für die zwei älteren Kinder jedoch höher. Die Familienkasse nahm keine kindbezogene Betrachtung vor, sondern verminderte das Kindergeld für die vier Kinder um die Summe der gewährten Familienzulagen in der Schweiz.

Der BFH hat hingegen entschieden, dass das Differenzkindergeld kindbezogen zu ermitteln ist. Ein verbleibender Überschuss der Schweizer Kinderzulage über das deutsche Kindergeld bei einem Kind darf nicht mit den Differenzkindergeldansprüchen der weiteren Kinder verrechnet werden.





Sofortabzug eines Disagios

Ein Disagio ist nur dann nicht sofort als Werbungskosten abziehbar, wenn es sich nicht im Rahmen des am aktuellen Kreditmarkt Üblichen hält. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung. Wird eine Disagiovereinbarung mit einer Geschäftsbank wie unter fremden Dritten geschlossen, indiziert dies die Marktüblichkeit.

BFH  v. 08.03.2016, IX R 38/14

Hinweis:

Gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 EStG sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Werden Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet, sind sie gemäß § 11 Abs. 2 S. 3 EStG insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird. Nach § 11 Abs. 2 S. 4 EStG ist keine Aufwandsverteilung für ein Disagio vorzunehmen, soweit dieses marktüblich ist.

Im Streitfall erwarb der Kläger ein Mehrfamilienhaus zum Preis von 1,5 Mio. EUR. Den Kaufpreis finanzierte er mit einem bei einer Geschäftsbank aufgenommenen Hypothekendarlehen über einen Darlehensbetrag von nominell 1.333.000 EUR. Der Nominalzinssatz betrug bei einer festen Zinsbindung von zehn Jahren 2,85 % jährlich. Bei der Berechnung des Nominalzinssatzes war ein Disagio von 10 % der Darlehenssumme berücksichtigt. Der Kläger machte u.a. das Disagio in voller Höhe als sofort abziehbare Werbungskosten geltend. Das FA berücksichtigte hiervon lediglich den „marktüblichen Teil“ von 5 %. Der darüber hinausgehende Disagiobetrag werde auf den Zinsfestschreibungszeitraum von zehn Jahren verteilt.

Nach Ansicht des BFH ist das Disagio sofort in voller Höhe als Werbungskosten abzugsfähig, da es sich um ein marktübliches Disagio handelte.

Bezogen auf die dargelegte Funktion eines Disagios ergibt sich die Marktüblichkeit aus der Höhe des Disagios im Verhältnis zur Höhe und Laufzeit des Kredits, dies in Relation zu den aktuellen Verhältnissen auf dem Kreditmarkt (HHR/Kister, § 11 EStG Rz 128, Stichwort "Marktüblichkeit").

Abzugrenzen ist das marktübliche Disagio von "ungewöhnlichen" Gestaltungen, die sich nicht in dem auf dem aktuellen Kreditmarkt üblichen Rahmen halten. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung.

Wird eine Zins- und Disagiovereinbarung mit einer Geschäftsbank wie unter fremden Dritten geschlossen, indiziert dies die Marktüblichkeit.





Gemischt genutzte Nebenräume

Aufwendungen für Küche, Bad und Flur, die in die häusliche Sphäre eingebunden sind und zu einem nicht unerheblichen Teil privat genutzt werden, können auch dann nicht als Betriebsausgaben/Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein berücksichtigungsfähiges häusliches Arbeitszimmer existiert.

BFH  v. 17.02.2016, X R 26/13

Hinweis:

Nach dem BFH- Urteil v. 17.02.2016, X R 26/13 sind bei einem steuerrechtlich anzuerkennenden Arbeitszimmer Aufwendungen für Nebenräume (Küche, Bad und Flur), die in die häusliche Sphäre eingebunden sind und zu einem nicht unerheblichen Teil privat genutzt werden, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar.

Die Klägerin unterhielt in ihrer Wohnung ein häusliches Arbeitszimmer, das sie so gut wie ausschließlich für ihre nur von diesem Arbeitszimmer aus betriebene gewerbliche Tätigkeit nutzte. Während das Finanzamt die Aufwendungen dafür als Betriebsausgaben anerkannte, versagte es die Berücksichtigung der hälftigen Kosten für die jedenfalls auch privat genutzten Nebenräume (Küche, Bad und Flur).

Der BFH gab dem Finanzamt Recht. Der Große Senat des BFH hatte in seinem Beschluss vom 27.07.2015, GrS 1/14 bereits entschieden, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, das nicht nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wird („gemischt genutztes Arbeitszimmer“) steuerlich nicht zu berücksichtigen sind. Mit der vorliegenden Entscheidung knüpft der BFH hieran auch für Nebenräume der häuslichen Sphäre an. Die Nutzungsvoraussetzungen sind individuell für jeden Raum und damit auch für Nebenräume zu prüfen. Eine zumindest nicht unerhebliche private Mitnutzung derartiger Räume ist daher abzugsschädlich.





Kindergeld: Keine Berücksichtigung einer Schmerzensgeldrente bei den finanziellen Mitteln eines volljährigen behinderten Kindes

Bei der Prüfung, ob ein volljähriges behindertes Kind über hinreichende finanzielle Mittel zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts verfügt, ist eine Schmerzensgeldrente grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.

BFH  v. 13.04.2016, III R 28/15

Hinweis:

Gem. § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

Für den Kindergeldanspruch eines behinderten Kindes ist u.a. zu prüfen, ob das Kind über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, die zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts ausreichen. Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge.

Das Schmerzensgeld nimmt eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein und ist dementsprechend grundsätzlich nicht bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes zu berücksichtigen, da es nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet ist. Beim Schmerzensgeld steht vielmehr der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes zu berücksichtigen, steht mithin in Widerspruch zu seiner Sonderfunktion, immaterielle Schäden abzumildern.





Gemischt genutztes Arbeitszimmer - Ausschluss eines für den Lastentransport hergerichteten VW-Transporters von der Anwendung der 1%-Regelung

Aufwendungen für einen in die häusliche Sphäre eingebundenen Raum, der mit einem nicht unerheblichen Teil seiner Fläche auch privat genutzt wird (sog. "Arbeitsecke"), können nicht als Betriebsausgaben/Werbungskosten berücksichtigt werden (Anschluss an den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408).

BFH  v. 17.02.2016, X R 32/11

Hinweis:

Mit Beschluss v 27.07.2015, Grs 1/14 hatte der Große Senat entschieden, dass ein häusliches Arbeitszimmer neben einem büromäßig eingerichteten Raum voraussetzt, dass es ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt wird. Fehlt es hieran, sind die Aufwendungen hierfür insgesamt nicht abziehbar. Damit scheidet eine Aufteilung und anteilige Berücksichtigung im Umfang der betrieblichen oder beruflichen Verwendung aus.

Grundsätze der Entscheidung des Großen Senats gelten auch für Zimmer, die im Wege einer räumlichen Aufteilung mit einer "Arbeitsecke" zur Erzielung von Einnahmen und in der übrigen Fläche zu privaten Wohnzwecken genutzt werden.

Die Abtrennung durch ein Regal genügt nicht, um aus dem einheitlichen Raum zwei Räume zu machen. Die Berücksichtigung der Aufwendungen als Betriebsausgaben kommt daher nicht in Betracht.

Außerdem hat der BFH in einem obiter dictum entschieden, dass für einen zweiseitigen VW-Transporter mit geschlossenem fensterlosen Laderaum kein Privatanteil nach der 1%-Methode angesetzt werden muss. Für ein Fahrzeug, das nicht geeignet ist, privat genutzt zu werden, kommt nach Ansicht des BFH auch ohne Nachweis durch ein Fahrtenbuch die Anwendung der 1%-Methode nicht in Betracht.





Verfassungsmäßigkeit der Verlustausgleichs- und -abzugsbeschränkung des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG

Die Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung für Verluste aus betrieblichen Termingeschäften in § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG ist jedenfalls in den Fällen, in denen es nicht zu einer Definitivbelastung kommt, verfassungsgemäß.

BFH  v. 28.04.2016, IV R 20/13

Hinweis:

Verluste aus Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, dürfen weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden, § 15 Abs. 4 S. 3 EStG. Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des
§ 10d EStG die Gewinne, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahr und in den folgenden Wirtschaftsjahren aus entsprechenden Termingeschäften erzielt.

Die Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung für Verluste aus betrieblichen Termingeschäften nach § 15 Abs. 4 S. 3 ff. EStG ist nach Ansicht des IV. Senats des BFH grundsätzlich verfassungsgemäß. Dies gilt zumindest dann, wenn derartige Verluste noch mit späteren Gewinnen aus entsprechenden Geschäften verrechnet werden können und es deshalb noch nicht zu einer endgültigen Einkommensteuerbelastung kommt.

Im Urteilsfall hatte eine Personengesellschaft, deren Geschäftszweck in erster Linie die Verpachtung von Grundstücken war, liquide Mittel in Zins-Währungs-Swaps investiert und daraus erhebliche Verluste bezogen. Das Finanzamt hatte die Feststellung getroffen, dass die Verluste solche aus Termingeschäften i.S. des § 15 Abs. 4 S. 3 EStG seien. Deshalb kam es nicht zu einer Verrechnung mit den im Übrigen erzielten Gewinnen. Zugleich ergab sich aus der Feststellung, dass die Verluste nur mit künftigen Gewinnen aus Termingeschäften verrechenbar waren.

Die sich aus § 15 Abs. 4 S. 3 ff. EStG ergebende Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung ist nach dem Urteil jedenfalls in den Fällen verfassungsgemäß, in denen dem Steuerpflichtigen eine entsprechende Verlustnutzung in zukünftigen Jahren grundsätzlich noch möglich ist. Denn verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, dass sich ein Verlust steuerlich schon im Veranlagungsjahr seiner Entstehung auswirken muss. Auch die Schlechterstellung betrieblicher Verluste aus Termingeschäften gegenüber sonstigen betrieblichen Verlusten, die grundsätzlich in vollem Umfang im Veranlagungsjahr verrechnet werden können, ist sachlich gerechtfertigt. Denn bei den von der Regelung betroffenen Termingeschäften handelt es sich um hochspekulative und damit besonders risikogeneigte Geschäfte, und der Eintritt von Verlusten bei solchen Geschäften ist daher deutlich wahrscheinlicher als der Eintritt von Verlusten bei sonstigen betrieblichen Tätigkeiten. Der Gesetzgeber ist berechtigt, derartige risikogeneigten betrieblichen Tätigkeiten, auch wenn sie mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen werden, steuerlich anders zu behandeln als sonstige betriebliche Tätigkeiten, die nicht einen vergleichbar spekulativen Charakter haben. Ob die Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung als verfassungswidrig anzusehen sein könnte, wenn eine Verlustnutzung in späteren Jahren z.B. wegen einer verlustbedingten Einstellung des Geschäftsbetriebs nicht möglich ist, war im Streitfall nicht zu entscheiden.





Verpächterwahlrecht bei teilentgeltlicher Veräußerung

Wird ein im Ganzen verpachteter Betrieb teilentgeltlich veräußert, setzt sich das Verpächterwahlrecht beim Erwerber fort.

BFH  v. 06.04.2016, X R 52/13

Hinweis:

In den Fällen der Betriebsunterbrechung und der Betriebsverpachtung im Ganzen gilt ein Gewerbebetrieb nicht als aufgegeben, bis der Steuerpflichtige die Betriebsaufgabe dem Finanzamt ausdrücklich erklärt oder dem Finanzamt Tatsachen bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Aufgabe erfüllt sind, § 16 Abs. 3b EStG.

Die Mutter der Klägerin war Eigentümerin eines bebauen Grundstücks. In dem Gebäude befanden sich ein Pensionsbetrieb, vermietete Ladenräume und Wohnungen sowie privat genutze Wohnräume. Die Mutter betrieb zunächst den Pensionsbetrieb selbst und verpachtete diesen anschließend an verschiedene Pächter. Die Mutter erklärte ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb. 1986 übertrug die Mutter das Grundstück auf die Tochter (Klägerin). Die Klägerin musste bestimmte Gegenleistungen übernehmen, so dass es sich um eine teilentgeltliche Übertragung des Betriebs handelte.

Die Klägerin erklärte die Einkünfte aus der Verpachtung des Pensionsbetriebs ebenso wie die Vermietungseinkünfte zunächst weiterhin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und führte die Buchwerte fort. Erstmals ab 2000 wurden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Als die Klägerin das Grundstück 2001 verkaufte, vertrat das FA die Auffassung, es habe sich bei dem verpachteten Pensionsbetrieb bis 2001 um einen fortgeführten Gewerbebetrieb gehandelt, und erließ Bescheide über die gesonderte Feststellung des Gewinns, die einen Veräußerungsgewinn erfassten. Die Klägerin wandte sich gegen die Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns.

Nach Ansicht des BFH ging das Verpächterwahlrecht auf die Tochter über und es handelt sich mangels Aufgabeerklärung um einen betrieblichen Veräußerungsgewinn der Klägerin.

Geht ein bereits verpachteter Betrieb auf einen Rechtsnachfolger über, hängt die Frage, ob das Verpächterwahlrecht auf diesen übergeht, von der (Un)Entgeltlichkeit des Vorgangs ab: Wird ein Betrieb teilentgeltlich übertragen, setzt der Erwerber das Verpächterwahlrecht fort.

Bei teilentgeltlicher Veräußerung eines Betriebs ist der Veräußerungspreis niedriger als dessen gemeiner Wert. Nach der Einheitstheorie ist bei teilentgeltlicher Veräußerung von betrieblichen Einheiten wie folgt vorzugehen: Erreicht das Entgelt höchstens den Buchwert des Betriebs, werden keinerlei stille Reserven aufgedeckt. Der Vorgang ist nach § 6 Abs. 3 EStG als unentgeltliche Übertragung zu behandeln. Liegt das Entgelt über dem Buchwert - aber unterhalb des gemeinen Wertes- , so werden die stillen Reserven teilweise, aber nicht vollständig aufgedeckt, da dann eine Buchwertfortführung und eine Realisation stiller Reserven zusammentreffen.

Fände weder beim Veräußerer noch beim Erwerber eine Betriebsaufgabe statt, wäre aber von einer Beendigung des Verpächterwahlrechts auszugehen, hätte dies die steuerneutrale Verflüchtigung der durch den Veräußerungspreis nicht aufgedeckten und deshalb nicht über § 16 Abs. 2 EStG erfassten stillen Reserven zur Folge.





Generationen- und betriebsübergreifende Totalgewinnprognose bei Übertragung eines Forstbetriebs unter Nießbrauchsvorbehalt

Bei einem Forstbetrieb ist die Totalgewinnprognose grundsätzlich generationenübergreifend über den Zeitraum der durchschnittlichen Umtriebszeit des darin vorherrschenden Baumbestands zu erstrecken. Dies gilt zugleich betriebsübergreifend auch dann, wenn der Forstbetrieb zunächst unter Nießbrauchsvorbehalt an die nächste Generation übertragen wird. Die Totalgewinnprognose ist dann ungeachtet der Entstehung zweier Forstbetriebe für einen fiktiven konsolidierten Forstbetrieb zu erstellen.

BFH  v. 07.04.2016, IV R 38/13

Hinweis:

Ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb erfordert eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird. Das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht als Voraussetzung für eine einkommensteuerrelevante betriebliche Tätigkeit ergibt sich aus § 15 Abs. 2 EStG, der auch auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i.S. des § 13 EStG anzuwenden ist.

Der Kläger war Eigentümer eines Hofes i.S. der Höfeordnung, der neben der Hofstelle land- und forstwirtschaftliche Flächen von etwa 86 ha umfasste. Durch notariellen Übergabevertrag übertrug der Kläger den Hof auf seinen Sohn S; er behielt sich jedoch auf Lebzeiten den unentgeltlichen Nießbrauch daran vor.

Im Streitjahr erklärte der Kläger einen Verlust. Darin enthalten waren Pachteinnahmen für die landwirtschaftlichen Flächen. Nach einem vom Kläger erstellten Gutachten konnte mit dem Forstbetrieb über den Zeitraum von 2001 bis 2092 ein Totalgewinn von 798.020 € erzielt werden. Das FA erkannte den Verlust trotzdem mangels Gewinnerzielungsabsicht nicht an. Mit der Einräumung des Nießbrauchs seien zwei Forstbetriebe entstanden. Die Totalgewinnprognose müsse daher auf den jeweiligen Betrieb, hier den Nießbrauchsbetrieb des Kägers, beschränkt bleiben.

Nach Ansicht des BFH ist für die Frage des Vorliegens der Gewinnerzielungsabsicht nicht nur auf den Zeitraum des Bestehens des forstwirtschaftlichen Betriebs während der Zeit des Nießbrauchs abzustellen.

Vielmehr ist für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb regelmäßig davon auszugehen, dass die Totalgewinnperiode objektbezogen ist und deshalb mehr als eine Generation umfasst.

Zwar hat die Bestellung des Nießbrauchs grundsätzlich zur Folge, dass zwei Forstbetriebe entstehen. Die dargelegte doppelte Betriebsstruktur steht einer generationenübergreifenden Totalgewinnprognose indes nicht entgegen. Denn der Rechtsnachfolger als neuer zivilrechtlicher Eigentümer erhält zunächst nur einen ruhenden Forstbetrieb. Der wirtschaftende Betrieb geht erst mit der Beendigung des Nießbrauchs auf den Rechtsnachfolger über.

Die hiernach gebotene generationen- und betriebsübergreifende Betrachtung führt bei dem hier vorliegenden Forstbetrieb dazu, dass in die Totalgewinnprognose sämtliche Forstbetriebe, d.h. der ursprüngliche, wirtschaftende Eigentümerforstbetrieb des Klägers, der ruhende Eigentümerforstbetrieb des Rechtsnachfolgers des Klägers, der Nießbrauchsbetrieb des Klägers und der zukünftige wirtschaftende Eigentümerforstbetrieb des Rechtsnachfolgers, einzubeziehen sind. Soweit während der Zeit der Nießbrauchsbestellung zwei Betriebe existieren, sind diese im Rahmen der Totalgewinnprogose fiktiv zu konsolidieren. Dies hat zur Folge, dass etwaige Leistungsbeziehungen zwischen diesen Betrieben zur Ermittlung eines Totalgewinns eliminiert werden.





Rückwirkende Bildung einer Rücklage nach § 6c EStG bei Erhöhung der Gegenleistung aus einer Grundstücksveräußerung

Der Steuerpflichtige kann die Rücklage nach § 6c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 6b Abs. 3 EStG rückwirkend bilden, wenn sich der Veräußerungspreis in einem späteren Veranlagungszeitraum erhöht und dadurch erstmals ein Veräußerungsgewinn entsteht.

BFH  v. 10.03.2016, IV R 41/13

Hinweis:

Steuerpflichtige, die Grund und Boden veräußern, können nach § 6b Abs. 1 EStG und bei Vorliegen der in § 6b Abs. 4 EStG genannten Voraussetzungen im Wirtschaftsjahr der Veräußerung einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns von Anschaffungs- und Herstellungskosten bestimmter anderer Wirtschaftsgüter abziehen. Soweit dieser Abzug nicht vorgenommen wird, kann im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden (§ 6b Abs. 3 S. 1 EStG). Ermittelt der Steuerpflichtige seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, ist § 6b EStG mit Ausnahme des § 6b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG entsprechend anzuwenden.

Im Februar 2007 schloss der Kläger mit der Windpark X GmbH & Co. KG (KG) einen Nutzungsvertrag. Vertragszweck war die Überlassung von Flächen durch den Kläger an die KG zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage. Mit notariellem Vertrag vom 18. Dezember 2007 (im Folgenden Kaufvertrag) veräußerte der Kläger einen Teil der mit dem Nutzungsrecht belasteten Grundstücksflächen. In dem Kaufvertrag wurde vereinbart, dass der Käufer eine Entschädigungsprovision zu zahlen hat, wenn der Grundbesitz mit Windenergieanlagen bebaut wird. Im Zeitraum von Oktober 2009 bis März 2010 wurde der von dem Kläger veräußerte Grundbesitz mit Windenergieanlagen bebaut. Der Käufer zahlte entsprechend der Vereinbarung im Kaufvertrag eine „Entschädigungsprovision“ in Höhe von insgesamt 123.780,35 € im Jahr 2010 an den Kläger. Strittig ist, ob die Entschädigungsprovision als nachträglicher Veräußerungserlös für den Grund und Boden oder als Entschädigung für die Übertragung der Rechte aus dem Nutzungsvertrag anzusehen ist.

Nach Ansicht des BFH kann für die nachträglich gezahlte Entschädigungsprovision eine
Rücklage gem. § 6c Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 6b EStG gebildet werden.

Der Kläger hat neben dem nackten Grund und Boden nicht noch ein selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut "Nutzungsrecht" veräußert. Vielmehr stellt die Möglichkeit, auf der streitbefangenen Landwirtschaftsfläche eine Windenergieanlage zu betreiben, lediglich einen wertbildenden Faktor dar. Der Veräußerungsgewinn muss zudem auch dann rückwirkend auf den Zeitpunkt der Veräußerung korrigiert werden, wenn wie hier die nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt.

Zwar fallen die Veräußerung des Grund und Bodens 2007/2008 und der Zufluss der Entschädigungsprovision 2010/2011, die zu einer Erhöhung des Kaufpreises und damit zu einem Veräußerungsgewinn führte, in unterschiedliche VZ. Die Bildung der Rücklage ist jedoch gemäß § 6c Abs. 1 S. 2 EStG als Betriebsausgabe im Jahr der Veräußerung bzw. des Zuflusses des ersten Teils des Kaufpreises zu behandeln.





Investitionsabzugsbetrag – nachträgliche Glättung von BP-Mehrergebnissen – Wahrung des sog. Finanzierungszusammenhangs

Der Senat lässt offen, ob das Merkmal des sog. Finanzierungszusammenhangs auch im Rahmen des Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG 2002 n.F. (i.d.F. des UntStRefG 2008) zu prüfen ist. Das Merkmal ist jedenfalls nicht deshalb zu verneinen, weil die nachträgliche Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrags lediglich der Kompensation eines durch die Betriebsprüfung veranlassten Mehrergebnisses dient, ohne dass hiermit eine weitergehende Zielsetzung - wie beispielsweise der Erhalt einer privaten Steuervergünstigung außerhalb der investitionsbezogenen Förderung des § 7g EStG 2002 a.F. - verknüpft wird (Bestätigung der Rechtsprechung; Abweichung vom BMF-Schreiben vom 20. November 2013, BStBl I 2013, 1493, Rz. 26).

BFH  v. 28.04.2016, I R 31/15

Hinweis:

Steuerpflichtige können für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen (§ 7g Abs. 1 S. 1 EStG).

Voraussetzung hierfür ist gemäß § 7g Abs. 1 S.  2 EStG, dass der Betrieb am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem der Abzug vorgenommen wird, bestimmte Größenmerkmale für sog. kleine und mittlere Betriebe nicht überschreitet (Nr. 1), der Steuerpflichtige beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich in den dem Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden drei Wirtschaftsjahren anzuschaffen oder herzustellen (Nr. 2 Bst. a) und mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich zu nutzen (Nr. 2 Bst. b); erforderlich ist des Weiteren, dass der Steuerpflichtige das begünstigte Wirtschaftsgut in den beim FA einzureichenden Unterlagen seiner Funktion nach benennt und die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten angibt (Nr. 3).

Eine GmbH machte einen Investitionsabzugsbetrag gem. § 7g Abs. 1 EStG geltend. Zunächst wurde die Körperschaftsteuer antragsgemäß veranlagt. Im Anschluss daran fand bei der GmbH eine Betriebsprüfung statt. Aufgrund von Zuschätzungen wurde der Körperschaftsteuerbescheid abgeändert. Während des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens begehrte die Klägerin, im Streitjahr einen zusätzlichen Investitionsabzugsbetrag für den im Mai 2010 angeschafften LKW zu berücksichtigen. Dem hat das FA nicht entsprochen, da ein nach Erwerb des LKW gebildeter Investitionsabzugsbetrag die ihm zugedachte Funktion der steuerlichen Finanzierungserleichterung nicht erfüllen könne.

Nach Ansicht des BFH war die Vornahme des Investitionsabzugsbetrags im Streitjahr zulässig.

Wahlrechte können grundsätzlich bis zur Bestandskraft der Steuerveranlagung ausgeübt werden. Demgemäß kann auch das Wahlrecht des § 7g Abs. 1 EStG vom Steuerpflichtigen nachträglich, d.h. nach Abgabe der betreffenden Steuererklärung und Festsetzung der Steuer im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen einen geänderten Steuerbescheid, geltend gemacht werden.

Nach Ansicht des BFH unterliegt die nachträgliche Geltendmachung des IAB nach Ablauf der Einspruchsfrist keinen weiteren Restriktionen. Zum einen gibt der Gesetzeswortlaut für eine solche Einschränkung keinerlei Anhalt; zum anderen wird das mit der Ansicht des FA offenkundig verbundene Anliegen, einer beliebigen und nicht investitionsgebundenen Steuerminderung nach Gutdünken des Steuerpflichtigen vorzubeugen, nicht nur dadurch Rechnung getragen, dass die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach § 7g Abs. 1 EStG 2002 n.F. nach Ablauf der dreijährigen Investitionsfrist ausgeschlossen ist. Hinzu kommt, dass auch (und gerade) einem nachträglichen Antrag in materieller Hinsicht nur dann entsprochen werden kann, wenn der Steuerpflichtige bereits am Ende des Wirtschaftsjahrs, für das der IAB gebildet werden soll, die Absicht hatte, das begünstigte Wirtschaftsgut anzuschaffen.

Aus revisionsrechtlicher Sicht ist ferner nicht zu beanstanden, dass das FG auch die materiellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags bejaht hat.

Die Feststellung der Investitionsabsicht ist auf eine Prognoseentscheidung über das zukünftige Investitionsverhalten gerichtet. Dessen Glaubhaftmachung setzt mithin voraus, dass das Gericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Überzeugung gewinnt, dass der Steuerpflichtige bereits am Bilanzstichtag des Abzugsjahrs die Absicht hatte, das begünstigte Wirtschaftsgut anzuschaffen oder herzustellen. Ob dies zutrifft, ist nach Maßgabe der Verhältnisse des Einzelfalls zu bestimmen.

Demgemäß hat der Tatrichter über das Vorliegen der Investitionsabsicht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Er kann hierbei auch Umstände, die erst nach dem Bilanzstichtag des Abzugsjahrs eintreten, berücksichtigen.

Im Streitfall wurde diesen Anforderungen genügt: Das FG hat aus den von ihm festgestellten Umständen den Schluss gezogen, dass die Klägerin bereits am Ende des Abzugsjahres die Absicht zum Erwerb eines neuen LKW hatte.





Geltendmachung eines Investitionsabzugsbetrags im Anschluss an eine Außenprüfung zur Kompensation von Gewinnerhöhungen

Die Gewährung eines Investitionsabzugsbetrags ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Steuerpflichtige die Begünstigung im Anschluss an eine Außenprüfung zur Kompensation der von dieser ermittelten Gewinnerhöhungen geltend macht (entgegen BMF-Schreiben vom 20. November 2013 IV C 6-S 2139-b/07/10002, 2013/1044077, BStBl I 2013, 1493, Rz. 26).

BFH v. 23.03.2016, IV R 9/14

Hinweis:

Neben dem I. Senat hat auch der IV. Senat gegen die Verwaltungsauffassung entschieden, dass ein Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG auch nachträglich im Einspruchsverfahren zur Kompensation eines Außenprüfungs-Mehrergebnisses vorgenommen werden kann.

Im Urteilsfall war bei einer landwirtschaftlich tätigen Personengesellschaft im Herbst 2012 eine Außenprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 durchgeführt worden. Dabei ergab sich in allen geprüften Jahren eine Erhöhung des bisher erklärten Gewinns. Nach Abschluss der Prüfung beantragte die Gesellschaft einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG für das letzte geprüfte Wirtschaftsjahr in Höhe von 10.000 € für die Beschaffung eines bereits in 2011 angeschafften Schleppers. Das FA versagte die Steuervergünstigung, weil deren Zweck nicht mehr erreicht werden könne, nämlich die Finanzierung der Investition durch die Steuerersparnis zu erleichtern. Das FG gab der Klage statt, weil es den vom FA geforderten Finanzierungszusammenhang nach der im Streitjahr anzuwendenden Rechtslage nicht bedürfe.

Nach Ansicht des BFH kommt die Bildung eines Investitionsabzugsbetrags zur Kompensation von Gewinnerhöhungen nach einer Außenprüfung grundsätzlich in Betracht. Die Sache wurde allerdings an das FG zurückverwiesen, da noch zu klären ist, ob für das Wirtschaftsjahr, für das der Investitionsabzugsbetrag gebildet wurde, bereits eine Investitionsabsicht bestanden hat.

Ein Investitionsabzugsbetrag darf nach Ansicht des erkennenden Senats nicht allein deshalb versagt werden, weil der Antrag erst nach einer Außenprüfung gestellt wird. Die Steuervergünstigung kann danach entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung zur Kompensation eines Steuermehrergebnisses der Außenprüfung eingesetzt werden.

Das Urteil betrifft die im Jahr 2009 geltende Rechtslage, nach der die Steuervergünstigung voraussetzte, dass der Unternehmer die Absicht hatte, die Investition innerhalb der nächsten drei Jahre durchzuführen und das Investitionsgut anschließend mindestens zwei Jahre in seinem Betrieb zu nutzen. Das Bestehen dieser Absicht musste nachgewiesen werden. Seit 2016 hat sich die Rechtslage verändert, denn die Investitionsabsicht und die Absicht der späteren betrieblichen Nutzung werden seither nicht mehr ausdrücklich vom Gesetz erwähnt.





Vorrangiger Kindergeldanspruch des im anderen EU-Mitgliedstaat wohnenden Elternteils

Der Kindergeldanspruch eines in Deutschland wohnhaften Elternteils für sein in Spanien im Haushalt des anderen Elternteils lebendes Kind wird nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. Art. 67 der VO Nr. 883/2004, Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 durch den vorrangigen Kindergeldanspruch des anderen Elternteils verdrängt.

Der Begriff der „beteiligten Personen” i.S. des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ist im Hinblick auf das Kindergeld nach dem EStG nach Art. 1 Buchst. i Nr. 1 Buchst. i und nicht nach Art. 1 Buchst. i Nr. 2 der VO Nr. 883/2004 zu bestimmen. Zu den „beteiligten Personen” gehören daher die nach dem nationalen Recht Anspruchsberechtigten und damit auch der jeweils andere Elternteil, unabhängig davon, ob er mit dem im Inland lebenden Elternteil verheiratet ist oder war.

BFH  v. 28.04.2016, III R 68/13

Hinweis:

Der Kläger ist Vater von vier Kindern. Zwei von ihnen leben bei ihm in Deutschland, die anderen beiden bei ihrer Mutter in Spanien. Die Familienkasse lehnte den Antrag des Klägers, ihm Kindergeld für die in Spanien lebenden Kinder zu gewähren, ab. Die Mutter habe wegen der Haushaltsaufnahme der Kinder einen vorrangigen Kindergeldanspruch. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage begehrte der Kläger Differenzkindergeld für die beiden Kinder. Das FG gab der Klage in vollem Umfang statt.

Der BFH hat entschieden, dass dem Kläger kein Kindergeld zusteht.

Das Verfahren war zunächst beim VI. Senat des BFH unter dem Az. VI R 67/13 anhängig und wurde von diesem durch Beschluss vom 27.10.2014 bis zur Entscheidung des EuGH in dem Verfahren C-378/14 "Trapkowski" ausgesetzt.

Mit Urteil v. 22.10.2015, C-378/14 in der Rechtssache Trapkowski entschied der EuGH, dass die Wohnsitzfiktion zu einem Wechsel der persönlichen Anspruchsberechtigung von dem in Deutschland lebenden Elternteil zu dem im EU-Ausland lebenden anderen Elternteil führen kann. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der im EU-Ausland lebende Elternteil keinen Antrag auf deutsches Kindergeld gestellt hat.

Nach den Vorgaben des EuGH kam der BFH zum Ergebnis, dass der Kläger zwar nach nationalem Recht (§§ 62 ff. EStG) anspruchsberechtigt ist. Allerdings ist die Kindsmutter - entgegen der Rechtsauffassung des FG - nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG vorrangig anspruchsberechtigt. Denn sie hat die beiden Kinder in ihren Haushalt in Spanien aufgenommen.

Zwar liegt der nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG erforderliche Inlandswohnsitz der Kindsmutter tatsächlich nicht vor. Es finden jedoch die Vorschriften der VO Nr. 883/2004 und der VO Nr. 987/2009 Anwendung, wodurch gemäß Art. 67 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 S. 2 der VO Nr. 987/2009 ein Inlandswohnsitz der Kindsmutter fingiert wird.





Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags infolge Betriebsaufgabe - Ermittlung des Aufgabegewinns

Führt eine Betriebsaufgabe zur Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags, ist die im Jahr der ursprünglichen Vornahme des Gewinnabzugsbetrags eintretende Gewinnerhöhung Teil des laufenden Gewinns.

BFH  v. 27.04.2016, X R 16/15

Hinweis:

Nach § 16 Abs. 4 EStG wird unter bestimmten persönlichen Voraussetzungen ein Veräußerungsgewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 € übersteigt. Nach § 16 Abs. 3 S. 1 EStG gilt als Veräußerung auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs.

Die Klägerin erklärte die Betriebsaufgabe für Einzelunternehmen. Zum 31.12.2007 hatte sie einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG gebildet. Mit der Einkommensteuererklärung 2010 reichte sie eine berichtigte Erklärung für 2007 ein, in der sie den Investitionsabzugsbetrag rückgängig machte. Die Gewinnerhöhung erklärte sie als begünstigten Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 4 EStG. Das FA machte den Investitionsabzugsbetrag durch geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 rückgängig und lehnte die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG ab.

Der BFH hat entschieden, dass die rückwirkende Auflösung des Investitionsabzugsbetrages nicht zum begünstigten Veräußerungs-/Aufgabegewinn i.S. § 16 Abs. 4 EStG gehört.

Die Rückgängigmachung eines zu Lasten des laufenden Gewinns vorgenommenen Abzugs kann sich nur zu Gunsten dieses laufenden Gewinns auswirken.

Im Falle einer Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. war die Ansparabschreibung aufzulösen, falls bis zur Betriebsveräußerung das Wirtschaftsgut nicht angeschafft oder hergestellt wurde. Die Auflösung erfolgte ex nunc („ab jetzt, von nun an“) und erhöhte als sonstiger Ertrag den Veräußerungsgewinn. Dies galt ebenso für Aufgabegewinne. Aufgelöste Ansparabschreibungen nahmen daher an der Begünstigung des § 16 Abs. 4 EStG teil.

An die Stelle der vormaligen Auflösung der Ansparabschreibung ex nunc tritt nach § 7g Abs. 3 EStG i.d.F. des UntStRefG die Rückgängigmachung des Abzugs ex tunc („von Anfang an, von damals an, rückwirkend“), nämlich in dem Wirtschaftsjahr, in dem der Investitionsabzugsbetrag ursprünglich gebildet worden ist.

Dieser Korrekturmechanismus schließt die Zuordnung der dadurch bewirkten Gewinnerhöhung zum begünstigten Aufgabegewinn aus, auch wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Betriebsaufgabe und der gerade durch die Betriebsaufgabe bedingten Rückgängigmachung nicht zu bestreiten ist.





Abzug von Swapkosten als nachträgliche Beteiligungsaufwendungen

Veräußert ein Steuerpflichtiger die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit wirtschaftlicher Wirkung auf den Stichtag des Erwerbs an den Veräußerer zurück und soll diesem für die gesamte Haltedauer des Steuerpflichtigen das Gewinnbezugsrecht zustehen, ist ein Abzug nachträglicher Finanzierungsaufwendungen des Steuerpflichtigen nach Veräußerung der Beteiligung ausgeschlossen.

Ein Abzug sog. Swapkosten aus einem Zinssatzswap, die zu den vertraglich vereinbarten Zinsfestschreibungsterminen im Wege eines Differenzausgleichs gezahlt werden als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 Nr. 1 EStG kommt nicht in Betracht.

BFH  v. 07.06.2016, VIII R 32/13

Hinweis:

Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 S. 1 EStG und die hierzu zählenden Schuldzinsen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG) sind alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind.

Der Kläger erwarb eine Beteiligung an einer GmbH. Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm er ein Geldmarktdarlehen auf. Daneben schloss der Kläger mit der Bank eine Vereinbarung über einen Zinsswap. Der Kläger veräußerte den Geschäftsanteil an der GmbH mit Wirkung zum Tag seines Erwerbs zurück; ab diesem Tag sollte dem Kläger vertragsgemäß kein Gewinnbezugsrecht zustehen. Am selben Tag erwarb der Kläger erneut einen Geschäftsanteil an derselben GmbH. Der Kläger tilgte das ursprüngliche Geldmarktdarlehen gegenüber der Bank und nahm anschließend zur Finanzierung des zweiten Anteilserwerbs ein neues variabel verzinstes Geldmarktdarlehen bei derselben Bank auf. Der Kläger veräußerte den Geschäftsanteil an der GmbH abermals mit Wirkung zum Tag seines Erwerbs zurück; ab diesem Tag sollte dem Kläger vertragsgemäß kein Gewinnbezugsrecht zustehen. Mit dem Erlös aus der Veräußerung der Beteiligung tilgte der Kläger das Geldmarktdarlehen vollständig. Er blieb jedoch auch nach Tilgung des zweiten Darlehens an die Zinssatzswapvereinbarung bis zum Ende der Vertragslaufzeit gebunden.

Der Kläger wollte die aufgrund des Zinsswaps geleisteten Zahlungen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen absetzen.

Der BFH ließ die Zahlungen aufgrund des Zinsswaps nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu.

Aufgrund der jeweiligen Zurückveräußerung der Beteiligung rückwirkend auf den Stichtag des Erwerbs stand dem Kläger über die gesamte Haltedauer kein Gewinnbezugsrecht zu. Er hatte damit bezogen auf die gesamte Haltedauer nicht die Absicht, Beteiligungserträge zu erzielen.

Der Kläger ist einem Steuerpflichtigen gleichzustellen, der schon vor dem Veräußerungsentschluss die Einkünfteerzielungsabsicht im Hinblick auf die Beteiligungen aufgegeben hatte und nachträgliche Finanzierungsaufwendungen nicht abziehen kann, weil der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang durch diesen Entschluss des Steuerpflichtigen beendet wurde.





Gehaltsverzicht als im Wege einer verdeckten Einlage zugeflossener Arbeitslohn

Für die Frage, ob ein Gehaltsverzicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn führt, kommt es maßgeblich darauf an, wann der Verzicht erklärt wurde.

Eine zum Zufluss von Arbeitslohn führende verdeckte Einlage kann nur dann gegeben sein, soweit der Steuerpflichtige nach Entstehung seines Gehaltsanspruchs aus gesellschaftsrechtlichen Gründen auf diese verzichtet, da in diesem Fall eine Gehaltsverbindlichkeit in eine Bilanz hätte eingestellt werden müssen (Bestätigung des Senatsurteils vom 15. Mai 2013 VI R 24/12, BFHE 241, 287, BStBl II 2014, 495).

Verzichtet der Steuerpflichtige dagegen bereits vor Entstehung seines Gehaltsanspruchs auf diesen, wird er unentgeltlich tätig und es kommt nicht zum fiktiven Zufluss von Arbeitslohn beim Gesellschafter-Geschäftsführer.

BFH  v. 15.06.2016, VI R 6/13

Hinweis:

Arbeitslohn ist i.S. des § 11 Abs. 1 S. 1 EStG mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zugeflossen; das ist in der Regel der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs oder der Möglichkeit, den Leistungserfolg herbeizuführen.

Der Kläger war mit 35 % an einer GmbH beteiligt und deren alleiniger Geschäftsführer. In der Einkommensteuererklärung erklärte er einen Bruttoarbeitslohn i. H. v. 89.227 DM sowie Werbungskosten (Reisekosten) i.H.v. 20.285 DM. Dagegen wies die beigefügte Lohnsteuerkarte einen Bruttoarbeitslohn i. H v. 136.556,73 DM aus. Der Kläger erläuterte dies damit, sein Arbeitgeber sei in finanzielle Schwierigkeiten geraten und er habe in vier Monaten auf den Lohn verzichtet. Das Finanzamt legte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr den auf der Lohnsteuerkarte ausgewiesenen Bruttoarbeitslohn zu Grunde. Die Vereinbarung enthalte keinen im Voraus ausgesprochenen konkreten Gehaltsverzicht. Der Gehaltsanspruch sei mit Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung entstanden, so dass der Verzicht als Gehaltsverwendung zu beurteilen sei.

Der BFH hat das Verfahren an das FG zurückverwiesen.

Für die Frage des Lohnzuflusses ist entscheidend darauf abzustellen, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer vor Entstehung oder erst im Nachhinein auf den einzelnen Gehaltsanspruch verzichtet hat. Hierzu hatte das FG bislang noch keine Feststellungen getroffen.

Den Werbungskostenabzug hat das FG zu Recht bejaht. Nach den Feststellungen des Finanzamts wurden die dem Kläger entstandenen Reisekosten bereits seit Jahren einvernehmlich nicht mehr von der GmbH erstattet.





Ortsübliche Miete im Fall der verbilligten Überlassung von Wohnraum

Unter ortsüblicher Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung ist die ortsübliche Bruttomiete - d.h. die Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten - zu verstehen.

BFH  v. 10.05.2016, IX R 44/15

Hinweis:

Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als entgeltlich, vgl. § 21 Abs. 2 EStG.

Der Kläger erzielte im Streitjahr einen Verlust i.H.v. -11.228 € aus der Vermietung einer an seine Mutter überlassenen Wohnung. Das FA berücksichtigte den Verlust im Rahmen einer Einspruchsentscheidung nur i.H.v. -2.378 €. Die Werbungskosten wurden nur im Verhältnis der gezahlten Kaltmiete zur ortsüblichen Kaltmiete berücksichtigt.

Das Finanzgericht bestätigte die Ansicht des FA wonach in der Vergleichsberechnung auf die ortsübliche Kaltmiete und nicht auf die Warmmiete abzustellen sei. Betriebskosten seien nicht in die Vergleichsberechnung einzubeziehen.

Der BFH hat entschieden, dass auf die Warmmiete abzustellen ist.

Unter ortsüblicher Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung ist die ortsübliche Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten zu verstehen. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die ortsübliche Kaltmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung unter Einbeziehung der Spannen des örtlichen Mietspiegels zuzüglich der nach der BetrKV umlagefähigen Kosten festzustellen und die Entgeltlichkeitsquote und damit die Höhe des Werbungskostenabzugs im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung neu zu ermitteln.









Zinseszinsen von Investitionsdarlehen

Schuldzinsen, die infolge der Finanzierung der Zinsen eines Darlehens zur Anschaffung oder Herstellung von Anlagevermögen (§ 4 Abs. 4a S. 5 EStG) entstanden sind, unterliegen nicht der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 4a S. 1 EStG. Dies gilt auch dann, wenn sie auf einem separaten Darlehenskonto erfasst werden.

BFH  v. 07.07.2016, III R 26/15

Schuldzinsen sind nach § 4 Abs. 4a S. 1 bis 4 EStG nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt wurden. Nach § 4 Abs. 4a S. 5 EStG bleibt der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unberührt.

Im Streitfall ging es um eine ärztliche Gemeinschaftspraxis. Der Kläger ist der Gemeinschaftspraxis beigetreten und hat den Kaufpreis in voller Höhe durch Aufnahme eines endfälligen Darlehens finanziert. Der Kläger hat die Zinsen des Darlehens nicht vollständig beglichen. Die Zinsen wurden einem weiteren Darlehenskonto (Zinsdarlehen) belastet. Das Finanzamt berücksichtigte die für das Zinsdarlehen angefallen Zinsen im Rahmen der Ermittlung der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen gem. § 4 Abs. 4a EStG.

Der BFH hat entschieden, dass die Zinsen für das Zinsdarlehen gem. § 4 Abs. 4a S. 5 EStG bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags gem. § 4 Abs. 4a EStG nicht zu berücksichtigen sind.

Die Regelung des § 4 Abs. 4a S. 5 EStG, die den "Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens ... unberührt" lässt, erstreckt sich auch auf die durch ein solches Darlehen ausgelösten Verzugs- und Zinseszinsen. Maßgeblich ist auch insoweit allein die Verwendung der Darlehensmittel für eine begünstigte Investition. Der Gesetzeswortlaut enthält keine Hinweise darauf, dass Verzugs- und Zinseszinsen nicht unter den Begriff der Schuldzinsen i.S. des § 4 Abs. 4a S. 5 EStG fallen; auch Verzugs- und Zinseszinsen sind bei steuerlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalüberlassung. Die Finanzierung der Zinsen eines Darlehens zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens wird daher ebenfalls durch § 4 Abs. 4a S. 5 EStG begünstigt.





Vorrangiger Kindergeldanspruch des im anderen EU-Mitgliedstaat wohnenden Pflegeelternteils

Der Kindergeldanspruch eines in Deutschland wohnhaften polnischen Staatsangehörigen für sein in Polen im Haushalt eines Pflegeelternteils lebendes Kind kann nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. Art. 67 der VO Nr. 883/2004, Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 durch den vorrangigen Kindergeldanspruch des Pflegeelternteils verdrängt werden.

Der Begriff der „beteiligten Personen” i.S. des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ist im Hinblick auf das Kindergeld nach dem EStG nach Art. 1 Buchst. i Nr. 1 Buchst. i und nicht nach Art. 1 Buchst. i Nr. 2 der VO Nr. 883/2004 zu bestimmen. Zu den „beteiligten Personen” gehören daher die nach dem nationalen Recht Anspruchsberechtigten und damit auch ein Pflegeelternteil i.S. der §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

§ 32 Abs. 2 Satz 2 EStG, wonach ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind, das zugleich ein Pflegekind ist, vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen ist, findet im Kindergeldrecht weder direkt noch analog Anwendung.

BFH  v. 15.06.2016, III R 60/12

Hinweis:

Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es nach § 32 Abs. 2 S. 2 EStG bei der Frage, wem der Kinderfreibetrag zusteht, vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

Streitig ist der Kindergeldanspruch für den in Polen lebenden Sohn des Klägers von Januar 2007 bis November 2011. Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Der Kläger wohnt seit dem Jahr 2005 in Deutschland und ist dort als selbständiger Unternehmer tätig. Die Kindsmutter wohnt in Großbritannien. Er ist u.a. Vater eines im Februar 1995 geborenen Sohnes (S). S lebt im Haushalt der Schwester und des Schwagers des Klägers in Polen. Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag des Klägers ab. Die hiergegen gerichtete Klage hatte teilweise Erfolg. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Familienkasse setzte der BFH das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH in der Sache "Trapkowski" (EuGH, Urteil v. 22.10.2015 - C-378/14) aus.

Nach der Entscheidung des BFH ist der Kläger grundsätzlich kindergeldberechtigt.

Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass eine vorrangige Anspruchsberechtigung der Schwester oder des Schwagers des Klägers als Pflegeeltern nicht in Betracht kommt, da dies eine Anspruchsberechtigung nach § 62 EStG voraussetze, die hier ausscheide.

Der Schwester oder dem Schwager könnte nach § 64 Abs. 2 EStG ein vorrangiger Kindergeldanspruch zustehen, sofern bei ihnen im Streitzeitraum - was das FG im zweiten Rechtsgang noch festzustellen hat - tatsächlich ein Pflegekindschaftsverhältnis (§ 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG) zu S bestanden hat.

Insoweit ist nicht entscheidend, ob sie nach polnischem Recht als Pflegeeltern bestellt wurden. Es kommt vielmehr darauf an, ob sie die nach deutschem Recht erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.

Das Bestehen eines Pflegekindschaftsverhältnisses nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG hängt u.a. davon ab, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu beiden Elternteilen nicht mehr besteht, was jedenfalls vom Kläger in Bezug auf seine Person bestritten wird.





Kindergeld: Keine Übertragung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf eines minderjährigen Kindes

Allein der Umstand, dass ein sorgeberechtigter Elternteil, der sein minderjähriges Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, für sich und sein Kind Leistungen nach dem SGB II bezieht, rechtfertigt nicht die Übertragung des diesem für sein Kind zustehenden Kinderfreibetrags und des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf den anderen Elternteil, der den Barunterhalt für das gemeinsame Kind leistet.

BFH  v. 15.06.2016, III R 18/15

Hinweis:

Auf Antrag eines Elternteils wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 S. 1 EStG nicht vorliegen, der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist.

Im Streitfall leistete die Mutter Barunternhalt für ihre minderjährige Tochter. Die Tochter war polizeilich im Haushalt des sorgeberechtigten Vaters gemeldet. Der Vater bezog für sich und die Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Mutter beantragte in der Einkommensteuererklärung den doppelten Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes (BEA-Freibetrag) gem. § 32 Abs. 6 S. 1 u. 2 EStG. Das FA lehnte den doppelten BEA-Freibetrag mit der Begründung ab, dass der Vater seiner Verpflichtung zum Unterhalt nachgekommen sei, da er die Tochter in seinen Haushalt aufgenommen und dadurch Betreuungsunterhalt geleistet habe, der dem von der Mutter geleisteten Barunterhalt gleichwertig gegenüberstehe.

Der BFH hat entschieden, dass der Kinderfreibetrag nicht auf die Mutter zu übertragen ist, da der sorgeberechtigte Vater seine Unterhaltspflicht durch die Leistung von Betreuungsunterhalt erfüllt hat.

Aus dem Umstand, dass ein Elternteil keinen Barunterhalt - sondern Betreuungsunterhalt - leistet, ergibt sich kein Anspruch auf Übertragung des Kinderfreibetrags.

Wird nur Betreuungsunterhalt geschuldet (vgl. § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB), ist die Erfüllung dieser Pflicht entscheidend, da der Gesetzgeber von der Gleichwertigkeit der Unterhaltsleistung durch Zahlung von Geldbeträgen und durch persönliche Betreuung ausging.

Wird die Unterhaltspflicht durch die Leistung von Betreuungsunterhalt erfüllt, ergibt sich allein aus dem Umstand, dass das betreuende Elternteil für sich und das Kind Leistungen nach dem SGB II bezog, kein Anspruch auf Übertragung des Kinderfreibetrags.





Anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG

Unter Instandsetzung und Modernisierung eines Gebäudes sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird.

Zu den Aufwendungen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen und nicht nach Satz 2 der Vorschrift ausdrücklich ausgenommen sind.

Von einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes kann im Regelfall ausgegangen werden, soweit bauliche Maßnahmen innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden.

Werden Aufwendungen für Material und Fertigungsleistungen von dritter Seite erstattet, sind die Aufwendungen grundsätzlich nur in Höhe des Saldobetrags zwischen dem vom Steuerpflichtigen getragenen Aufwand und dem von dritter Seite erstatteten Aufwand in die Ermittlung der anschaffungsnahen Herstellungskosten einzubeziehen.

BFH  v. 14.06.2016, IX R 25/14

BFH  v. 14.06.2016, IX R 22/15

BFH  v. 14.06.2016, IX R 15/15

Hinweis:

Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 i.V.m. § 9 Abs. 5 S. 2 EStG auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). Diese Aufwendungen erhöhen die AfA-Bemessungsgrundlage (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 EStG), sie sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar. Nicht zu diesen Aufwendungen gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 EStG die Aufwendungen für Erweiterungen i.S. des § 255 Abs. 2 S. 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen.

In den Streitfällen hatten die Kläger Immobilienobjekte erworben und in zeitlicher Nähe zur Anschaffung umgestaltet, renoviert und instandgesetzt, um sie anschließend zu vermieten. Dabei wurden z.B. Wände eingezogen, Bäder erneuert, Fenster ausgetauscht und energetische Verbesserungsmaßnahmen sowie Schönheitsreparaturen durchgeführt. Die Kläger machten sofort abziehbare Werbungskosten geltend. Da die gesamten Nettokosten der Renovierungen jeweils 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes überstiegen, ging das Finanzamt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG von sog. „anschaffungsnahen“ Herstellungskosten aus, die nur im Wege der Absetzungen für Abnutzung (AfA) über die Nutzungsdauer des Gebäudes verteilt steuerlich geltend gemacht werden können. Nach dieser Vorschrift gehören die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu den Herstellungskosten eines Gebäudes, wenn diese innerhalb von drei Jahren nach dessen Anschaffung durchgeführt werden und wenn die Nettokosten (ohne Umsatzsteuer) 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen.

Die Steuerpflichtigen machten in den finanzgerichtlichen Verfahren geltend, dass jedenfalls die Aufwendungen für reine Schönheitsreparaturen (wie etwa für das Tapezieren und das Streichen von Wänden, Böden, Heizkörpern, Innen- und Außentüren sowie der Fenster) nicht unter den Begriff der „Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen“ fallen könnten, sondern isoliert betrachtet werden müssten. Kosten für Schönheitsreparaturen seien mithin auch nicht - zusammen mit anderen Kosten der Sanierung - als „anschaffungsnahe“ Herstellungskosten anzusehen, sondern dürften als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden.

Der BFH hat entschieden, dass auch reine Schönheitsreparaturen sowie Maßnahmen, die das Gebäude erst betriebsbereit (d.h. vermietbar) machen oder die es über den ursprünglichen Zustand hinaus wesentlich verbessern (Luxussanierung) zu den „Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen“ i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG gehören.

Der BFH begründet das Einbeziehen der vorgenannten Kosten mit dem vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgten Zweck, aus Gründen der Rechtsvereinfachung und – sicherheit eine typisierende Regelung zu schaffen.

Nach dieser Rechtsprechung müssen nunmehr grundsätzlich sämtliche Kosten für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Sanierung anfallen, zusammengerechnet werden; eine Segmentierung der Gesamtkosten ist nicht zulässig. Übersteigt die Gesamtsumme der innerhalb von drei Jahren angefallenen Renovierungskosten sodann 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes, kann der Aufwand nur nach den AfA-Regelungen abgeschrieben werden.





Kindergeld: Vorrangige Anspruchsberechtigung des im anderen EU-Mitgliedstaat lebenden Elternteils - fiktive Übertragung der Wohnsituation ins Inland

Der in einem anderen EU-Mitgliedstaat lebende Elternteil kann gegenüber dem im Inland lebenden Elternteil nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. Art. 67 der VO Nr. 883/2004, Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 vorrangig kindergeldberechtigt sein, wenn er sein Kind dort in seinen Haushalt aufgenommen hat (Anschluss an BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 17/13, BFHE 253, 134, BStBl II 2016, 612).

Die nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen EU-Mitgliedstaat gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird.

Dem steht nicht entgegen, dass das Kindergeld Teil des Familienleistungsausgleichs (§ 31 EStG) ist.

BFH  v. 13.07.2016, XI R 33/12

Hinweis:

Gem. § 64 Abs. 2 S. 1 EStG wird bei mehreren Berechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.

Der Kläger ist Deutscher und der leibliche Vater der beiden Kinder A und B. Die nicht unbeschränkt steuerpflichtige Kindsmutter ist zyprische Staatsangehörige, lebt in Zypern und hat die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen.

Auf Antrag des Klägers setzte die frühere Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) Kindergeld für A und B vorläufig in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den an die Kindsmutter gezahlten zyprischen Familienleistungen und dem deutschen Kindergeld fest. Später hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergelds auf.

Der BFH hat entschieden, dass dem Kläger kein Kindergeld zusteht.

Nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnten. Der EuGH hat in der Rechtssache Trapkowski (EU:C:2015:720, DStRE 2015, 1501) entschieden, dass die in Art. 60 Abs. 1 S. 2 der VO Nr. 987/2009 vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind.

Für Zwecke der Anwendung von § 64 EStG ist zu unterstellen, dass die Kindsmutter zusammen mit beiden Kindern in einem Haushalt in Deutschland lebt. Die Kindsmutter erfüllt auch die übrigen Voraussetzungen für einen vorrangigen Kindergeldanspruch.

Demnach ist im Streitfall der Anspruch der Kindsmutter nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG vorrangig, da nur bei dieser, nicht dagegen beim Kläger, eine Haushaltsaufnahme der beiden Kinder vorliegt.




Steuerliche Berücksichtigung eines Selbstbehalts bei einer privaten Krankenversicherung

Der von einem Steuerpflichtigen vereinbarte und getragene Selbstbehalt ist kein Beitrag zu einer Krankenversicherung und kann daher nicht als Sonderausgabe gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG abgezogen werden.
Er kann nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn er die zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG übersteigt.

Ein darüber hinausgehender Abzug des Selbstbehalts ist von Verfassungs wegen nicht geboten.

BFH  v. 01.06.2016, X R 43/14 

Hinweis:

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Bst. a EStG gehören zu den Sonderausgaben u.a. Beiträge zu Krankenversicherungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden. Als eigene Beiträge des Steuerpflichtigen werden gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG auch die vom Steuerpflichtigen im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung getragenen eigenen Beiträge i.S. des Buchst. a oder des Buchst. b eines Kindes behandelt, für das ein Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 oder auf Kindergeld besteht.

Im Urteilsfall hatte der Kläger für sich und seine Töchter einen Krankenversicherungsschutz vereinbart, für den er aufgrund entsprechender Selbstbehalte geringere Versicherungsbeiträge zu zahlen hatte. Die von ihm getragenen tatsächlichen krankheitsbedingten Aufwendungen machte der Kläger bei seiner Einkommensteuererklärung geltend. Weder das Finanzamt noch das Finanzgericht ließen im Streitfall indes einen Abzug der Kosten zu.

Der BFH hat entschieden, dass aufgrund von vereinbarten Selbstbehalten getragene Krankheitskosten nicht als Sonderausgaben abgezogen werden können.

Weil die Selbstbeteiligung keine Gegenleistung für die Erlangung des Versicherungsschutzes darstelle, sei sie kein Beitrag "zu" einer Krankenversicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Bst. a EStG und könne daher nicht als Sonderausgabe abgezogen werden. Die selbst getragenen Krankheitskosten seien zwar außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG. Da im Streitfall die Aufwendungen die zumutbare Eigenbelastung des § 33 Abs. 3 EStG wegen der Höhe der Einkünfte des Klägers nicht überschritten hätten, komme ein Abzug nicht in Betracht.

Eine darüber hinausgehende steuerliche Berücksichtigung des Selbstbehalts lehnt der BFH ab. Diese sei auch nicht durch das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums geboten. Denn dieser Grundsatz gewährleiste - wie bereits das Bundesverfassungsgericht entschieden habe - dem Steuerpflichtigen keinen Schutz des Lebensstandards auf Sozialversicherungs-, sondern lediglich auf Sozialhilfeniveau. Die Aufwendungen für Krankheitskosten im Rahmen von Selbstbehalten seien aber nicht Teil des sozialhilferechtlich gewährleisteten Leistungsniveaus. 




Doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen

Auch wenn die mit dem AltEinkG geschaffene Übergangsregelung für die Besteuerung von Leibrenten aus der Basisversorgung (§ 22 Nr. 1 S. 3 Bst. a Doppel-Bst. aa EStG) grundsätzlich verfassungsgemäß ist, darf es in keinem Fall zu einer verfassungswidrigen doppelten Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezüge kommen. Die Feststellungslast hierfür liegt beim Steuerpflichtigen.

Der Steuerpflichtige kann eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung bereits bei Beginn des Rentenbezugs rügen. Es kann nicht unterstellt werden, dass zu Beginn des Rentenbezugs zunächst nur solche Rentenzahlungen geleistet werden, die sich aus steuerentlasteten Beiträgen speisen.
BFH  v. 21.06.2016, X R 44/14 

Hinweis:

Das BVerfG hatte 2002 entschieden, dass die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen und der Renten nichtselbständig Tätiger aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar war. Der Gesetzgeber hat daraufhin mit dem Alterseinkünftegesetz eine Neuregelung geschaffen. Nach dessen Regelungen findet ein Systemwechsel hin zu einer nachgelagerten Besteuerung statt, so dass Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus berufsständischen Versorgungen - zunächst mit einem Anteil von 50% und dann bis 2040 graduell auf 100% ansteigend - besteuert werden.

Der Kläger bezieht eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Das FA stellte den Jahresbetrag der Rente entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu 46 % steuerfrei. Mit ihrem Einspruch brachten die Kläger vor, der Ansatz der Rente mit dem Besteuerungsanteil führe zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Doppelbesteuerung.

Der BFH hat entschieden, dass es in keinem Fall zu einer verfassungswidrigen doppelten Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezüge kommen darf.

Die vom FG bisher festgestellten Tatsachen ermöglichen keine Aussage dazu, ob es im Streitfall zu einer doppelten Besteuerung kommt.

Sollte sich im zweiten Rechtsgang ergeben, dass die steuerfreien Rentenbezüge geringer sind als der aus versteuertem Einkommen geleistete Teil der Altersvorsorgeaufwendungen, hätte das FG noch darüber zu befinden, ob eine doppelte Belastung bis zu einer gewissen Bagatellgrenze hinzunehmen sein könnte.

Die Hilfsbegründung des FG, dass nach dem Beginn einer Rente zunächst nur Zahlungen geleistet werden, die sich aus denjenigen Beiträgen speisen, die in der Beitragszahlungsphase steuerentlastet gewesen seien, ist nicht tragfähig. Dies widerspricht der bisherigen Senatsrechtsprechung, nach der die gerichtliche Überprüfung des Verbots der doppelten Besteuerung auf den Beginn des Rentenbezugs vorzunehmen ist. 




Kindergeld: Kindergeldanspruch für volljähriges, beschäftigungsloses Kind bei Meldung als Arbeitsuchender - Arbeitsunfähigkeit des Kindes

Für die Berücksichtigung eines volljährigen, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Kindes beim Kindergeld ist erforderlich, dass sich das Kind tatsächlich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet und die Tatsache seiner künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit angezeigt hat (Anschluss an die BFH-Urteile vom 26. Juli 2012 VI R 98/10, BFHE 238, 126, BStBl II 2013, 443, und vom 18. Juni 2015 VI R 10/14, BFHE 250, 145, BStBl II 2015, 940).

Die Meldung als Arbeitsuchender ist nicht allein deshalb entbehrlich, weil das volljährige, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehende Kind arbeitsunfähig erkrankt ist; dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind tatsächlich nicht daran gehindert ist, sich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender zu melden.

BFH  v. 07.07.2016, III R 19/15 

Hinweis:

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, kindergeldrechtlich berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.

Die Klägerin ist die Mutter des im Juli 1987 geborenen Sohnes, für den sie fortlaufend Kindergeld bezog. Der Sohn wurde zum September 2007 aus der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit abgemeldet. Ab November 2007 war er bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Im November 2007 erlitt er einen Arbeitsunfall, in dessen Folge er bis September 2008 arbeitsunfähig war. Die Zeitarbeitsfirma kündigte das Arbeitsverhältnis zum Dezember 2007. Im Oktober 2008 meldete sich der Sohn arbeitsuchend. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab Oktober 2007 auf und forderte das für Oktober 2007 bis Juli 2008 gezahlte Kindergeld zurück, da der Sohn sich nicht mehr in Berufsausbildung befinde, die anschließende Arbeitslosigkeit nur bis September 2007 nachgewiesen habe und die erneute Arbeitslosenmeldung erst im Oktober 2008 erfolgt sei.

Der BFH hat entschieden, dass der Klägerin für den Zeitraum für Oktober 2007 bis Juli 2008  kein Kindergeld zusteht.

Der Sohn ist nicht nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG berücksichtigungsfähig, da er sich nach den Feststellungen des FG im Streitzeitraum nicht bei einer inländischen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet hat. Der Sohn ist einem als arbeitsuchend gemeldeten Kind auch nicht deshalb gleichzustellen, weil er infolge seines Arbeitsunfalls bis September 2008 arbeitsunfähig erkrankt war. Nach den Feststellungen des FG war er auch tatsächlich nicht daran gehindert, sich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender zu melden. 




Zufluss von Arbeitslohn bei Schuldübernahme einer Pensionsverpflichtung durch einen Dritten

Die Ablösung einer vom Arbeitgeber erteilten Pensionszusage führt beim Arbeitnehmer zwar dann zum Zufluss von Arbeitslohn, wenn der Ablösungsbetrag auf Verlangen des Arbeitnehmers zur Übernahme der Pensionsverpflichtung an einen Dritten gezahlt wird (Bestätigung der Rechtsprechung).

Hat der Arbeitnehmer jedoch kein Wahlrecht, den Ablösungsbetrag alternativ an sich auszahlen zu lassen, wird mit der Zahlung des Ablösungsbetrags an den die Pensionsverpflichtung übernehmenden Dritten der Anspruch des Arbeitnehmers auf die künftigen Pensionszahlungen (noch) nicht wirtschaftlich erfüllt. Ein Zufluss von Arbeitslohn liegt in diesem Fall nicht vor. 

BFH  v. 18.08.2016, VI R 18/13

Hinweis:

Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt (§ 11 Abs. 1 S. 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 S. 3 EStG).

Der Kläger war Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer einer GmbH (A-GmbH), die ihm in der Vergangenheit eine Pensionszusage erteilt hatte. Im Vorgriff auf die geplante Veräußerung seiner Geschäftsanteile gründete der Kläger eine weitere GmbH (B-GmbH) mit ihm als alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer.

Da der Erwerber der Geschäftsanteile die Pensionszusage des Klägers nicht übernehmen wollte, vereinbarte die B-GmbH mit der A-GmbH, alle Rechte und Pflichten aus der dem Kläger gewährten Pensionszusage gegen Zahlung einer Vergütung zu übernehmen. Der Kläger stimmte der Übertragung zu. Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht waren der Ansicht, dem Kläger sei mit der Zahlung des Ablösungsbetrags von der A-GmbH an die B-GmbH Arbeitslohn zugeflossen.

Der BFH hat entschieden, dass die Schuldübernahme der Pensionsverpflichtung nicht zu einem Lohnzufluss beim Arbeitnehmer führte.

Die bloße Erteilung einer Pensionszusage führt nach ständiger Rechtsprechung noch nicht zum Zufluss von Arbeitslohn. Die im Rahmen der Schuldübernahme gezahlte Ablöse ändert hieran aus Sicht des Arbeitnehmers nichts. Durch die Zahlung der Ablöse hat die A-GmbH keinen Anspruch des Klägers erfüllt, sondern einen solchen der B-GmbH. Lediglich der Schuldner der Verpflichtung aus der Pensionszusage hat gewechselt. Mit der Zahlung des Ablösungsbetrags an den die Pensionsverpflichtung übernehmenden Dritten wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf die künftigen Pensionszahlungen wirtschaftlich nicht erfüllt, so dass es nicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn kommt.

Anders wäre der Sachverhalt zu beurteilen gewesen, wenn der Ablösungsbetrag aufgrund eines dem Arbeitnehmer eingeräumten Wahlechts auf dessen Verlangen zur Übernahme der Pensionsverpflichtung an einen Dritten gezahlt wird. In diesem Fall liegt eine vorzeitige Erfüllung des Anspruchs aus einer in der Vergangenheit erteilten Pensionszusage und damit Arbeitslohn vor.




Verbilligte Überlassung von GmbH-Anteilen als Arbeitslohn

Der verbilligte Erwerb einer GmbH-Beteiligung durch eine vom Geschäftsführer des Arbeitgebers beherrschte GmbH kann auch dann zu Arbeitslohn führen, wenn nicht der Arbeitgeber selbst, sondern ein Gesellschafter des Arbeitgebers die Beteiligung veräußert.

Die materiell-rechtlichen Anforderungen an den Veranlassungszusammenhang zwischen Vorteil und Dienstverhältnis und an dessen tatsächliche Feststellung sind bei Drittzuwendungen grundsätzlich nicht anders zu beurteilen als bei Zuwendungen durch den Arbeitgeber.

Gewährt ein Gesellschafter des Arbeitgebers einen Vorteil an eine vom Geschäftsführer des Arbeitgebers beherrschte Gesellschaft aus im Gesellschaftsverhältnis wurzelnden Gründen, liegt im Verhältnis des Gesellschafters zum Arbeitgeber eine Einlage und im Verhältnis des Arbeitgebers zu der an ihm beteiligten Gesellschaft des Geschäftsführers eine vGA vor, wenn die Gewährung des Vorteils durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist oder (direkter) Arbeitslohn, wenn die Arbeitsleistung mit der Vorteilsgewährung entgolten wird.

BFH  v. 01.09.2016, VI R 67/14 

Hinweis:

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG neben Gehältern und Löhnen - auch andere Bezüge und Vorteile, die „für” eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG).

Der Kläger war seit Gründung der Gesellschaft Geschäftsführer der X-GmbH. Zunächst war der Kläger mit 5% unmittelbar an der X-GmbH beteiligt. Im weiteren Verlauf gründete der Kläger eine weitere GmbH (H-GmbH), über die er sodann mittelbar an der X-GmbH beteiligt war.

Die H-GmbH erwarb von einer weiteren Gründungsgesellschafterin der X-GmbH 10% der Anteile. Nach den Feststellungen des Finanzamts überstieg der Verkehrswert für die 10%-ige Beteiligung den vereinbarten Kaufpreis. Das Finanzamt gelangte zur Aufassung, dass dem Kläger durch die verbilligte Übertragung der GmbH-Anteile Arbeitslohn zugeflossen sei. Das Finanzgericht hat der Klage stattgegeben.

Der BFH hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Auch der verbilligte Erwerb einer Beteiligung kann zu Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG führen, wenn der Vorteil       hieraus dem Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung gewährt wird. Der als Arbeitslohn zu erfassende geldwerte Vorteil besteht allerdings nicht in der übertragenen Beteiligung selbst, sondern in dem Preisnachlass.

Zwar ist Arbeitslohn ausnahmsweise auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen, wenn sie ein Entgelt für eine Leistung des Arbeitnehmers für seinen Arbeitgeber bildet. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass die materiell-rechtlichen Anforderungen an den Veranlassungszusammenhang zwischen Vorteil und Dienstverhältnis und an dessen (tatsächliche) Feststellung bei Drittzuwendungen anders zu beurteilen sind als bei Zuwendungen durch den Arbeitgeber.

Insbesondere ist anders als das FG offenbar meint bei Drittzuwendungen im Gegensatz zu Zuwendungen durch den Arbeitgeber kein eindeutiger Veranlassungszusammenhang erforderlich. Der Vorteil muss sich in beiden Fällen vielmehr gleichermaßen als Frucht der nichtselbständigen Arbeit darstellen. 




Entschädigungen als Ersatz für entgangene Gehalts- und Rentenansprüche bei geleisteten Schadensersatzzahlungen aus Amtshaftung

Eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG liegt auch dann vor, wenn eine Schadensersatzleistung aus Amtshaftung als Surrogat für die durch eine rechtswidrige Abberufung als Bankvorstand entstandenen Verdienst- und Betriebsrentenausfälle geleistet wird.

BFH  v. 12.07.2016, IX R 33/15 

Hinweis:

Nach § 24 Nr. 1 Bst. a i.V.m. §§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Entschädigungen, die „als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen” gewährt worden sind.

Der Kläger war Vorstandsmitglied einer Bank und sollte nach einer geplanten Fusion mit einer anderen Bank einen Vorstandsposten im neuen Unternehmen erhalten. Auf Anordnung des BaFin kündigte die Bank dem Kläger jedoch fristlos, so dass er den anvisierten Vorstandsposten nicht übernehmen konnte. Nachdem das Verwaltungsgericht festgestellt hatte, dass diese Anordnung rechtswidrig war, nahm der Kläger die BaFin als Rechtsnachfolgerin des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen auf Schadensersatz in Anspruch. Diese leistete eine Schadensersatzzahlung für das vom Kläger im Wege des Notverkaufs verkaufte Eigenheim sowie für entgangene Gehalts- und Rentenansprüche. Das Finanzamt behandelte die Zahlung als steuerpflichtigen Arbeitslohn, soweit diese auf entgangene Gehalts- und Rentenansprüche entfiel. Der Kläger vertrat demgegenüber die Auffassung, dass die Zahlung als „echte“ Schadensersatzleistung nicht steuerbar sei.

Der BFH hat entschieden, dass die Entschädigungszahlungen als Ersatz für entgangene Gehalts- und Rentenansprüche zu versteuern sind.
 
Um eine Entschädigung handelt es sich dann, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht. Erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige durch den Wegfall von Einnahmen einen Schaden erleidet, der durch die Zahlung unmittelbar ausgeglichen werden soll.

Vorliegend ist der vom Kläger vereinnahmte Betrag als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden. Denn nach dem Inhalt des gerichtlichen Vergleichs setzt er sich aus "entgangenen Gehaltsansprüchen" sowie "entgangenen Rentenansprüchen" zusammen.




Keine gewerbliche Prägung einer GbR bei Beteiligung einer natürlichen Person

Wer persönlich haftender Gesellschafter i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ist, bestimmt sich nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen.

BFH  v. 22.09.2016, IV R 35/13 

Hinweis:

Nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, die keine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte Personengesellschaft).

Gesellschafter der Klägerin, einer GbR, waren eine AG sowie zwei natürliche Personen. Für das Streitjahr erklärte die Klägerin einen nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Verlust. Anlässlich einer durchgeführten Betriebsprüfung kam das FA zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG handele und erließ einen geänderten Bescheid, in dem Einkünfte aus Kapitalvermögen festgestellt wurden.

Der BFH hat entschieden, dass bei der GbR keine gewerbliche Prägung i.S. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG vorliegt.

Nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 EStG ist Voraussetzung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft u.a., dass ausschließlich Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter und zur Geschäftsführung befugt sind. An der Klägerin sind hingegen zwei natürliche Personen beteiligt, deren persönliche Haftung gesellschaftsrechtlich nicht beschränkt werden konnte. 




Vermietung eines Einkaufszentrums kein Gewerbebetrieb

Die Vermietung eines Einkaufszentrums ist nicht deshalb als Gewerbebetrieb anzusehen, weil der Vermieter die für ein Einkaufszentrum üblichen Infrastruktureinrichtungen bereitstellt oder werbe- und verkaufsfördernde Maßnahmen für das Gesamtobjekt durchführt.

BFH  v. 14.07.2016, IV R 34/13

Hinweis:

Nach § 15 Abs. 2 S. 1 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Ungeschriebenes Tatbestandmerkmal des Gewerbebetriebs ist nach der Rechtsprechung des BFH des Weiteren, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet (ständige Rechtsprechung).

Im Urteilsfall hatte eine Vermietungsgesellschaft ein Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche von rund 30.000 qm an etwa 40 Mieter wie z.B. Einzelhändler überlassen, die Waren und Dienstleistungen anboten. Die Vermietungsgesellschaft hatte die Mieter verpflichtet, mit zwei weiteren Gesellschaften Verträge abzuschließen, damit von diesen Gesellschaften der laufende Betrieb, die Instandhaltung, die Reinigung und Bewachung des gesamten Einkaufszentrums einschließlich des Parkhauses sowie die Reinigung der vorhandenen Sanitär- und Sozialräume besorgt wurde. Die Mieter waren der Vermietungsgesellschaft gegenüber verpflichtet, eine von ihnen selbst finanzierte Werbegesellschaft zu gründen. Diese bezahlte einen Centermanager zur Durchführung von Werbemaßnahmen für das Einkaufszentrum. Finanzamt und Finanzgericht gingen davon aus, dass die Vermietung des Einkaufszentrums wegen der Vielzahl dieser Dienstleistungen einen Gewerbebetrieb darstellte.

Der BFH hat hat entschieden, dass die Vermietung des Einkaufszentraums keinen Gewerbebetrieb darstellt.

Nach Ansicht des BFH wird der Bereich der privaten Vermögensverwaltung noch nicht verlassen, wenn ein Einkaufszentrum vermietet und den Mietern begleitende Dienstleistungen durch den Vermieter selbst oder auf dessen Veranlassung hin durch Dritte erbracht werden.

Ausschlaggebend war für den BFH, dass diese Dienstleistungen die für die Vermietung eines Einkaufszentrums notwendige Infrastruktur betreffen. Leistungen wie Reinigung, Bewachung, sowie Bereitstellung von Sanitär- und Sozialräumen sind übliche Leistungen bei der Vermietung eines Einkaufszentrums. Werbe- und verkaufsfördernde Maßnahmen stellen zwar Sonderleistungen neben der Vermietung dar. Da die Vermietungsgesellschaft damit jedoch das gesamte Einkaufszentrum bewirbt, dient diese Werbung überwiegend dem Vermieterinteresse und ändert deshalb nichts daran, dass die Vermietungsleistung dem gesamten Leistungsaustausch das Gepräge gibt.




Sonderausgabenabzug für vom Erben nachgezahlte Kirchensteuer

Zahlungen auf offene Kirchensteuern des Erblassers durch den Erben sind bei diesem im Jahr der Zahlung als Sonderausgabe abziehbar.

BFH  v. 21.07.2016, X R 43/13 

Hinweis:

Nach § 10 Abs. 1 S. 1 EStG sind bestimmte im Einzelnen aufgeführte „Aufwendungen“ als Sonderausgaben abziehbar, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist die gezahlte Kirchensteuer als Sonderausgabe abzugsfähig.

Der Vater der Erbin verstarb im Februar 2007. 2007 hatte der Vater sein Steuerberatungsbüro gegen monatliche Rente i.H.v. 4.000 € für die Dauer von zehn Jahren veräußert. In dem gegenüber der Erbengemeinschaft ergangenen Einkommensteuerbescheid für den verstorbenen Vater erfasste das Finanzamt für 2007 wegen der Veräußerung des Steuerberatungsbüros einen entsprechenden Veräußerungsgewinn, was zu einer Kirchensteuernachforderung führte. Die von der Klägerin geleistete Kirchensteuernachzahlung machte sie als Sonderausgabe geltend.

Der BFH hat entschieden, dass die gezahlte Kirchensteuer als Sonderausgabe abzugsfähig ist.

Die Klägerin hatte für die Kirchensteuer als Nachlassverbindlichkeit unbeschränkt, also nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit ihrem Eigenvermögen einzustehen.

Die Entscheidung steht nicht im Widerspruch zu der BFH-Entscheidung v. 21.10.2008, X R 44/05. Die Zuwendungsentscheidung beim Spendenabzug als höchstpersönlichen Umstand kann nicht auf den Kirchensteuerabzug übertragen werden. Denn im Gegensatz zur maßgeblichen tatsächlichen Zahlung bei § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG knüpft § 10b Abs. 1 S. 1 EStG mit den "Zuwendungen" nach der Senatsrechtsprechung über die bloße Zahlung hinausgehend an eine besondere Widmung der Leistung zu einem bestimmten Zweck an. Im Übrigen hat die Klägerin als Erbin - anders als im o.g. Urteil die Zahlung der Kirchensteuer selbst geleistet.

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