Auswertung Aufsätze 12 - 2021

1.Umsatzsteuer

1.1.NWB

Der Widerruf der Option zur Umsatzsteuerpflicht bei Grundstücksverkäufen ist möglich - BFH-Beschluss v. 02.07.2021 - XI R 22/19
Schmidt, NWB 48/2021, S. 3.518

Anmerkung
Nach § 4 Nr. 9 Bst. a UStG sind Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, steuerfrei. Der Unternehmer kann gem. § 9 Abs. 1 UStG u.a. einen solchen Umsatz als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Der leistende Unternehmer kann, soweit die Lieferung eines Grundstücks außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens betroffen ist, nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 S. 2 UStG „nur in dem gem. § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrag“ auf die Steuerbefreiung eines Grundstücksumsatzes i. S. v. § 4 Nr. 9 Bst. a UStG verzichten.

Mit Beschluss v. 02.07.2021, XI R 22/19 hat der BFH zum Widerruf des Verzichts auf Steuerbefreiung entschieden.
 
  • Der Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Bst. a UStG kann widerrufen werden, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung noch anfechtbar oder noch nach § 164 AO änderbar ist. § 9 Abs. 3 S. 2 UStG i. d. F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 regelt den Widerruf nicht.
Der Verfasser weist darauf hin, dass es häufiger vorkommt, dass Steuerpflichtige beim Erwerb eines Grundstücks zur Umsatzsteuer optieren, weil sie von einer steuerpflichtigen späteren Verwendung ausgehen oder weil die Verkäuferseite auf die Option besteht, um überhaupt keinem Risiko einer Umsatzsteuerberichtigung nach § 15a UStG ausgesetzt zu sein, oder auch schlicht aus Versehen. Später stellt man dann fest, dass die Option wirtschaftlich unsinnig war, weil keine umsatzsteuerpflichtige Verwendung der Immobilie erfolgt, und möchte die Option widerrufen. Dem stand bisher die Auffassung der Finanzverwaltung entgegen, dass ein Widerruf der Option in dem Vertrag zu erklären sei, in dem zur Umsatzsteuerpflicht optiert wurde. Da dies faktisch unmöglich ist, hatten dann die Erwerber der Immobilie den Schaden, da sie die Umsatzsteuer aus dem Kauf abführen mussten, aber keine Vorsteuerberechtigung hatten. Dieser Verwaltungsauffassung ist der BFH nun entgegengetreten, weil § 9 Abs. 3 S. 2 UStG den Widerruf der Steuerbefreiung nicht regelt.


Umsatzsteuerliche Behandlung von Tankkartenumsätzen – Entwurf eines neuen BMF-Schreibens - Handlungsbedarf ggf. zum 01.01.2022
Liermann, NWB 51/2021, S. 3.806

Anmerkung
Unternehmen bieten Kunden Tankkarten als Serviceleistung z. B. im Rahmen eines Leasingvertrags an, mit denen diese nach Bedarf Kraftstoff und weitere Leistungen direkt bei teilnehmenden Tankstellen beziehen können. Das BMF hat bereits mit Schreiben v. 15.06.2004, BStBl. 2004 I S. 605 die Verwaltungsauffassung bezüglich der umsatzsteuerlichen Behandlung von Umsätzen im Tankkartengeschäft dargelegt. Die Rechtsprechung des EuGH und des BFH (EuGH, Urteil v. 15.05.2019, Rs. C-235/18 „Vega International, u. v. 06.02.2003, Rs. C-185/01 „Auto Lease Holland“, sowie BFH-Urteil v. 10.04.2003, V R 26/00, BStBl. 2004 II S. 571 wird nun zum Anlass genommen, die bisherige Verwaltungsauffassung maßgeblich zu ändern. Daraus resultiert voraussichtlich für alle Beteiligten nach Ansicht des Verfassers ein dringender Handlungsbedarf.

Nach der bisherigen Verwaltungsauffassung sind bei Tankkartenumsätzen die Lieferbeziehungen zwischen Tankstelle, Kartenemittent und Kartenkunde gesondert zu beurteilen.

Unter bestimmten Voraussetzungen liegen Liefergeschäfte in der Reihe vor, die als umsatzsteuerpflichtiges Reihengeschäft qualifiziert werden können. Zur Vermeidung von den Vorsteuerabzug ausschließenden steuerfreien Kreditgewährungen werden Tankkartenumsätze in der überwiegenden Zahl der Fälle in Form von umsatzsteuerlichen Reihengeschäften ausgeführt.

Der Entwurf des neuen BMF-Schreibens sieht nun vor, dass Tankkarten unabhängig von der vertraglichen Ausgestaltung pauschal als Zahlungsmittel behandelt und mit normalen Kreditkarten gleichgestellt werden. Nur noch in Ausnahmefällen sollen Reihengeschäfte bei Kraftstofflieferungen möglich sein. Dies hat zur Folge, dass es sich voraussichtlich im umsatzsteuerlichen Regelfall bei dem Umsatz des Kartenemittenten um eine steuerbefreite Kreditgewährungsleistung handeln wird.
 

2.Einkommensteuer

2.1.NWB

Aktuelle BFH-Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung - Neues zur personellen Verflechtung von Gesellschaftern und Geschäftsführern im Besitz- wie Betriebsunternehmen
Nöcker, NWB 52/2021, S. 3.868

Anmerkung
Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn eine an sich nicht gewerbliche Betätigung einer natürlichen Person oder Personengesellschaft in Form der Vermietung oder Verpachtung von Wirtschaftsgütern an eine originär gewerbliche Gesellschaft gegeben ist und sachliche wie personelle Verflechtung existieren. Sachliche Verflechtung ist gegeben, wenn es sich bei den überlassenen Wirtschaftsgütern aus Sicht des Betriebsunternehmens um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Die personelle Verflechtung liegt vor, wenn Besitz- und Betriebsunternehmen vom einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen getragen werden. In mehreren aktuellen Urteilen hat der BFH zur personellen Verflechtung entschieden.

Betriebsaufspaltung und minderjährige Kinder (BFH v. 14.04.2021, X R 5/19, BStBl. 2021 II S. 581)
  • Die personelle Verflechtung verlangt - abgesehen vom Sonderfall der faktischen Beherrschung -, dass der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter auch in der Betriebskapitalgesellschaft die Stimmenmehrheit innehat und dort in der Lage ist, seinen Willen durchzusetzen; eine Beteiligung von exakt 50 % der Stimmen reicht nicht aus.
  • Sind sowohl ein Elternteil als auch dessen minderjähriges Kind an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt, sind die Stimmen des Kindes jedenfalls dann nicht dem Elternteil zuzurechnen, wenn in Bezug auf die Gesellschafterstellung des Kindes eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist.
Beherrschungsidentität bei treuhänderischer Bindung der mehrheitlich an einer Besitzgesellschaft beteiligten Kommanditistin (BFH v. 20.05.2021, IV R 31/19, BStBl. 2021 II S. 768).
  • Die Mehrheitsbeteiligung eines einzelnen Gesellschafters oder einer Personengruppe vermittelt diesen grundsätzlich auch bei einer KG die erforderliche Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung und damit die Möglichkeit, in der KG ihren Willen durchzusetzen. Trotz Mehrheitsbeteiligung kann aber aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine Beherrschungsidentität zu verneinen sein.
  • Hat die mehrheitlich an einer Betriebsgesellschaft beteiligte Kommanditistin einer Besitzgesellschaft aufgrund der ihr als Treuhänderin gegenüber Treugebern obliegenden Treuepflicht in der Gesellschafterversammlung der Besitz-KG ihre eigenen Interessen überwiegend den Interessen der Treugeber unterzuordnen, so scheidet die Annahme einer personellen Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung aus.
 

2.2.DStR

Die BFH-Rechtsprechung zur teleologischen Reduktion von § 6 Abs. 5 S. 6 EStG – Ein Gewinn für steuerliche Umstrukturierungen
Broemel, Köll, DStR 50/2021, S. 2.865

Anmerkung
Nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG ist der Teilwert ebenfalls rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung anzusetzen, soweit innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts nach Satz 3 der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem übertragenen Wirtschaftsgut aus einem anderen Grund unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht.

Mit Urteil v. 15.07.2021, IV R 36/18 hat der BFH zum Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG durch Formwechsel einer Oberpersonengesellschaft zu Buchwerten entschieden.
  • Unter einem „Anteil“ i. S. d. § 6 Abs. 5 S. 5 u. 6 EStG ist die (unmittelbare oder mittelbare) vermögensmäßige Beteiligung eines Körperschaftsteuersubjekts an einem zuvor nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut und damit an den darin gespeicherten stillen Reserven zu verstehen.
  • Die Formulierung „aus einem anderen Grund“ i. S. d. § 6 Abs. 5 S. 6 EStG erfasst jeden Vorgang, der - zeitlich der Übertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG folgend - zur (unmittelbaren oder mittelbaren) Begründung oder Erhöhung des Anteils eines Körperschaftsteuersubjekts am übertragenen Wirtschaftsgut führt.
  • Wird bei einer mehrstöckigen Personengesellschaft innerhalb der Sperrfrist eine Oberpersonengesellschaft zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft formgewechselt und hierdurch ein mittelbarer Anteil dieser Kapitalgesellschaft an einem zuvor nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut begründet, führt dies zu einem Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG. Eine teleologische Reduktion des Satzes 6 kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht, wenn im Zeitpunkt des Formwechsels an der Oberpersonengesellschaft (auch) natürliche Personen als Mitunternehmer vermögensmäßig beteiligt sind, die bereits an dem nach Satz 3 übertragenen Betriebsgrundstück (mittelbar) vermögensmäßig beteiligt waren.
  • Verringert sich der mittelbare Anteil einer an der formgewechselten Oberpersonengesellschaft als Mitunternehmerin beteiligten Kapitalgesellschaft an dem nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut bis zum Formwechsel (Sperrfristverstoß), bestimmt sich der Umfang des Teilwertansatzes nach Satz 6 nach den vermögensmäßigen Beteiligungsverhältnissen im Zeitpunkt der Übertragung nach Satz 3.
Ein Verstoß gegen die Körperschaftsklausel kommt nach der Urteilsbegründung nur dann in Betracht, wenn es zu einer Verschiebung von stillen Reserven aus dem Einkommensteuer- in das Körperschaftsteuerregime kommt. Eine Verschiebung stiller Reserven zwischen Körperschaften wird mithin nicht von § 6 Abs. 5 S. 6 EStG erfasst. Die praktische Relevanz der jüngsten Entscheidung zu § 6 Abs. 5 S. 6 EStG ist nach Auffassung der Verfasser bedeutend größer als die vergangenen Entscheidungen zu § 6 Abs. 5 S. 4 EStG. Denn während § 6 Abs. 5 EStG unter Berücksichtigung der engen Verwaltungsauffassung zur Körperschaftsklausel bei Umstrukturierungen mit Berührung zu Kapitalgesellschaften in der Vergangenheit häufig gemieden wurde, dürfte die Norm durch die Rechtsprechung deutlich an Attraktivität für die Gestaltungsberatung gewinnen. Das gleiche dürfte nach Ansicht der Verfasser mit Blick auf die Körperschaftsklausel in § 16 Abs. 3 S. 4 EStG auch für Realteilungen gelten.
 

3.Körperschaftsteuer

3.1.NWB

Das finale BMF-Schreiben zum Optionsmodell - Eine erste Analyse zu wichtigen Praxisfragen
Zapf, NWB 51/2021, S. 3.792

Anmerkung
Nachdem das BMF bereits mit Datum v. 30.09.2021 den Entwurf eines Anwendungsschreibens zur Körperschaftsteueroption nach § 1a KStG veröffentlicht und verschiedenen Stellen die Gelegenheit dazu gegeben hatte, sich hierzu zu äußern, ist nunmehr das finale Anwendungsschreiben v. 10.11.2021, BStBl. 2021 I S. 2212 ergangen.

Nach dem BMF-Schreiben gehören auch vermögensverwaltende Personenhandelsgesellschaften zum antragsberechtigten Personenkreis.

Übergang zur Körperschaftsbesteuerung
Die Optionsausübung wird als fiktiver Formwechsel eingestuft. Unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG ist für die Gesellschafter ein buchwertneutraler Übergang möglich.

Zeitraum der Körperschaftsbesteuerung
Nach dem BMF-Schreiben liegt keine fiktive Ausschüttung vor, wenn für die Auszahlung oder Entnahme ein gesonderter Gesellschafterbeschluss erforderlich ist. Die bloße Verbuchung auf einem Kapitalkonto (ohne Entnahmebeschränkung) würde eine fiktive Ausschüttung demnach verhindern.

Beendigung der Option
Die Beendigung der Option gilt wiederum als fiktiver Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, deren steuerliche Folgen sich nach § 9 i. V. m. §§ 3 – 8     UmwStG richten.
 

4.Bilanzsteuerrecht

4.1.DStR

Berücksichtigung quantitativer Wesentlichkeitsgrenzen bei der steuerbilanziellen Rechnungsabgrenzung im Spiegel aktueller Rechtsprechung
Häsner, DStR 49/2021, S. 2.825

Anmerkung
Die Voraussetzungen für die Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten ergeben sich aus § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG. Erforderlich sind Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, die Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten dient dazu, Einnahmen und Ausgaben periodengerecht in dem Jahr auszuweisen, dem sie wirtschaftlich zuzuordnen sind.

Mit Urteil v. 16.03.2021, X R 34/19, BStBl. 2021 II S. 844 hat der BFH zur Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in Fällen geringer Bedeutung entschieden.
  • Aktive Rechnungsabgrenzungsposten sind auch bei geringfügigen Beträgen zu bilden. Weder dem Grundsatz der Wesentlichkeit noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lässt sich eine Einschränkung der Pflicht zur Bildung auf wesentliche Fälle entnehmen.
 
 

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